Der Weg für die Suchenden

Ein Leitfaden zur Befreiung von Sünden und Erlangung von Rechtschaffenheit


Hadhrat Mirza Bashir ud-Din Mahmud Ahmadra


Zweiter Khalifa des Verheißenen Messiasas des Islam Zweites Oberhaupt der Ahmadiyya Muslim Jamaat

Der Weg für die Suchenden

Ein Leitfaden zur Befreiung von Sünden und Erlangung von Rechtschaffenheit

von Hadhrat Mirza Bashir ud-Din Mahmud Ahmadra


Das Original erschien unter dem Titel:

نْیبِ ِلاط

لاجاھ

نْ م

[Minhāǧu ṭ-Ṭālibīn]

© Islam International Publications Ltd. Erste Auflage in Urdu: 1926

Erste deutsche Übersetzung: 2016

Aus dem Urdu von Aqeel Ahmed Kang Unter der direkten Aufsicht von

Hadhrat Mirza Masroor Ahmad Khalifatul Masih VABA (Fünfter Nachfolger des Verheißenen MessiasAS des Islam)


© image Genfer Straße 11

D - 60437 Frankfurt am Main

Mehr Informationen unter www.verlagderislam.de


ISBN 978-3-939797-00-5 PRINTED IN GERMANY


Vorwort 12


Der Weg für die Suchenden 17


Teil I

Ansprache vom 27. Dezember 1925 23

Wie verbringe ich meinen Tag? 25

Mulāqāt (Audienzen) 32

Meine Gebete 35

Darf man mit dem Khalifa eine Meinungsverschiedenheit haben? 38

Rauchen von Tabak ist verachtenswert 40

Ein Disput 42

Die finanzielle Lage unserer Gemeinde 43

Der Titel „Der Weg für die Suchenden“ [Minhāǧu ṭ-Ṭālibīn] 55

Der Sinn der menschlichen Schöpfung 58

Der vollkommene Mensch 63

Definition von Moral 65

Was ist ḫulq (Moral) 66

Gutes moralisches Handeln 67

Der Ursprung der Moral 69

Eigenschaften, die den Ursprung der Moral bilden 72

Warum sollte man nach hoher Moral streben? 82

Wer kann als eine moralisch gute Person bezeichnet werden? 87

Kann die Moral verbessert werden? 89

Neigt die Natur des Menschen zum Guten oder zum Schlechten? 92

Warum überwiegt auf der Welt das Böse? 92

Was bedeutet Sünde? 95

Was sind rechtschaffene Taten? 96

Arten von Sünden 96

Arten von rechtschaffenen Taten 97

Wie entstehen Sünden trotz der Stärke von rechtschaffenen Taten? 97

Einfluss des sozialen Umfelds 98

Halbwissen 99

Schlechte Gewohnheiten 99

Müßiggang und Trägheit 99

Unfähigkeit rational zu handeln 100

Subtile Einflüsse durch zeitgenössische Anschauungen der

Gesellschaft 101

Sündhafte Zustände 104

Zustände von rechtschaffenen Taten 104

Praktische Behandlung von Sünden 106

Behandlung von Sünden 108

Wege zur guten Erziehung 113

Die vier Eigenschaften des moralisch gut erzogenen Kindes 123

Wie kann bestimmt werden, ob ein Kind den richtigen Standard

in diesen Merkmalen erreicht hat? 124

Teil II

Ansprache vom 28. Dezember 1925 126

Die wahre Reinheit 137

Wie kann eine schuldlose Person von Sünden bewahrt werden? 140

Überblick über Sünden 144

Überblick über rechtschaffene Handlungen 144

Individuelle Laster 144

Laster, die Mitmenschen betreffen 152

Laster, die andere Geschöpfe betreffen 157

Laster, die das Volk betreffen 159

Laster in Bezug auf Gott 163

Rechtschaffenheit, die einen selbst betrifft 164

Rechtschaffenheit gegenüber anderen Geschöpfen 166

Bei welchen Gelegenheiten sind bestimmte Handlungen zu unternehmen oder zu unterlassen? 171

Wie kann man bestimmen, an welchen Übeln man leidet? 173

Vorschläge für jene, die ihre Laster trotz Kenntnis nicht ausmerzen können 175

Beten um Vergebung [Istiġfār] 175

Gotteserkenntnis 176

Über die Folgen von schlechten und guten Handlugen nachdenken 176 Reue [Tauba] 177

Unterschiede zwischen der Ethik der Ahmadiyyat und anderen Moralphilosophien 179

Bejahen anstatt Verneinen 180

Das Selbst: Das Gleichnis des Pferdes 182

Sünde als Folge von Selbstverleugnung 182

Hoffnung überwiegt Furcht 183

Vorschläge für jene, die des Handelns völlig unfähig sind 187

Methoden, die das „Ich“ fördern und die Willenskraft stärken 195

Exkurs: Wege zur Stärkung der Willenskraft 201

Körperliche Krankheit statt spirituelle 212

Verbreitung von Schändlichkeit 214

Ein Gebet des Verheißenen MessiasAS 216


Stichwortverzeichnis 220

Anmerkungen des Herausgebers 232

Zum Autor 240

Vorwort


Das vorliegende Buch basiert auf zwei Ansprachen von Hadhrat Mirza Bashir ud-Din Mahmud AhmadRA, dem zwei- ten Khalifa des Verheißenen MessiasAS, welche er anlässlich der Jährlichen Versammlung in Qadian im Jahre 1925 hielt. Das besondere Verständnis, welches dem Autor von Gott gewährt wurde, ermöglichte die Niederschrift. Der Name des Buches Minhāǧ aṭ-Ṭālibīn (übersetzt als „Der Weg für die Suchenden“) ist auf eine der von ihm empfangenen göttlichen Visionen zu- rückzuführen.

Dieses Werk ist ein Meilenstein in den Bereichen der Ethik und Pädagogik und bietet einen praktischen Leitfaden für jene, die nach hoher Moral in ihrem alltäglichen Leben streben. Der Autor selbst sagte über dieses Buch:

„Ich habe über diese Thematik nachgedacht und durch die Gna- de Allahs ein neues, als bahnbrechend zu bezeichnendes Verständnis erlangt.“

Der erste Teil des Buches betrifft die Rechtleitung und den Fortschritt der Gemeinde. In diesem Zusammenhang räumt Seine Heiligkeit Zweifel an seiner Person aus, die seitens eini- ger „Mitglieder“ der Gemeinde geäußert wurden.

Der zweite Teil befasst sich mit dem eigentlichen Thema des Buches, welches die Menschheit seit jeher beschäftigt, und zwar wird der Frage nachgegangen, wie eine hohe Moral er- langt werden kann. Zunächst definiert der Autor den Begriff der Moral und den der Spiritualität. Er erläutert den Ursprung der Moral und erklärt die Notwendigkeit, eine hohe Moral an- zustreben. Sodann erläutert er die verschiedenen Arten von Sünden und Tugenden in Bezug auf das Individuum, den Mit- menschen, der Nation bzw. der Gemeinde und Gott. Er begrün- det, dass Sünden bereits in der Kindheit oder früher schon ihre

Vorwort

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Wurzeln schlagen und schildert folglich einige praktische Maß- nahmen zur Erziehung von Kindern. Weiterhin geht er darauf ein, wie die Krankheit der Sünde geheilt und Tugenden ange- eignet werden können.

Insofern gibt dieses Buch auf die islamischen Lehren ge- gründete Antworten auf alltägliche Hindernisse auf dem Pfad der Rechtschaffenheit, die leicht verständlich und unmittelbar anwendbar sind. Die vorgeschlagenen Methoden zielen darauf ab, die zwischenmenschlichen Beziehungen zu verbessern und eine lebendige Beziehung zu Gott herzustellen.

Seine Heiligkeit wies daraufhin, dass der Mensch neben eigenen Bemühungen die Hilfe Gottes in Form von Gebeten aufsuchen muss, um einen moralisch hohen Rang zu erreichen. Diesbezüglich sagt er:

„Wenn der Mensch durch eigene Anstrengungen nichts errei- chen kann, braucht er Hilfe von außen. Die erste Stufe ist die eigene Anstrengung, in anderen Worten die interne Hilfe. Die zweite Stufe ist die Hilfe von außen. Man sollte sich anstrengen und gleichzeitig göttliche Hilfe erflehen, denn man kann versuchen alles zu unterneh- men, was in der eigenen Macht liegt, jedoch allein die Hilfe Gottes kann einem zum Erfolg verhelfen.“


Für die Veröffentlichung dieser deutschen Übersetzung ist einigen Personen zu danken: Für die Übersetzung aus dem


Urdu Aqeel Ahmad. Für die gründliche Überprüfung der Korrektheit, Transkription und den arabischen Text Hasanat Ahmad, Safeer-ul-Rahman Nasir und Nabeel Ahmad Shad. Für Lektorat, Satz und Layout Tariq Hübsch und für die Gestaltung des Buchumschlags Qamar Mahmood. Möge Allah sie allesamt segnen.


Mubarak Ahmad Tanveer, Publikationsabteilung Ahmadiyya Muslim Jamaat BRD KdöR

Frankfurt am Main, 2016


Der Weg für die Suchenden

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1 میْ ح

رلانمٰ حر

لاھ

ّللام

سِب

2 مْیرک

ْلاھِلوسر

یٰلع

یِّلص

ُنوھٗ د

محْ ن


Seine Heiligkeit eröffnete die Ansprache mit:

ھٗ َلكْیرِ ش

اَلھد

حوھّللااَّلإِ ھ

ٰلإِ اَّلنَأد

ھشْ َأ

ھُلوسروھٗ د

بْ عادمَ َحمنَ َأدھشْ َأو

3 مِ یْ ج

رلانطیش

لانمھّللابِ ذوع

َأَفد

عْ َبامَ َأ


Anschließend rezitierte er folgende Verse aus dem Heiligen

Qurʾan:

تیٰ اٰ َلراھنلاول

یۡ َّلافاَلتخاوض

ُ رۡ َاۡلاو

تِ َ وٰ مٰ سلاقۡلخیفنَ ا

ومۡ ِہِبوۡ نُ َجیلٰ ع

وَ ادً وۡ عُ ُقوَ اًمیٰ ق ھّللانوۡ رکذَین

ۡیذّلا﴾۱۹۱﴿بابَ ۡلَاۡلاَّیِلواُ ِّل

اًلطاَباذہت

َ

قۡ َلخامانَّبرۚضرۡ َاۡلاوت

َ ۤ

وٰ مٰ سلاَقلخیفَِ نوۡ رکفتَ َی

دقفران

لالخ

دُتنمك

ّناِ ان

َّبر

﴾۱۹۲﴿ران

لاباذع

انقفك

نحٰ بۡ سۚ



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1 „Im Namen Allahs, des Gnädigen, des Barmherzigen.“ (al-Fātiḥa, 1:1) [Anm. d. Ü.]

2 „Wir lobpreisen Ihn und erflehen Seine Segnungen auf Seinen edlen Pro- pheten.“ [Anm. d. Ü.]

3 „Ich bezeuge, dass niemand anbetungswürdig ist außer Allah, dem Einzigartigen, der keinen Partner hat, und ich bezeuge, dass Muhammad Sein Diener und Gesandter ist. Ich suche Zuflucht bei Allah vor Satan, dem Verworfenen.“ [Anm. d. Ü.]

اًیدانم

انعۡ مِ س

انَّناِ ۤان

َّبر﴾۱۹۳﴿راص

ۡنَانمنۡیمِلظ

لِلاموؕہ

تَ ۡیزخۡ َا

انَ َ َبوۡ ُنذ

انَ َلرۡ ِفغٰافَ انَّبر

٭ۖانَ ماٰ َف مک

ِّبرَ ِباوۡ ُنَ مِ اٰ نَاناٰ مَ ۡیا

ۡلِلیدانَ ُّی

انّتدعوامانِتاو

انَّبُ ر ۱۹۴﴿ رارَ ۡبَاۡلا ع

مانّفوَ َتوَ ُ انِتایِ س

انَ عرۡ ِّفکو

﴾۱۹۵﴿داَ عَ ی

مِ ۡلافُُ ِلخۡ تاَلك

ّناِ ؕۃمیٰ قِ ۡلاموۡ َیاَنزخۡ تاَلوك

ِلسریلٰ ع

ۚیثٰ ۡنُاوۡ َارکذنمّ مکنمِّ ل

ماعلمع

عیضُاۤاََلیۡ َِّناَ مۡ ُہُّبر

مۡ ُہَلباَجُ تسافَ

یفاوۡ ذوۡ ُُاوَ َمۡ ِہرایدَ ن

ماٰوۡ ج

رخُۡ ُاواوۡ َرجّ اہنۡیذ

ّلافۚض

ُ ُ

عۡ َبُ نمّٰ مکضعۡ َب

تنّٰ جمۡ ہنَ لخدۡ ُاَلٰو

مۡ ِہِتایِّٰ س

مۡ ہنعنرَ ِفک

ُاَلاوۡ لتقو

َ ۡ

اوۡ لتقویِلیۡ َ بِ س

نسح

ھٗ دنع

ھّللاوؕھ

ّللادنعنمّ اباًَّ وَ ثۚر

ہٰ ۡنالااھ

تحۡ تنمی

رجۡ ت

﴾۱۹۶﴿باوَ ثلا 4


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4 „In der Schöpfung der Himmel und der Erde und im Wechsel von Nacht und Tag sind in der Tat Zeichen für die Verständigen, die Allahs gedenken im Stehen und Sitzen und wenn sie auf der Seite liegen und nachsinnen über die Schöpfung der Himmel und der Erde: ‚Unser Herr, Du hast dies nicht umsonst erschaffen; heilig bist Du; errette uns denn vor der Strafe des Feu- ers. Unser Herr, wen Du ins Feuer stoßest, den hast Du gewiss in Schande gestürzt und die Frevler sollen keine Helfer finden. Unser Herr, wir hörten einen Rufer, der zum Glauben aufruft: „Glaubet an euren Herrn!“ und wir haben geglaubt. Unser Herr, vergib uns darum unsere Vergehen und nimm hinweg von uns unsere Übel, und im Tode geselle uns zu den Rechtschaf- fenen. Unser Herr, gib uns, was Du uns verheißen durch Deine Gesandten; und stürze uns nicht in Schande am Tage der Auferstehung. Wahrlich, Du brichst das Versprechen nicht.‘ Ihr Herr antwortete ihnen also: ‚Ich lasse das Werk des Wirkenden unter euch, ob Mann oder Frau, nicht verloren gehen. Die einen von euch sind von den andern. Die daher ausgewandert sind und vertrieben wurden von ihren Heimstätten und verfolgt wurden für Meine Sache und gekämpft haben und getötet wurden, Ich werde wahrlich von ihnen hinwegnehmen ihre Übel und sie in Gärten führen, durch die Ströme fließen: ein Lohn von Allah, und bei Allah ist der schönste Lohn.“ Qur’an 3:191-196. [Anm. d. Ü.]

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Dann fuhr er folgendermaßen fort:


Ich danke Allah, dem Allmächtigen, dass Er uns durch Seine Gnade und Barmherzigkeit ein weiteres Mal zu solchen Menschen erklärte, durch die sich das Zeichen erfüllt, welches Er für Seinen Auserwählten und Gesandten in der Welt etab- liert hat. Ein weiteres Mal gewährt Er uns die Möglichkeit, uns hier an diesem Ort zu versammeln – und dabei nicht etwa, um weltliche Ehre zu erlangen, weltlichen Begierden nachzugehen und Reichtum und Wohlstand zu erhalten, sondern ausschließ- lich für Sein Wesen und um Sein Andenken zu würdigen und den Glauben an Ihn zu festigen. Ich bete zu Allah, dem All- mächtigen, dass Er uns unsere Absichten rein lassen möge und unsere Werke rechtschaffen machen möge. Amin.

Ich sollte, bevor ich mich dem eigentlichen Thema der Rede zuwende, die ich durch Allahs Segnungen für Sie anläss- lich dieser Jalsa vorbereitet habe, zur Sprache bringen, dass dieselbige aus zwei Teilen besteht. Der erste Teil bezieht sich auf einige Angelegenheiten, auf die ich Sie auf dieser jährlichen Versammlung unbedingt aufmerksam machen sollte. Der zwei- te Teil umfasst, gemäß meiner Tradition aus den vergangenen Jahren, ein wissenschaftliches Thema. Wenn Allah mir die Kraft gibt, werde ich damit heute noch beginnen, da das Thema um- fangreich ist. Näheres werde ich im weiteren Verlauf erläutern.


An dieser Stelle wiesen die Veranstalter der Versammlung Seine Heiligkeit darauf hin, dass immer noch Teilnehmer hereinkämen,

es jedoch wenig Platz gäbe. Daher wurden die Anwesenden darum gebeten, Platz für weitere Zuhörer zu machen. Daraufhin sagte Seine Heiligkeit:


Diesmal haben wir einen großen Platz für die Versamm- lung ausgewählt. Gott möchte jedoch beweisen, dass Er uns mehr Zuhörer als erhofft gewährt. Insofern möchte ich die An- wesenden bitten, Platz zu machen, damit diejenigen, die noch draußen sind, auch hineinkommen können. Verhalten Sie sich jedoch weiterhin ruhig und hören Sie der Rede aufmerksam zu! Ich leide momentan an Husten und bin daher heiser. Ob- wohl ich Gott darin vertraue, dass Er mir ermöglicht, zu sagen, was ich vorhabe, müssen dennoch die besten Mittel für dieses Vorhaben aufgewandt werden. Aus diesem Grund sollten die Freunde ruhig sitzen und dem, was gesagt wird, Aufmerksam- keit schenken.


Teil I


Ansprache vom

27. Dezember 1925


Wie verbringe ich meinen Tag?


Zunächst möchte ich einige Missverständnisse, denen manch einer hinsichtlich meiner Person aufsitzt, ausräumen. Ei- nige unserer Freunde, welche die Möglichkeit hatten, auszurei- sen, haben erwähnt, dass einige Menschen über mich geäußert hätten, dass ich untätig herumsäße und keine bemerkenswerte Arbeit zu erledigen hätte. Sie würden nicht sehen, ob ich etwas tue. Sie haben weder ihre Namen erwähnt noch habe ich es für notwendig gehalten, nach ihren Namen zu fragen. Für solche Leute möchte ich, gegen meinen Willen, etwas über meine Tä- tigkeiten sagen, damit ihre Zweifel beseitigt werden können. Denn Zweifel sind wie Gift, das, wenn es lange in den Adern bleibt, sich als tödlich erweist.

Da ich meine Aktivitäten der kürzlich vergangenen Tage ausführlicher beschreiben kann, werde ich diese nennen. So können die Freunde erfahren, dass ich versuche, nach meinen Kräften meine Arbeit zu tun. Doch wenn jemand einen Vor- schlag hat, wie ich noch mehr arbeiten kann, so bin ich bereit, den Vorschlag zu akzeptieren. Das indes, was ich zurzeit tue, kann folgendermaßen beschrieben werden:

Morgens, nach dem Frühstück, unterrichte ich an der Schu- le für die Frauen. Es ist eine Schule, die kürzlich gegründet wurde und in der einige gebildete Frauen aufgenommen wur- den. Dazu gehören unter Anderen auch meine drei Ehefrau- en und eine meiner Töchter. Da wir noch keine Lehrerinnen für höhere Bildung zur Verfügung haben, unterrichten, hinter Vorhängen, noch Männer. Ich unterrichte diesen Frauen zur- zeit Arabisch. Maulvī Sher ʿAlī Sāḥib lehrt Englisch und Master Muhammad Ṭufail Sāḥib Geografie. Ich unterrichte etwa für eine Stunde und 15 Minuten. Eine Unterrichtsstunde ist zwar für 45


Minuten vorgesehen, jedoch überschreiten alle Lehrer für ge- wöhnlich diese Zeit, da die vorgesehene Zeit im Vergleich zum Lehrstoff sehr knapp bemessen ist.

Danach begebe ich mich in den Raum, der für die Audien- zen unserer Freunde vorgesehen ist. Derzeit sieht der Raum an- ders aus als gewöhnlich. Es wurden Gegenstände ausgeräumt, um mehr Platz für die Audienzen zu schaffen. Während mei- ner Arbeitstage ist er für gewöhnlich mit Büchern gefüllt. Wenn ich um etwa Viertel nach Neun dort ankomme, beginnt meine Büroarbeit. Ich erledige organisatorische Angelegenheiten der Jamaat und befasse mich mit Dokumenten und verschiedenen Projekten. Während ich damit beschäftigt bin, wird auch schon, um etwa 10 Uhr, die Post bereitgestellt. Sie enthält täglich 60, 70, 80, 100 und noch mehr Briefe. Die Arbeit an diesen nimmt etwa zwei bis zweieinhalb Stunden in Anspruch, so dass ich um etwa 12:30 bis 13 Uhr mit ihr fertig bin. Danach gehe ich essen und dann zum Ẓuhr-Gebet.

Nach dem Leiten des Gebets wende ich mich wieder der Arbeit, die verschiedene Abteilungen der Jamaat betrifft, zu, entwerfe verschiedene Pläne oder studiere wissenschaftliche Schriften, da ich gleichzeitig an verschiedenen wissenschaftli- chen Abhandlungen arbeite.

Danach gehe ich zum ʿAṣr-Gebet und verbleibe nach dem Gebet für einige Zeit bei den Freunden. Wenn ein Dars5 vorgese- hen ist, gehe ich dorthin. Ansonsten begebe ich mich wieder ins Büro und beantworte Briefe, bis die Zeit für das Maġrib-Gebet anbricht. Ich leite das Gebet und speise zu Abend, worauf fol- gend ich, bis die Zeit für das ʿIšāʾ-Gebet anbricht, mich erneut der Lektüre zuwende. Danach begebe ich mich wieder in mein


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5 Vorlesung.(Anm. d. Ü.)


Arbeitszimmer und arbeite dort bis 23 Uhr oder bis Mitternacht an der Übersetzung des Heiligen Qurʾan.

Aufgrund meiner Vorliebe fürs Studium und dem Streben nach Wissen, widme ich die darauf folgende Zeit, bis in etwa 00:30 oder 1 Uhr, der persönlichen Lektüre; die indes letztlich ebenfalls der Jamaat zugute kommt.

Anschließend lege ich mich zu Bett, kann jedoch vor Er- schöpfung nicht schlafen. Ich sehe verschwommen, da die Gliedmaßen vor Erschöpfung zittern. Irgendwann schlafe ich in diesem Zustand ein. Dann beginnt mit dem Morgengebet ebenjener Ablauf aufs Neue.

Diese Routine hat sich vor cirka drei oder vier Monaten eingependelt. Während dieser Zeit habe ich auch die Schrift zu meiner Ansprache mit dem Titel „Das Wesen Gottes“6, welche ich anlässlich einer Jalsa Salana hielt, neu verfasst. Ich musste an ihr sogar bis etwa 2 oder 3 Uhr in der Nacht arbeiten. Meines Erachtens bleibt bei dieser Routine keine freie Zeit mehr übrig. Selbst während des Essens bin ich in Gedanken bei wichtigen Angelegenheiten der Jamaat. Manchmal geschieht Folgendes beim Essen: Wenn meine Ehefrauen denken, dass ich nun Zeit habe, stellen sie mir nebenbei eine Frage. Ich muss sie jedoch, obwohl mir diese Art und Weise nicht gefällt, diese trockene Antwort geben: „Seht ihr mir etwa nicht an, dass ich gerade über eine wichtige Angelegenheit in Gedanken vertieft bin?“ Ich denke ja während des Essens über verschiedene Angelegenheiten konzentriert nach, obwohl die Ärzte mir sagen, dass dies die Gesundheit beeinträchtigen könnte, da man dadurch das Essen nicht gut verdauen kann. Doch wenn jemandem etwas Großes auf dem Herzen liegt, kann er dem Rat der Ärzte keine Beach-


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6 Frankfurt am Main, 2012.


tung schenken.

Wenn ich immer noch manche Leute sagen höre, was ich denn tun würde, fällt mir die folgende Anekdote eines Mannes ein, der es allen recht machen wollte:


Einst machte sich ein Mann mit seinem Sohn und einem Esel auf die Reise. Da begegneten ihnen Leute, die verwundert sprachen: „Schaut euch diese Toren an: Der Esel ist frei! Warum reiten sie nicht auf ihm?“ Als der Vater dies hörte, stieg er auf den Esel. Da begegneten ihnen wieder einige Leute, die sag- ten: „Es gibt auch wirklich keine Barmherzigkeit mehr. Wie kann der Vater reiten und das Kind laufen lassen?” Der Vater richtete sich nach diesen Worten, stieg ab und ließ seinen Sohn reiten. Es dauerte nicht lange, da erhoben schon wieder einige Passanten ihre Stimme: „So eine Unverschämtheit! Sitzt der Bengel auf dem Esel, während sein armer, alter Vater nebenherläuft.” Als die beiden dies hörten, beratschlagten sie sich. Sie stellten fest, dass die Leute sich, unabängig davon, ob der Vater ritt oder der Sohn, beschwerten. Daher entschieden sie, dass beide auf dem Esel reiten sollten. Nach dieser Beratung setzten sich beide auf den Esel. Als sie etwas weitergingen, sagten einige Leute: „Wie un- verschämt! Die beiden reiten den armen, stummen Esel zuschanden!“ Als sie dies hörten, stiegen sie beide ab und erörterten, dass al- les bisher Getane einen Tadel nach sich zog. Schließlich kamen sie zum Entschluss, dass sie beide den Esel tragen sollten. Sie kamen mit dem Esel auf ihre Schultern nur bis zu einer Brücke, als es anfing zu zappeln, hinunter fiel und starb. Da seufzten der Vater und Sohn über ihren Versuch, es jedem recht machen zu wollen und gingen nach Hause.

Die Moral der Geschichte ist, dass egal, was man auch zu


tun versucht, es immer Leute gibt, die daran etwas auszusetzen haben.

Auf der einen Seite gibt es Menschen, die mir ständig sa- gen: „Sie arbeiten Tag und Nacht, ohne sich zu erholen.“ Dann gibt es solche, die behaupten: „Welche Arbeit leisten Sie schon? Wir se- hen die Arbeit nicht.“ Wenn die Leute, die die Arbeit nicht sehen, Recht haben und diese Nicht-Sichtbarkeit der Arbeit ein Zei- chen nutzlosen Herumsitzens ist, dann leistet Gott ja überhaupt keine Arbeit, da man ihn mit bloßen Augen ebenfalls nicht ar- beiten sieht! Arbeit ist vielerlei Art; manche Arbeit ist geistiger und manche körperlicher Natur. Ein Außenstehender würde jemanden, der aus Sorge um seine Nation Tag und Nacht Pläne entwirft, als nutzlos bezeichnen. Kann ein vernünftiger Mensch denn sagen, dass ein Mensch, der Last trägt, arbeitet, aber je- mand, der geistige Arbeit leistet, unnütz herumsitzt? Geistige Anstrengung kann jemanden über Nacht altern lassen. Kör- perliche Arbeit dagegen kann einen Menschen stärker machen, obwohl man geistige Arbeit, im Vergleich zu körperlicher Ar- beit, mit bloßen Augen nicht sehen kann. Geistige Arbeit kann man erst sehen, wenn man diese Person aus der Nähe erlebt und Zeit mit ihr verbringt. Als ich letztes Jahr ins Ausland ging, wurde mir von nicht-muslimischen Engländern, die mich besu- chen kamen, geraten, mich manchmal auch von der Arbeit zu erholen. Sie waren der Ansicht, es würde sonst meine Gesund- heit beeinträchtigen. Den wahren Zustand einer Person erkennt

man nur, wen man sie trifft. Der Heilige ProphetSAW hat gesagt:

مکیْ ِلہْ َاِ لمْ ُکرْیخمْ ُکرْیخ 7



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7 „Der Beste unter euch ist jener, der seine Familie am besten behandelt.“ (Anm. d. Ü.) In verschiedenen Hadith-Büchern, wie zum Beipiel Sunan ibn


Dadurch geht hervor, dass dem Zeugnis einer Ehefrau über seinen Mann viel Bedeutung beigemessen wird. Das ist auch der Grund, warum Muslime im Zusammenhang mit dem Heili- gen ProphetenSAW das Zeugnis von Hadhrat KhadijaRA vorlegen. Vor einigen Tagen wurde mir über einen Missionar berich-

tet, dass er dies oder jenes gesagt hätte. Als ich ihn danach frag- te, sagte er: „Ich habe mich zwar zu diesem Thema geäußert, doch im Gegensatz zu dem, was berichtet wurde, habe ich le- diglich gesagt, dass Sie ihren Mitarbeitern dermaßen schwere Arbeit auferlegen, dass sie in Schwierigkeiten kommen.“ Daher wissen die Leute, die mit mir arbeiten, besser, wie ich arbeite.

Allah hat in mir bereits in der Kindheit, damit meine ich die Zeit unmittelbar nach dem Tode des Verheißenen Messia- sAS, die Gewohnheit geweckt, gerne zu lesen. Diese Gewohnheit hat meine Gesundheit dermaßen beeinträchtigt, dass Hadhrat Khalifatul Masih IRA Dr. Mirzā Yaʿqūb Beg Sāḥib konsultierte, der mir zu einem täglichen durchgehenden Schlaf von mindestens 7 Stunden riet, sonst würde sich meine Gesundheit verschlech- tern, so der Arzt. Hadhrat Khalifatul Masih IRA befahl mir auch:

„Du sollst täglich 7 Stunden durchgehend schlafen, sonst wird sich deine Gesundheit weiter verschlechtern. Wer den Ratschlag eines Arztes nicht befolgt, trägt Schaden davon. Du sollst diesem Befehl ge- horchen.“ Trotz dessen gelingt es mir nicht, außer an Tagen, an denen ich schwer krank bin, mehr als viereinhalb bis höchstens sechs Stunden zu schlafen. Die Leute, die das tägliche Gebet unter meiner Leitung verrichten, können bezeugen, dass meine Nerven aus diesem Grund dermaßen erschöpft sind, dass ich


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Māǧa, Kitābu n-Nikāḥ, Bāb Ḥَ usnu l-Muʿāšarti n-Nisāʾ, findet man stattdessen die folgenden Worte:۔۔۔۔۔۔انأوہِ ــِلــہاِ لمـــکریـــخمـکریـــخ(„Der Beste unter euch ist jener, der seine Frau am besten behandelt.)


manchmal sogar die Suren vergesse, die ich täglich rezitiere. Mein Sehvermögen ist dermaßen geschwächt, dass ich manch- mal verschwommen sehe. Trotz dieses Gesundheitszustandes, arbeite ich in der oben beschriebenen Weise. Ich erläutere all dies, weil ich es für notwendig erachte, manch böse Einflüste- rungen, die in den Herzen einiger Leute sein könnten, zu besei- tigen.

Genau hier in dieser jährlichen Versammlung könnten Teil- nehmer sein, die denken: „Das ist doch keine große Sache, zwei Tage lang diesen Vortrag zu halten!“ Dabei wissen sie jedoch nicht, wie viel ich zur Vorbereitung dieser Ansprache gelesen habe. Um die Ansichten der unterschiedlichen Religionen hinsichtlich be- stimmter Themen, die ich erläutere, zu erfahren, unternehme ich vorher sehr viel Recherche. Allein für die Ansprache, die ich heute vorzutragen beabsichtige, habe ich mindestens 1200 Seiten gelesen. Dabei habe ich fast nichts davon verwendet, sondern sie lediglich gelesen, um die verschiedenen Ansich- ten zu vergleichen. Es ist zwar richtig, dass all die Erkenntnis- se, die mir in den Sinn kommen, durch die Segnungen Gottes Einzug halten. Dabei ist indes erforderlich, für den Empfang dieser Segnungen einige Bedingungen zu erfüllen. Man benö- tigt Denkvermögen, Recherche und tiefe Reflexion. So gesehen ist diese Ansprache nicht allein das Ergebnis der Anstrengung eines Tages, sondern das von langen Denkprozessen, Überle- gungen und umfassender Recherche. Diese Ansprachen von der Jalsa werden hernach nicht einfach ohne Weiteres gedruckt. Den Schreibenden gelingt es nicht, alle Ansprachen vollständig mitzuschreiben. Es nimmt etwa einen Monat in Anspruch, um sie sorgfältig niederzuschreiben. Schließlich muss ich diese Ma- nuskripte revidieren, damit der Gedankengang der Rede auch in der gedruckten Form erhalten bleibt.


Mulāqāt (Audienzen)


Ich möchte nun eine weitere Sache ansprechen. Es wird behauptet, dass ich sehr wenigen Leuten die Möglichkeit für eine Privataudienz gestatte. Auf einer der Jährlichen Versammlungen aus den letzten Jahren wies ich darauf hin, dass eine Audienz viele Vorteile mit sich bringt. Dies ist auch der Grund dafür, dass ich anlässlich der Jalsa, trotz vieler Be- schäftigungen, unseren Freunden viele Möglichkeiten für ein mulāqāt einräume. Wenn Leute mich auf diese Weise im Priva- ten treffen, führt es dazu, dass ich mit ihnen in ein, zwei oder drei Jahren persönlich vertraut werde. Folglich kenne ich nun Tausende Mitglieder der Jamaat und kann sie wiedererkennen. Außer diesem mulāqāt gewähre ich den Freunden ab und zu auch weitere Möglichkeiten für Audienzen. Eigentlich ist eine private Audienz nur dann erforderlich, wenn es tatsächlich ei- nen Bedarf dafür gibt, nämlich, wenn man etwas sagen möchte, was man in der Gesellschaft von anderen nicht sagen kann.

Doch manchmal bitten Leute um eine Privataudienz und wenn ihnen diese Möglichkeit gewährt wird, sagen sie, dass sie lediglich um Gebete für sich bitten wollten, obwohl sie dies auch in der Gesellschaft von anderen sagen könnten. Hierfür lassen sie 15 bis 20 Minuten meiner Zeit vergehen. Zu meinen Tätigkeiten, die ich vorhin aufgeführt habe, gehören auch Au- dienzen. Ich nehme auch Zeit heraus für Personen, die mich im Privaten sprechen möchten. Doch ich habe nun aus Erfahrung festgestellt, dass Leute zwar für eine Privataudienz bitten, aber im Endeffekt Angelegenheiten besprechen, die genauso gut in der Gesellschaft von anderen hätten gesagt werden können. Daher habe ich nun meinen Sekretär angewiesen, dass wenn jemand um eine Privataudienz bittet, er ihn fragen soll, ob sei-


ne Angelegenheit wirklich solcher Natur ist, dass sie unbedingt im Privaten besprochen werden muss. Wenn dies wirklich der Fall ist, dann nehme ich mir auch die Zeit dafür heraus. Unse- re Freunde werden anhand der Tätigkeiten, die ich aufgeführt habe, erkannt haben, dass ich keinen freien Moment habe. Ich bin rund um die Uhr beschäftigt. Da es nun für mich nicht möglich ist, 24 Stunden in 48 umzuwandeln, kann ich zwar darauf achten, so wenig Zeit wie möglich mit Essen, Trinken, Toilettengang und Schlaf zu verbringen, jedoch kann ich diese Grundbedürfnisse nicht völlig aufgeben. Wenn ich unter die- sen Umständen auch Privataudienzen ohne einen wichtigen Grund ermöglichen würde, würden meine anderen Verpflich- tungen darunter leiden. Es passiert manchmal, dass jemand für eine Privataudienz kommt, meine Hände festhält und für 15 bis 20 Minuten nur diesen Satz wiederholt: „Beten Sie unbedingt für mich!“ Ich kann ihm nicht jedes Mal sagen, dass ich für ihn un- bedingt beten werde. Ich sage einmal, dass ich beten werde und bleibe dann für einige Momente still und höre zu. Ich möchte jedoch, dass diese Art und Weise beendet wird. Es ist auch nur zu ihrem besten, dass ich meine Zeit in wichtigere Angelegen- heiten investieren kann. Wenn mich jemand stattdessen um Ge- bete bittet, ohne meine Zeit zu vergeuden, kann ich mit mehr Hingabe für ihn beten, weil ich bedenke, dass er den Wert mei- ner Zeit schätzt. Vor denjenigen, die lange meine Hand halten, zeige ich mich zwar erfreut, mein Herz ist jedoch unruhig, weil sie mich von einer bestimmten Aufgabe abhalten. Ich möchte diese Verfahrensweise in Audienzen stoppen. Wenn jedoch jemand etwas Wichtiges besprechen möchte, so bin ich dafür jederzeit, ob Tag oder Nacht, verfügbar.

Ich halte das mulāqāt für sehr wichtig. Genauso wie ich

glaube, dass diejenigen falsch liegen, die ohne einen Grund


meine Zeit verschwenden, halte ich auch die Ansicht derjeni- gen für falsch, die es generell ablehnen, mich zu treffen. Immer, wenn man eine Möglichkeit dazu bekommt, sollte man hierhin kommen, um mich zu treffen, mit der Bedingung, dass dieses Anliegen nicht in der Gesellschaft von anderen besprochen werden kann, beispielsweise wenn jemand eine Krankheit hat oder bestimmte Umstände oder etwas Ähnliches. Für solch ein Anliegen bin ich auch bereit, mich im Privaten zu treffen. Heut- zutage passiert sogar Folgendes: Manche Leute schreiben ihre Fragen auf und bringen sie mit, um diese in einer Privataudienz zu stellen. Dies betrübt mich sehr. Hätten sie die Frage in einer Versammlung gestellt, wäre es auch für andere vorteilhaft ge- wesen. Wie zum Beispiel die Frage: „Wie kann man sich im Gebet konzentrieren?“ Es ist offensichtlich, dass die Antwort auch an- deren geholfen hätte. Die Person, die eine derartige Frage stellt, entzieht durch ihre Bitte um eine Privataudienz anderen einen Nutzen. Leute, die für solche Anliegen um eine Privataudienz fragen, sollten aufgehalten werden. Was die Wichtigkeit und Notwendigkeit von Audienzen betrifft, so betont sie selbst der Heiligen Qurʾan. So heißt es dort:

نۡیقِ د

صلا ع

ماوۡ ُنوۡ ک 8


Gott ordnet den Gläubigen an: „Trefft euch immer wieder mit denen, die eine aufrichtige Beziehung zu Gott pflegen!“ Audienzen sind daher notwendig. Der Verheißene MessiasAS sagte sogar, dass er um den Glauben desjenigen fürchtet, der nicht regelmä- ßig zu ihm kommt.9



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8 „Seid mit den Wahrhaftigen!“ (aṭ-Ṭauba, 9:119) [Anm. d. Ü.]

9 Hadhrat Mirza Ghulam AhmadAS, „Malfūẓāt Band I“, (Qadian: Islam Inter-


Einige Leute kommen zwar hierhin, aber bleiben hinten sitzen und gehen weg. Sie denken, ich hätte sie gesehen. In un- serer Familie hat man jedoch häufig Lider, sodass die Augen halb geschlossen und nach unten gerichtet bleiben. Wenn sie zu weit geöffnet bleiben, fangen sie an zu schmerzen. Daher möchte ich diejenigen, die hierherkommen, anweisen, mich zu treffen, mir mitzuteilen, wie lange ihr Aufenthalt sein wird und mir auch über ihre Umstände und die Umstände in ihrem Ort zu berichten. So werde ich eine Möglichkeit bekommen, diesen Leuten besondere Zuwendung zukommen zu lassen und für sie zu beten.


Meine Gebete


Nun möchte ich ein weiteres Missverständnis beseitigen. Es wurde mir berichtet, dass einige der Ansicht seien, dass es keinen Nutzen habe, mich um Gebete zu bitten, ich würde un- möglich für so viele Menschen beten können.

Falls jemand annimmt, dass ich, wenn ich einen Brief mit der Bitte um Gebete bekomme, für diese Person eine halbe Stunde lang oder länger separat bete, dann ist dies nicht rich- tig. Dies ist nicht meine Vorgehensweise, noch bin ich dazu in der Lage. Wenn man die Briefe aus Qadian mitzählt, erhalte ich jeden Tag etwa einhundert Briefe mit der Bitte um Gebete. In einigen dieser Briefe bitten mich die Leute, kontinuierlich für sie zu beten. Wenn ich sie immer wieder dazuzähle, steigt diese Anzahl stetig. Wenn ich für all diese Menschen nur jeweils für eine Minute separat bete und ebenfalls Zeit für andere Angele- genheiten rausnehme, die den Islam betreffen, würde jede Ge-


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national Publications Limited, 2010), S. 205.


betszeit etwa drei bis vier Stunden in Anspruch nehmen.

Daher gehe ich so vor, wie der Verheißene MessiasAS es handhabte. Sein Prinzip war, die Briefe zu lesen und gleichzei- tig für diese Menschen zu beten. Ich gehe ebenfalls auf diese Weise vor. Dies ermöglicht mir die Briefe mit mehr Konzent- ration zu lesen. Häufig hält mein Sekretär einen Brief in seiner Hand und liest ihn mir vor und ich erkläre ihm, hier ist nicht dies, sondern jenes gemeint und es stellt sich letztendlich her- aus, dass ich richtig liege. Da ich im Hinterkopf habe, für die betroffenen Personen zu beten, lese ich die Briefe mit viel Kon- zentration und verinnerliche den Inhalt. Dies ist eine meiner Vorgehensweisen für Gebete.

Die zweite Vorgehensweise ist, dass ich in den nawāfil10 bete. Seit einigen Tagen bete ich sogar während der farāʾiḍ11 für den Fortschritt der Jamaat und für die Beseitigung ihrer Schwierigkeiten. Zu diesen Gebeten gehört auch, dass ich Got- tes Segnungen auf den Heiligen ProphetenSAW und den Verhei- ßenen MessiasAS erflehe.

Ich bete für die Erhöhung ihrer Ränge, und dass Gott den Zweck ihrer Entsendung durch uns erfüllt. Ich bete dafür, dass Gott den Verstand derer erleuchtet, die nicht an sie glauben oder Einwände gegen sie erheben, dass die Schwierigkeiten und das Leid der Jamaat beseitigt und Mittel für ihren Fort- schritt gewährt werden. Seitdem einige Mitglieder unserer Ge- meinde in Kabul den Märtyrertod starben, bete ich auch täg- lich dafür, dass Gott unseren Brüdern dort helfen und sie vor der Bosheit der Feinde bewahren möge. Dann bete ich dafür,


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10 nawāfil (arabisch: لفاون, sing. nafl) sind freiwillige Gebete zusätzlich zum täglichen Ritualgebet. [Anm. d. Ü.]

11 farāʾiḍ (arabisch: ضئارف, sing. farḍ) sind der Pflichtteil des täglichen Ritual- gebets. [Anm. d. Ü.]


dass die Wahrheit des Islam sich in Ost und West gleicher- maßen verbreiten möge, und dass alle Menschen den Islam annehmen mögen. Dann bete ich für die gesamte Jamaat. Die Zusammenfassung dieses Gebetes ist, dass Gott die finanziel- len, körperlichen, moralischen, akademischen und spirituellen Erschwernisse der Mitglieder der Jamaat beseitigen möge und ihnen in all diesen Bereichen Mittel zum Fortschritt gewähren möge. Dann bete ich für die bedeutenden Vorhaben der Jamaat. Danach bete ich, dass Allah die Leiden und Schwierigkeiten derer beseitigen möge, die mir für Gebete geschrieben haben und dass Er die Tore der Glückseligkeit für sie öffnen möge. Jene Menschen, deren Leid in jenem Moment einen besonderen Einfluss auf meinen Geist hat, gedenke ich in meinen Gebeten beim Namen. Danach bete ich: „Mein Herr, habe nicht nur Gna- de auf die gegenwärtigen Mitglieder unserer Jamaat, sondern auch auf ihre zukünftigen Generationen.“ Anschließend bete ich für die Mitarbeiter der Jamaat, dass Gott in ihnen Pflichtbewusstsein für ihre Verantwortungen erwecken möge, sie zu Erben Seiner Segnungen machen möge, ihnen den Weg der Zusammenarbeit und Mitgefühl für die Mitglieder der Jamaat lehren möge, und dass auch die Mitglieder der Jamaat mit ihnen mit Mitgefühl zusammenarbeiten mögen.

Danach bete ich für jene Mitglieder, die für das Tabligh12 ausgereist sind und für ihre Angehörigen. Anschließend bete ich für diejenigen, die unter verschiedenen Schwierigkeiten lei- den. Diese Gebete spreche ich ununterbrochen in den Pflichtge- beten und in den nawāfil.

Wenn jemand immer noch der Auffassung ist, dass ich für die Jamaat nicht bete, so gleicht er demjenigen, der auch am


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12 Verkündung der Botschaft des Islam. (Anm. d. Ü.)


helllichten Tage die Sonne verleugnet. So wie ich für die Ande- ren bete, würden nicht einmal 90 Prozent dieser Menschen für sich selber beten.


Darf man mit dem Khalifa eine Meinungsverschiedenheit haben?


Mir wurde über eine weitere Auffassung berichtet. Manche Leute sagen: „Da man mit dem Khalifa eine Meinungsverschieden- heit haben darf, stimmen wir in bestimmten Angelegenheiten nicht mit ihm überein.“

Ich selbst hatte ebendies zuvor erläutert – dass man also eine Meinungsverschiedenheit mit dem Khalifa haben darf – und wiederhole dies erneut. Doch alles steht in einem bestimm- ten Zusammenhang und es ist kein Zeichen von Weisheit die- sen Kontext zu ignorieren. Niemand kann behaupten, der Rat eines Arztes sei immer richtig. Ärzten unterlaufen dutzende Fehler. Trotz dessen würde niemand auf die Idee kommen, sich von nun an selbst Medikamente zu verschreiben, da der Rat der Ärzte fehleranfällig sein kann. Der Grund hierfür ist, dass der Arzt Medizin studiert hat und sein Rat folglich mehr Ge- wicht hat als unsere Meinung. Ebenso begehen Anwälte wäh- rend Gerichtsverfahren dutzende Fehler, ihrer Meinung wird bei Prozessen jedoch trotzdem mehr Bedeutung beigemessen. Wenn jemand eine Disziplin besser beherrscht, dann wird seine Meinung geschätzt. Daher sollte der Meinungsunterschied eine Grenze haben.

Jemand, der an der Hand eines Khalifa ein Treuegelübde leistet, sollte wissen, dass Khulafa von Gott auserwählt werden. Die Aufgabe eines Khalifa ist es, Tag und Nacht die Menschen


rechtzuleiten und über Glaubensangelegenheiten zu reflektie- ren. Daher muss seine Meinung hinsichtlich Angelegenheiten des Glaubens akzeptiert werden. Ein Meinungsunterschied darf jemand nur dann haben, wenn er sich absolut sicher ist, dass seine eigene Meinung so richtig ist wie eins plus eins zwei ergibt. Hierfür gibt es noch eine weitere Bedingung, nämlich, dass er seinen Zweifel dem Khalifa vorlegt und ihm sagt, dass er bei einer Angelegenheit diesen oder jenen Zweifel hat, so dass der Khalifa diesen Zweifel ausräumen kann. So wie ein Patient den Arzt über seine Krankheit in Kenntnis setzt und ihn darum bittet, sich damit zu beschäftigen, so ist jemand, der ei- nen Meinungsunterschied mit dem Khalifa hat, auch dazu ver- pflichtet, seine Zweifel dem Khalifa vorzulegen, anstatt diese selbst zu verbreiten. Denn wäre es zugelassen, alles verbreiten zu dürfen, was einem Menschen in den Sinn kommt, würde vom Islam nichts mehr übrigbleiben. Nicht jeder Mensch be- sitzt die Fähigkeit, richtige Entscheidungen zu treffen. Warum würde es sonst im Heiligen Qurʾan heißen, dass wenn etwas über Frieden oder Furcht zu euch dringt, ihr es vor jene bringen sollt, die Befehlsgewalt unter euch haben?13 Machen diejenigen, die Befehlsgewalt haben, etwa niemals einen Fehler? Gewiss,


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13 Siehّ eُ denَ folgenَ den ُ Vٰۤers aus dem Heiligen Qurʾanَ: َ ۡ

نیذِ لاہمَ ِلعَ لمًۡ ہنَمِ رَِّ مالایِلوَایلاِ ُوَ لِ وَۡ سُ َ رلایلاِ ھوۡ درَ وُۡ لوَ َؕہٖ ِباٰ وۡ عاذاَ فوۡ خلا وِ اُ نِ مۡ الانمِّ رٌ ما مۡ ہءآجَ اذاِ و

﴾۸۴﴿الیۡ ِلق الاِ نَ طٰ یۡ شلامُ تعۡ بَ ّتالہٗ تُ مَ حۡ رَ وَ مۡ کیۡ لعَ ھِ ّللالُ ضۡ فاَلوۡ َلوَ ؕمۡ ہنۡ مِ ہٗ َنوۡ طُ بِ نۡۢ تَ سۡ َ ی

„Und wenn etwas von Frieden oder Furcht zu ihnen dringt, verbreiten sie es;

hätten sie es aber vor den Gesandten und vor jene gebracht, die unter ihnen Befehlsgewalt haben, dann würden sicherlich die unter ihnen, die es entschleiern können, es verstanden haben. Und wäre nicht Allahs Gnade über euch und Seine Barmherzigkeit, ihr wäret alle dem Satan gefolgt, bis auf einige wenige.“ (an-Nisāʾ, 4:84)


doch ihre Meinung wird respektiert. Wenn ihre Meinung re- spektiert wird, warum sollte dann die Meinung der Khulafa nicht respektiert werden? Nicht jeder Mensch verfügt über die Fähigkeit, in jeder Angelegenheit richtige Schlussfolgerungen zu ziehen.

Einst sagte der Verheißene MessiasAS, dass eine Person auch hundert Frauen heiraten darf, wenn sie dies aus Gottes- furcht macht. Eine Person, welche dies hörte, verbreitete un- ter den Leuten, dass die Begrenzung auf vier Ehefrauen auf- gehoben wurde; man dürfe nun gleichzeitig bis zu einhundert Ehefrauen haben. Er sagte, dass der Verheißene MessiasAS dies angeordnet habe. Als der Verheißene MessiasAS darüber befragt wurde, sagte er: „Meine Absicht war es zu sagen, dass man, nach- dem eine Ehefrau verstorben ist, aus Gottesfurcht immer wieder er- neut heiraten darf, unabhängig davon, wie alt man ist.“

Also ist nicht jeder in der Lage, Dinge richtig zu begreifen. Für die Aufrechterhaltung des Zusammenhalts der Jamaat ist es notwendig, dass man dem Khalifa die Angelegenheit vor- legt, in der man anderer Meinung ist. Wenn jemand nicht auf diese Weise vorgeht, also Differenzen im Herzen verbirgt und diese dann verbreitet, dann verhält er sich rebellisch. Solch eine Person sollte sich reformieren.


Rauchen von Tabak ist verachtenswert


Als nächstes möchte ich auf eine weitere Sache hinweisen, und zwar, dass das Rauchen von Tabak eine sehr schädliche Gewohnheit ist. Die Mitglieder unserer Jamaat sollten dies un- terlassen.

Manche Leute meinten zu mir, dass sie erlebt hätten, dass Leute, die Tabak rauchten, göttliche Offenbarungen erhielten.


Mir fällt gerade hierzu eine Anekdote ein: Der Verheißene Mes- siasAS erzählte, dass einst einige Krämer zusammensaßen und sich gegenseitig dazu aufforderten, gegen eine Belohnung von fünf Rupien ein viertel Kilo Sesamkörner zu essen. Ein Bauer, der gerade vorbeilief, hörte dies und fragte leichthin auf Pun- jabi: Soll ich die Sesamkörner samt Zweigen essen oder ohne? Seiner Meinung nach war der Verzehr von einem viertel Kilo Sesamkörner eines Preises nicht Wert. Die Krämer sagten: „Du kannst gehen, wir wollen dich nicht herausfordern!“

Daraus folgt, dass Menschen unterschiedlich gesinnt sind. Was der eine für etwas Großes hält, ist für den Anderen etwas Gewöhnliches. Selbst wenn wir annehmen, dass ein Tabakrau- cher göttliche Offenbarung empfangen kann, so muss man hin- zufügen, dass diese Offenbarung nicht von hohem Rang sein kann.

Der Heilige ProphetSAW untersagte ja sogar den Verzehr von Knoblauch vor dem Betreten der Moschee, da die Engel wegen seines Geruchs vertrieben werden. Als einst dem Heili- gen ProphetenSAW roher Knoblauch angeboten wurde, lehnte er diesen ab. Daraufhin fragten ihn seine GefährtenRA: „O Prophet Allahs, sollen auch wir dies nicht essen?“ Er antwortete: „Ihr könnt es essen, da Gott mit euch nicht kommuniziert.“14 Wie können wir trotz dieser ʾAḥadīṯ15 glauben, dass Engel mit einem Tabakrau- cher kommunizieren, obwohl der Geruch von Tabak sogar un- angenehmer ist als der von Knoblauch? Der Heilige ProphetSAW sagte über etwas, das nicht so unangenehm riecht wie Tabak, dass er es nicht benutze, da die Engel mit ihm kommunizierten.


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14 Ṣaḥīḥ Muslim, Kitābu l-Masāǧid wa Mawāḍiʿi ṣ-Ṣalāt, Bāb Nahī man Akala Ṯūm au Kurrāṯ au Nahwahā…

15 Aḥādīṯ (arabisch:ثیداحأ, sing. Ḥadīṯ) sind gesammelte Überlieferungen des Heiligen Propheten MuhammadSAW. [Anm. d. Ü.]


Wenn der Heilige ProphetSAW Vorsicht in diesem Maße walten ließ, so muss jemand, der göttliche Offenbarung zu erhalten be- hauptet oder erhofft, sich vor dem Tabakrauchen hüten. Nie- mand möchte, dass Gott nicht mit ihm kommuniziert. Wenn es so eine Person nicht gibt, dann sollte auch niemand rauchen.

Ich möchte hinzufügen, dass es möglich sein kann, dass so eine Person göttliche Offenbarung erhält. Doch diese Offenba- rungen werden nicht von hohem Rang sein. Wir würden in dem Fall sagen: Wenn diese Person kein Tabakraucher wäre, würde sie Offenbarungen höheren Ranges empfangen. Es mag sein, dass Engel niedriger Ränge mit ihm kommunizieren. Der Ver- heißene MessiasAS sagte, dass selbst Prostituierte eine göttliche Offenbarung erhalten können.16 Das bedeutet, dass die Engel auch zu ihnen kommen. Ähnliche Engel kommen wahrschein- lich auch zu den Tabakrauchern. Wenn ein Tabakraucher daher göttliche Offenbarungen erhält, so ist es nichts Erfreuliches für ihn. Wenn er jedoch das Tabakrauchen aufgeben würde, wür- den Engel hohen Ranges zu ihm kommen.


Ein Disput


Als nächstes möchte ich über das Ansehen von einer be- stimmten Person reden.

In der letzten Sitzung der Majlis-e Mushawarat17 wurde eine Frage über den Chefredakteur des Nūr-Magazins gestellt. Man war der Ansicht, dass der Fragende seine Frage mit Einver- ständnis des Chefredakteurs gestellt hat.


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16 Hadhrat Mirza Ghulam Ahmad Qadiani, „Ḥaqīqatu l-Waḥy,“ in Rūḥānī Ḫazāʾin: Band XXII, (London: Islam International Publications Limited, 2009), S. 5.

17 Beratende Versammlung. (Anm. d. Ü.)


Hierüber hatte ich gesagt, dass dann, wenn er es tatsächlich getan hat, es falsch war. Ich hatte „wenn“ gesagt. Doch es stellte sich im Nachhinein heraus, dass er dies nicht getan hatte. Aus diesem Grund wurde bei der Veröffentlichung des Berichtes der Teil, der von diesem Vorfall handelt, herausgestrichen.

Es ist jedoch bedauerlich, dass der Chefredakteur des Fārūq- Magazins diesen Vorfall dennoch veröffentlicht hat. Umso be- dauerlicher finde ich, dass der Redakteur sich auch dann nicht genügsam zeigte, als ich den entstandenen Schaden des Fārūq- Magazins bereits vergolten hatte. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt, soweit wie möglich, ein gutes Wort für ihn eingelegt. Der Chef- redakteur des Fārūq-Magazins hat sich hierauf nicht genügsam gezeigt und gegen einen Bruder die Feder erhoben.

Da dieser Vorfall in einer öffentlichen Zeitung gedruckt wurde, beziehe ich auch in einer öffentlichen Versammlung dazu Stellung. Falls dies jemandem nicht gefällt, so soll es sein eigenes Wesen bedauern, welches ihn dazu verleitete, diesen Fehler zu begehen.18


Die finanzielle Lage unserer Gemeinde


Ich komme jetzt auf die finanzielle Lage der Jamaat zu sprechen, welche momentan sehr schlecht ist. Die Mitglieder unserer Jamaat leisten zwar jede mögliche Unterstützung, trotz dessen können unsere Bedürfnisse nicht gestillt werden. Hier- mit sind keinesfalls meine persönlichen Bedürfnisse gemeint. In „unseren Bedürfnissen“ bin ich genauso eingeschlossen wie ihr, da hiermit die Bedürfnisse der Jamaat gemeint sind. Die



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18 Der Redakteur des Fārūq-Magazins hat an dieser Stelle aufrichtige Reue gezeigt, deshalb ist er nun frei von jeder Schuld.


momentanen Schwierigkeiten dürfen nicht in dieser Form fort- bestehen, weil dies zu Unruhe führt.

Die momentane Lage führt dazu, dass die Mitarbeiter für bis zu drei Monaten kein Gehalt erhalten, ja, ich kenne etwa 25 bis 30 von ihnen persönlich, die schon oftmals ohne Mahl- zeiten auskommen mussten. Einst kam ein alter Gefährte des Verheißenen MessiasAS zu mir und sagte weinend: „Ich hunge- re seit so vielen Tagen so sehr, dass ich während der Arbeit nahezu ohnmächtig werde. Angesichts dieser Lage entschloss ich mich dazu, alles zu verlassen und einfach in die Wildnis zu gehen. Ich habe mich jedoch vor dem Gedanken gehütet, Selbstmord zu begehen.“ Sicher- lich könnt ihr nachvollziehen, dass man diese Umstände nicht in die Länge ziehen kann. Ohne Zweifel haben die Mitglieder der Gemeinden außerhalb von Qadian Schwierigkeiten, da sie nicht besonders wohlhabend sind. Ich frage mich jedoch, ob sie von einer ähnlichen Not betroffen sind, wie wir hier. Einst kam es mir so vor, als würde meine Willenskraft vollständig schwinden. Es fehlte nicht viel und ich hätte mir die Kleider vom Leib gerissen. Unsere Jamaat ist zweifellos sehr belastet und sie spendet vieles auf dem Wege Allahs. Wir müssen uns jedoch letztendlich selbst versorgen; wir nehmen nicht die Hilfe von Außenstehenden an.

Ich habe zwar eben noch erwähnt, dass unsere Jamaat sehr belastet ist, jedoch kann ich, unseren Gesamtzustand betrach- tend, sagen, dass unsere Jamaat noch nicht im selben Umfang finanzielle Opfer dargebracht hat wie frühere Gemeinden es getan haben. Ich habe die Orte in Rom gesehen, an denen sich die Anhänger von Hadhrat JesusAS vor der Unterdrückung ih- rer Gegner versteckt hatten. Einer der Gänge erstreckt sich über eine Gesamtlänge von etwa 20 Meilen. Die Christen haben ihr Hab und Gut verlassen und dort Zuflucht gefunden. Sie er-


trugen eine Hungersnot nach der anderen. In der Sura al-Kahf werden sie als „die Gefährten der Höhle und der Inschrift“ [Aṣḥābu l-Kahfi wa-r-Raqīmi] bezeichnet.19 Wir blieben dort zwar nur für einige Stunden, aber trotzdem konnten es einige von uns nicht mehr länger aushalten. Die Gefährten der Höhle jedoch lebten während der Regentschaft des Decius20 jahrelang dort. Die Ka- takomben sind sehr enge, dunkle, unterirdische und komplexe Gänge aus feuchtem Lehm. Die Gräber jener, welche von römi- schen Soldaten ermordet wurden, befinden sich auch dort und die Grabsteine sind jeweils mit dem Todesdatum beschriftet. Das waren Menschen, die, um Gottes Willen, alles verließen und dermaßen viel Leid ertrugen, dass der Gedanke daran heu- te noch eine Gänsehaut verursacht. Sie glauben daran, dass der Verheißene MessiasAS einen höheren Rang besitzt als Hadhrat Jesus von NazarethAS. Daher sollten Sie auch berücksichtigen, dass unsere Opfer ebenfalls größer sein müssen, als die seiner Anhänger. Doch trifft dies tatsächlich auf unsere jetzigen Opfer zu? Der Verheißene MessiasAS sagte: „Jeder, der dem Wasiyyat-Sy- tem21 nicht beitritt, ist ein Heuchler.“22 Er hat dafür einen Mindest-


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19 al-Kahf, 18:10. [Anm. d. Ü.]

20 Ein grausamer Kaiser, welcher über die Gefährten der Höhle herrschte.

21 Wasiyyat (arabisch: ۃیصولا) ist ein spirituelles System, welches vom Verheißenen MessiasAS unter göttlicher Leitung im Jahre 1905 eingeführt wurde. Dieses System soll der Verkündigung des Islam und der Lehren und Gebote des Heiligen Qur’an dienen. Es soll unter den wirtschaftlichen Systemen der Welt als „Niẓām-e Nau“ [Neue Weltordnung des Islam] gelten. Demzufolge ist es für jedes Mitglied der Gemeinschaft, das diesem System beitritt, erforderlich, dass er/sie mindestens ein Zehntel bis maximal ein Drittel seines/ihres Einkommens und Vermögens als Spende an die Ge- meinde entrichtet. Ferner ist er/sie verpflichtet, den Geboten und Verboten

des Qurʾan aufrichtig zu folgen. Solche Mitglieder der Gemeinde, die sich am

Wasiyyat-System beteiligen, sollen außerdem auf einem für sie vorgesehenen

„Himmlischen Friedhof“ [Bahištī Maqbara] beigesetzt werden. [Anm. d. Ü.]

22 Hadhrat Mirza Ghulam Ahmad Qadiani, „Risāla al-Wasiyyat“ in Rūḥānī


beitrag von 1/10 festgelegt, worin die sonstigen Beiträge, wel- che man regelmäßig leisten muss, nicht enthalten sind.23 Doch unsere Gemeinde zahlt lediglich 1/16 ihres Einkommens und manche zahlen noch weniger und dann gibt es auch solche, die überhaupt keinen finanziellen Beitrag leisten. Trotzdem wird gesagt, dass wir sehr belastet seien.

Wir müssen jedoch das Ausmaß unseres Vorhabens im Auge behalten. Das Beispiel der Menschen, die sagen, dass sie überlastet wären, ist so wie das von dem Mann, der sich vor- nimmt einen Elefanten zu tragen, und dann, wenn er kurz davor ist, sagt, es sei sehr schwierig; oder wie von dem Mann, der sich vornimmt, eine Flamme in die Hand zu nehmen, doch dann, als er dabei ist, sagt, dass sie seine Hand verbrenne. Wenn ein Volk von sich behauptet, dass es versucht, die Welt explosionsartig zu revolutionieren, wie Dynamit beim Sprengen eines Berges, dann ist es notwendig, dass es sich wie Dynamit explodieren lässt. Kann Dynamit etwas zerstören und dabei selbst intakt bleiben oder kann es eine Veränderung hervorbringen, ohne erst sich selbst zu vernichten? Wenn nicht, müsst ihr ebenfalls so vorgehen. Wenn ihr, trotz eurer Minderheit die Welt besie- gen möchtet, könnt ihr es nur erreichen, wenn ihr wie Dynamit wirkt. Denn Dynamit ist trotz seiner geringen Ladung dazu in der Lage, ein großes Gebiet dem Erdboden gleich zu machen. Das bedeutet, dass wir, bevor wir die Welt revolutionieren, in uns eine Revolution hervorbringen müssen.24 Habt ihr etwa


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Ḫazāʾin: Band XX, (London: Islam International Publications Limited, 2009),

S. 328.

23 Hadhrat Mirza Ghulam Ahmad Qadiani, „Ḍamīma Risāla al-Wasiyyat,“ in Rūḥānī Ḫazāʾin: Band XX, (London: Islam International Publications Limited, 2009), S. 319.

24 Der Leser sei darauf hinweisen, dass „wie Dynamit wirken“ hier im über-


diese Eigenschaften verinnerlicht oder diese Stufe erreicht? Wenn nicht, wie könnt ihr vorhaben, die Welt zu besiegen und dennoch behaupten, dass ihr vielfach überlastet seid. Jeder soll- te seinen Zustand prüfen und sehen, inwiefern er versucht hat, seine Hauptpflicht zu erfüllen, um das Ziel zu erreichen, für das jeder Ahmadi erschaffen worden ist. Wenn ihr im Hinblick auf diese Sache eure Last betrachtet, werdet ihr feststellen, dass sie unbedeutend ist.

Ich sage nicht, dass keinem von euch bewusst ist, welcher Zweck es ist, für den er sich einsetzen muss und wie viel An- strengung erforderlich ist, um diesen zu erreichen. Es gibt auch solche, die sehr aufrichtig sind. Es gibt beispielsweise eine Per- son, dessen monatliches Einkommen 60 Rupien beträgt, und die davon jedoch 1/3, d. h. monatlich 20 Rupien, als Beitrag für das Wasiyyat spendet. Als ein spezieller Spendenaufruf ge- macht wurde, gab er sein Gehalt von drei Monaten und geriet dadurch in Schulden. Daraufhin reichte er einen schriftlichen Antrag ein und bat darum, dass ihm erlaubt werden solle, so- lange einen Beitragssatz von 1/10 zu bezahlen, bis er keine Schulden mehr zu begleichen habe. Doch einige Tage danach kam ein Schreiben von ihm, worin er sein Bedauern über jene Bitte ausdrückte und sagte, dass er weiterhin einen Beitrag von 1/3 leisten wird. Es gibt also einen Teil der Jamaat, der aufrich- tig ist, und dabei handelt es sich um einen großen Teil.

Ich möchte aber auch die anderen dazu ermahnen, zu ver-



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tragenen Sinne gemeint ist, und daher auch im übertragenen Sinne verstan- den werden muss. Im Kontext der vorliegenden Thematik bedeutet es, dass man sein Ego völlig vernichtet, ohne die Folgen gegen sich zu befürchten; selbstlos handelt und damit eine Revolution in sich hervorbringt, um fol- glich die Welt spirituell revolutionieren zu können. [Anm. d. Ü.]


suchen, diesem Beispiel zu folgen. Das beste für uns ist, dass wir nicht einmal das Geringste für uns beanspruchen. Vielmehr sollten wir das, was wir im Wege Allahs geopfert haben, als gewonnen sehen. In anderen Worten: Um sich am Leben zu halten und seinen Körper zu bedecken, sollte man ausgeben, was ausgegeben werden muss, alles andere sollte für Allah sein. Schaut, wie groß das Gelübde ist, das ihr geleistet habt, als ihr in die Jamaat eingetreten seid! Es bedeutet, dass unser Leben, unser Eigentum, unsere Ehre und Anerkennung, unser Behagen, unser Vermögen, kurzum unser alles nun Gott ge- hört. Das ist die Bedeutung von Baiʿat25, ja, dass alles, was man besitzt, Gott gehört. Wenn man beispielsweise ein Gehalt von 100 Rupien hat, gehört dies nicht einem selbst, sondern eben- falls Allah. Darunter fällt auch das eigene Leben, die Familie, das Ansehen oder ein Amt. Auf all dies hat man selbst keinen Anspruch. Wenn jemand dies versprochen hat, aber dennoch meint, der Spendenaufruf sei eine zu große Belastung, dann soll er erklären, was für eine Bedeutung es dann hat, diesem Treue- gelübde zuzustimmen. Man müsste ja folglich annehmen, dass mit seinem Eid nicht der gesamte Körper gemeint war, sondern nur ein Bein oder eine Hand oder nicht das gesamte Eigentum gemeint war, sondern ein Teil davon. Wenn dies so stimmen würde, könnte man ja eine Ausnahme für ihn machen. Falls jedoch beteuert wurde, seinen Besitz, sein Leben, seine Frau, seine Kinder, seine Ämter, alles zu opfern, wie kann er dann die


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25 Baiʿat (arabisch: ۃعَ یْ َب, wörtl. „Handel bzw. Verkauf“) ist das Treuegelöbnis beim Eintritt in die Ahmadiyya Muslim Jamaat. Dieses Gelübde wird an der Hand des Kalifen der jeweiligen Zeit abgelegt. Darüber hinaus wird eine schriftliche Bestätigung unterzeichnet, in der man zustimmt, als zukünftiges Mitglied der Gemeinde die vom Verheißenen MessiasAS festgelegten zehn Bedingungen einzuhalten. [Anm. d. Ü.]


Aussage rechtfertigen, er sei nun belastet? Von einer Belastung spricht man erst dann, wenn man mehr geben muss, als man zu geben versprochen hatte, oder dass man etwas abgeben muss, was abzugeben man nicht versprochen hatte. Der Eid beinhal- tet jedoch alles zu geben, was man besitzt. Folglich kann man nicht von Belastung sprechen.

Ich bin zuversichtlich, dass unsere Freunde versuchen werden, die Bedeutung des Bai’at zu begreifen und dement- sprechend zu handeln, und dass sie sich nicht davor scheuen werden, jegliches Opfer für den Islam zu erbringen, ungeachtet dessen, für wie lange sie dies tun müssen. Denn solange man keine Freude daran empfindet, dass man alles für den Islam aufopfert, kann der Glaube nicht vollkommen werden. Ich wer- de dafür beten, dass Gott es so geschehen lasse.

Um die aktuellen finanziellen Schwierigkeiten zu beseiti- gen, wurde vorläufig der folgende Vorschlag gemacht: Da wir ein Budgetdefizit von 40.000 Rupien haben, sollte eine spezi- elle Spende eingerichtet werden. Diese sollte aufrechterhalten werden, bis das Budgetdefizit durch den regelmäßigen Beitrag vollständig finanziert worden ist. Das heißt, dass die Mitglieder unserer Gemeinde, zuzüglich zu den regelmäßigen Spenden, jährlich einmal 40% ihres monatlichen Einkommens dafür zah- len sollen.

Ich habe keine Angst davor, dass einige Menschen Schwä- che zeigen und nicht bereit sein werden, diese Last zu tragen. Solche schwachen Menschen verleihen den anderen keine Kraft, sondern sie schwächen auch diese. Sie sind wie Steine im Wege derjenigen, die Fortschritte machen, daher ist es besser, dass sie aus dem Weg geräumt werden. Wenn manche Men- schen sich aus diesem Grund zurückziehen wollen, sollen sie


dies tun. Dies wird uns keinen Schaden zufügen, unsere Bürde wird dadurch etwas leichter werden.

Es sollte jährlich einmal 40% des monatlichen Einkommens für diese spezielle Spende bezahlt werden, bis durch den regel- mäßigen Beitrag unser Budgetdefizit vollständig ausgeglichen wird. Haben Sie keine Zweifel, wie dies möglich sein wird. Ich spreche gerade nicht die an, die stark sind, sondern diejenigen, die schwach sind und für uns eine Last darstellen: Dies ist die Jamaat Gottes. Ich habe diese Gegend schon zu der Zeit gese- hen, als sie noch unbewohnt war und ich habe auch die Ära erlebt, als der Verheißene MessiasAS, wenn er spazieren ging, von einer einzigen Person begleitetet wurde – und das war sein Diener. Die Zeit hat sich jedoch so gewandelt, dass heute zwar nicht der Verheißene MessiasAS, aber einer seiner Diener durch die große Menschenmasse äußerst schnell durchgehen muss, um von der Menge nicht verschluckt zu werden. Jener Gott, der aus einer Person so viele Menschen machen kann und Hun- derttausende Rupien an Spendengeldern fließen lassen kann, wird diese Jamaat auch zukünftig wachsen lassen. Daher kann ich auch nicht für einen einzigen Moment einen Gedanken da- ran verschwenden, dass diese Jamaat keine Fortschritte erzie- len wird oder dass irgendein Hindernis der Welt sie aufhalten kann. Ich versichere denen, deren Herzen nicht schon versiegelt sind, dass diese Gemeinde durch die Gnade Allahs aus diesen Schwierigkeiten herauskommen wird. Allah wird Seine Hilfe und letztendlich den Sieg durch diejenigen ermöglichen, wel- che heute noch als schwach gesehen werden und die in der Tat auch schwach sind. Bedenkt, dass nur jener General als tapfer bezeichnet wird, der durch gewöhnliche Soldaten großartige Siege erzielt. Ich sage dies nicht über mich, denn diese Jamaat gehört Gott. Das heißt, dass Gott jeden, dem Er die Führung


dieser Jamaat geben wird, auch Kraft verleihen wird, so dass durch diejenigen, die heute noch als schwach gelten, letztend- lich der Sieg erzielt wird. Sie selbst mögen vielleicht nicht an sich selbst glauben, ich habe jedoch vollstes Vertrauen in sie. Es wird, inshaAllah26, der Tag kommen, an dem sich mein Vertrau- en als berechtigt erweisen wird.

Ich sage nochmals: Wenn finanzielle Opfer solch eine Last für manche sind, warum setzen sie sich nicht mit mehr Eifer für das Tabligh ein? Wann habe ich sie davon abgehalten, für die Verbreitung der Jamaat zu arbeiten? Warum forcieren sie nicht diese Arbeit, damit diese [finanzielle] Last erleichtert wird? Die Schuld hierfür liegt nicht bei mir, sondern bei denen. Wenn Sie Sorge tragen um den Wachstum der Jamaat, so wird sich die finanzielle Last von selbst erleichtern. Tatsache jedoch ist, dass die Last eines Gläubigen sich erst nach seinem Tode erleichtert. Sie kann in seinem Leben nicht leichter werden.

An dieser Stelle möchte ich den Anwesenden eine gute Nachricht überbringen, und zwar, dass dieses Jahr in zwei weiteren Ländern unsere Gemeinde etabliert wurde. In einem dieser Länder leisteten die Christen für ein ganzes Jahrhundert Missionsarbeit, ehe sie einige Erfolge erzielen konnten. Unser Missionar konnte jedoch binnen weniger Tage schon 15 oder 16 reine Seelen gewinnen. Ich spreche von Sumatra und Java. Das zweite Land ist jenes, dessen Name mein Herz höherschla- gen lässt und mich aufwallen lässt, nämlich das Land Iran. Iran ist das Land, mit dem der Verheißene MessiasAS verbunden ist, denn der Heilige ProphetSAW sagte, dass der Messias persischer Herkunft sein würde.27 In der Hauptstadt des Iran sind etwa


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26 „So Gott will“. [Anm. d. Ü.]

27 Ṣaḥīḥ al-Buḫārī, Kitābu Tafsīri l- Qurʾan, Sūratu l- Ǧumʿa, Bāb Qauluhū:


20 Menschen in die Ahmadiyyat eingetreten. Eine weitere er- freuliche Nachricht ist, dass wir unserem Missionar dort kein Gehalt schicken. Sein Name ist Šahzāda ʿAbd ul-Maǧīd Ṣāhib und er stammt aus der Familie von Šāh Šuǧāʿ. Beheimatet ist er in Ludhiana und sein Leben hat er dem Glauben gewidmet. Nun habe ich ihn nach Iran gesandt. Aus seinem jüngsten Brief habe ich erfahren, dass einige einflussreiche und ehrenwerte Men- schen, welche Einfluss auf tausende Menschen haben, sich der- zeit eingehend mit der Jamaat befassen.

Es gibt eine weitere Sache, die ich mitteilen möchte, so dass Sie erfahren, auf welche Weise Gott unsere Jamaat verbrei- tet. Letztes Jahr begannen die Kurden unter der Führung von Sheikh Saʿīd in der Türkei zu rebellieren. Es handelte sich dabei um einen derart großen Aufstand, dass die türkische Regierung

300.000 Soldaten aufbieten musste, um ihn niederzuschlagen. Als Kommandant dieser Truppe musste der berühmte İsmet Paşa, Ministerpräsident des Landes, ernannt werden. Als Sheikh Saʿīd gefasst und vernommen wurde, sagte er: „Ich hätte mich niemals am Aufstand beteiligt, wenn ein bestimmtes Ereignis nicht eingetreten wäre. Ich hatte mir bereits vorgenommen, nach Indien auszuwandern und mich der Ahmadiyya Jamaat anzuschließen, um den Islam zu verbreiten.“ Obwohl die Türken ihn töten ließen und er sein Vorhaben nicht verwirklichen konnte, deutet dies darauf hin, dass bedeutende Menschen aus diesem Land die Ahmadiyyat bereits akzeptiert haben. Ich bedaure jedoch, dass er mit den Ansichten der Jamaat nicht genügend vertraut ge- wesen ist, denn sonst hätte er sich nie an einem Aufstand gegen die Regierung beteiligt.

Angesichts der finanziellen Schwierigkeiten habe ich ange-


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wa āḫarīna min-hum lammā yalḥaqū bi-him.


ordnet, dass vorerst kein neues Projekt mehr begonnen werden soll, bis die Lage sich verbessert. Wir haben die Ausgaben für die Mission in den Vereinigten Staaten von Amerika gesenkt. Wir werden uns im kommenden Jahr vermehrt in Indien an- strengen, damit die Jamaat hier wächst und in der Lage ist, eine größere Last zu tragen.

Doch genauso wie es notwendig ist, dass unsere Jamaat mehr Opfer erbringt, ist es auch wichtig, dass sie die Mittel erhöht, durch die man Opfer erbringen kann. Eine englische Weisheit besagt, dass man, um ein goldenes Ei zu bekommen, nicht die Gans schlachten sollte, die goldene Eier legt. Daher ist es notwendig, dass man für die finanzielle Besserung und den Fortschritt der Jamaat Anstrengungen unternimmt. Da- für ist erstens notwendig, dass die Mitglieder der Jamaat sich gegenseitig unterstützen. Es gibt in unterschiedlichen Orten verschiedene Manufakturen wie z.B. Truhenbau, Tusche-Her- stellung, Lungī-Fabrik28, Hosenbund-Fabrik und Mützen-Fabrik etc. Wenn ihr eure Waren von Ahmadi-Händlern aus verschie- denen Orten kauft, könnte sich ihr Umsatz erhöhen und da ihr Einkommen dadurch steigen wird, wird dies auch der Jamaat zum Vorteil gereichen. Insofern sollten Ahmadi-Händler von Ahmadi-Herstellern kaufen und Ahmadi-Verbraucher von Ahmadi-Händlern. Dies kann uns viele Vorteile bringen. Unse- re Missionare sollten in dieser Hinsicht Hilfe leisten. Wenn sie einen Ort besuchen, sollten sie sich erkundigen, welche Waren dort von Ahmadis hergestellt werden. Wenn sie dann zu einem anderen Ort gehen, sollten sie den Ahmadis dort mitteilen, dass diese und jene Ware ein Ahmadi an diesem Ort herstellt, wes-

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28 Der Lungī (Urdu: لن ُ ) ist ein in Indien von Männern getragener, ballonarti- ger Lendenschurz, welcher den Unterkörper bedeckt. (Anm. d. Ü.)


wegen diese Ware von ihm gekauft werden sollte.

Ein einfacher Weg um dies zu fördern, ist meines Erach- tens, dass man anlässlich der Majlis-e Shura29 eine Messe veran- staltet, bei der Ahmadi-Handwerker die von ihnen hergestell- ten Waren ausstellen, damit die Menschen erfahren, dass diese Ware an diesem oder jenem Ort verfügbar ist und sie diese, falls benötigt, erwerben können. Ahmadis sollten auch versuchen, ihre arbeitslosen Ahmadi-Brüder einzustellen. Einige Ahmadis haben sich in dieser Hinsicht sehr viel Mühe gegeben, doch die meisten zeigen Untätigkeit. Die Mitglieder der Jamaat sollten auch in die größeren Handelsstädte ziehen und dort die Art und Weise des Handelns und handwerkliche Berufe erlernen.

Weiterhin ist die Unterstützung der Angehörigen derjeni- gen, die ihr Leben dem Glauben gewidmet haben, notwendig. Wenn wir sagen, dass man alles für den Glauben aufopfern soll, bleibt für die Angehörigen derer, die dies tun und dann sterben, nichts mehr übrig. Es muss für solche Bedürftige einen Wohltätigkeitsfonds geben, worin man freiwillig einen finan- ziellen Beitrag leisten kann. Dafür sollte eine solche Regelung aufgestellt werden, dass jemand, der eine bestimmte Summe darin einzahlt, nach einer bestimmten Zeit die gleiche festge- legte Summe erhalten wird, oder, falls er stirbt, diese Summe an die Angehörigen gezahlt wird. Wenn ein solcher Fonds ein- gerichtet werden kann, besteht die Möglichkeit, die Angehöri- gen gut zu versorgen. Ich kann dies zu diesem Zeitpunkt nicht ausführlich erläutern, beabsichtige indes, dass dies der Majlis-e Shura vorgelegt wird. Es soll zinsfrei und nicht in der Form ei- ner Versicherung angeboten werden und dennoch effektiv sein. Beispielsweise sollen Angehörige für eine bestimmte Anzahl


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29 Beratende Versammlung. (Anm. d. Ü.)


von Jahren versorgt werden oder die Kinder sollen bis zu einer festgelegten Stufe Bildung erlangen.

Solche Versorgungspläne sind auch notwendig für die Besserung der finanziellen Lage der Jamaat. Es soll über den Vorschlag nachgedacht werden, damit es im Sinne des Islams einwandfrei ist und eine vernünftige Versorgung der Hinter- bliebenen sichergestellt werden kann. So können die Mitglieder unserer Jamaat zu einem gewissen Grad Vertrauen haben, dass ihre Kinder nach ihrem Tod nicht in Gefahr sein werden; abge- sehen davon, dass ein Gläubiger sein wahres Vertrauen allein in Gott setzt.


Der Titel „Der Weg für die Suchenden“

[Minhāǧu ṭ-Ṭālibīn]


Ich wende mich nun dem bereits angedeuteten Thema der Rede zu. Seit langer Zeit schon verspüre ich den Wunsch, über dieses Thema zu sprechen; ein Thema, das von derartiger Wichtigkeit ist, dass sich innerlich schon jeder damit auseinan- dergesetzt hat. Unzählige Menschen haben mich bereits danach gefragt und möchten eine Richtschnur haben.


Die Frage, die nun im Fokus steht, lautet sodann: Wie kann der Mensch sich von Sünden befreien und in seinem Wesen Rechtschaffenheit erwecken?


Gewöhnlich wird darauf geantwortet: Vollbringe konti- nuierlich gute Taten und schütze dich stets vor Sünden. Indes wird jeder die Erfahrung gemacht haben, dass die Betroffenen ihre Situation wie folgt beschreiben: Wir haben den Heiligen Qurʾan, die ʾAḥādīṯ und die Bücher des Verheißenen MessiasAS

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gelesen und die erforderlichen Anstrengungen unternommen, um uns vor Sünden zu schützen, doch trotzdem ist es uns nicht vollständig gelungen. Wir haben uns um gute Taten bemüht, aber waren nicht erfolgreich. Was sollen wir jetzt tun?

Es ist daher wichtig, diese Thematik aus folgender Sicht- weise zu behandeln: Wie ist es möglich, die Schwäche des Menschen zu überwinden, dass er trotz Absicht und Anstren- gungen nicht in der Lage ist, sich erfolgreich vor Sünden zu beschützen?

Als ich damit begann, Notizen über das Thema anzufer- tigen, wurde mir alsbald bewusst, dass einige Sachverhalte dieser Rede sich mit Inhalten einer älteren Rede mit dem Titel ʿIrfān-e Ilāhī30 überschneiden werden. Ich las diese ältere Rede erneut und stellte fest, dass ich in derselbigen versprochen hat- te, das in ebenjener Rede erörterte Thema in Zukunft näher zu erläutern. Durch die Gnade Allahs erfülle ich nun dieses Ver- sprechen.

Während ich mir erste Gedanken zu diesem Thema machte, trat mir ein weit zurückliegender Traum ins Bewusstsein. Ich hatte diesen Traum etwa einen Monat nach dem Ableben des Verheißenen MessiasAS gesehen, konnte ihn zu jenem Zeitpunkt jedoch noch nicht deuten. In ebenjenem Traum saß ich nach dem Gebet auf dem Gebetsteppich. In meiner Hand hielt ich ein Buch, über das mir gesagt wurde, dass es von Sheikh ʿAbdu l-Qādir Ǧīlānī Ṣāhib sei und den Titel Minhāǧu ṭ-Ṭālibīn trägt, was

„der Weg jener, die zu Gott finden“ bedeutet. Ich las das Buch und legte es beiseite. Dann erinnerte ich mich plötzlich daran, dass



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30 „Gotteserkenntnis“. (Anm. d. Ü.)


ich das Buch Hadhrat Khalifat-ul-Masih IAS31 geben musste. Ich begann es also zu suchen, fand es jedoch nicht. Indes entdeckte ich bei der Suche ein anderes Buch und just in ebenjenem Mo- ment flossen folgende Worte von meiner Zunge:

ؕوَ ہ

اَّلاِ ك

ِّبر

دَ وۡ نج

مَلعۡ َیامو


„Keiner kennt die Heerscharen deines Herrn als Er allein.“32


Hernach beschloss ich, nach einem Buch von Sheikh ʿAbd ul- Qādir Ṣāhib Ǧīlānī zu suchen, das diesen Titel trägt. Als ich mich bei Hadhrat Khalifat-ul-Masih IRA darüber erkundigte, sagte Seine Heiligkeit, dass es kein Buch mit diesem Titel von ihm gäbe, aber ein Buch, welches Ġunyatu ṭ-Ṭālibīn [Der Reichtum für die Suchenden] hieße. Weiterhin fand ich heraus, dass es auch von keinem anderen Autor ein Buch mit besagtem Titel gab. Sodann dachte ich, dass möglicherweise ich selbst eines Tages die Möglichkeit erhalten würde, ein Buch mit diesem Ti- tel zu schreiben; und der Name ʿAbdu l-Qādir [Diener des Mäch- tigen] könnte andeuten, dass der Inhalt dieses Buch nicht das Ergebnis meines eigenen Denkens sei, sondern ein Resultat des besonderen Verständnisses, das mir von Allah verliehen wer- den würde. Aus diesem Grund entschied ich mich dazu, diese Abhandlung Minhāǧu ṭ-Ṭālibīn zu nennen.

Ich werde etwaige Sachverhalte dieses Themas, die eine


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31 Der erste Khalifa des Verheißenen MessiasAS Hadhrat Maulvi Hakeem NuurudinRA. (Anm. d. Ü.)

32 Der Heilige Qurʾan 74:32.


enge Verbindung zu Inhalten aus den beiden Reden ʿIrfān-e ʾIlāhī und Masʾala-e Niǧāt aufweisen, auslassen. Jedoch werde ich jene Aspekte aus ebenjenen Reden kurz erläutern, die zum Verständnis des Zusammenhangs unseres Themas notwendig sind. Während die früheren Reden den theoretischen Rahmen dieses Themas abdecken, werde ich in dieser Rede die prakti- sche Anwendung erläutern.


Der Sinn der menschlichen Schöpfung


Wenn wir uns mit diesem sehr wichtigen Thema genauer befassen, so stellt sich die Frage, was der Sinn der Schöpfung des Menschen ist. Diese Frage wurde von Gott selbst folgender- maßen beantwortet:

نوۡ د

بعۡ یَ ِلاَّلاِ س

ۡ ناِ ۡلاونَ

جِ لات

قۡ َلخام

و33


Das bedeutet, dass der Mensch nur zu einem einzigen Zweck erschaffen wurde, nämlich, dass er ein ʿabd, also Die- ner, Gottes, werde. Das arabische Wort ʿubūdiya bedeutet auch taḏallul. Und dieses Wort umfasst die Bedeutung, dass man die Fähigkeit besitzt, die Eigenschaften eines anderen anzuneh- men. ʿAbd ist daher jemand, der eine Herrschaft akzeptiert oder die Eigenschaften eines anderen aufnimmt. Gott sagt, dass der Mensch nur zu dem Zweck erschaffen wurde, dass er die Ei- genschaften Gottes in sich entfaltet. Wenn dies der Zweck der Erschaffung des Menschen ist, dann können wir den Zweck


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33 „Und Ich habe die Dschinn und die Menschen nur darum erschaffen, dass sie Mir dienen.“ (51:57)


nicht erfüllen, solange wir nicht die Attribute Gottes in uns auf- nehmen.

Zu ebenjenem Zweck sandte Gott auch die Propheten. So heißt es im Heiligen Qurʾan:

كتیٰ اٰ مۡ ِہّیۡ َلع

اوَۡ لتۡۡ َیمۡ ۡ ُہنمِّ اًلوۡ سر

مۡ ِہُ یفثعَ ۡباو

انَّبر

ؕمۡ ِہیۡ ِکزَ ُیو

ۃمکۡ حِ لاوبَ

تٰ ک

ۡلاَمہمُ ِّلعَ ُیو

۱۳۰﴿مُ یۡ ک

َحلاز

ۡیزِ َعلات

ۡنَاك

ّنا 34


In diesem Gebet sagt Hadhrat AbrahamAS: „Unser Herr, er- wecke unter ihnen einen Gesandten aus ihrer Mitte, der ihnen Deine Zeichen verkünde und sie das Gesetz lehre und sie in der Weisheit unterrichte und sie reinige; gewiss, Du bist der Allmächtige, der All- weise.“


Daraus lernen wir, dass ein Prophet folgende Aufgaben hat: den Glauben zu stärken, das Wissen zu vertiefen und das Gesetz und die Weisheit zu lehren. Nachdem er also den Men- schen das Wissen gelehrt hat, übermittelt er ihnen dessen prak- tische Anwendung und reinigt sie. Dadurch werden sie befä- higt, in der heiligen Gesellschaft Allahs, des Allmächtigen, zu weilen.

Für unsere Jamaat ist dies keine gewöhnliche Frage, son- dern eine von Leben und Tod. Denn in diesem Zeitalter ist ein Gesandter Allahs erschienen, den wir als wahr erkannt haben und der uns Allahs Zeichen vorgetragen hat. Welchen Vorteil hat für uns der Glaube an ihn, wenn wir unrein bleiben? Einst


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34 2:130.


erläuterte der Verheißene MessiasAS die spirituellen Stufen, die ein Gläubiger erreichen sollte. Maulvī Burhānu d-Dīn Jhe- lumi, ein aufrichtiger Ahmadi, war ebenfalls anwesend. Nach der Ansprache begann Maulvī Ṣāhib laut zu weinen und sagte zum Verheißenen MessiasAS: „Zuerst trat ich den Wahhabiten bei und wurde oft geschlagen, weil ich versuchte, die Worte des Heiligen Prophetensaw zu verbreiten. Nach Ihrer Ankunft nahm ich Sie an. In- folgedessen wurde ich von unseren Gegnern geschlagen, mit Steinen beworfen und erlitt weitere Verletzungen.“ (Maulvī Ṣāhib sagte all das, was ich eben in Urdu wiedergegeben habe, auf Punjabi. Den nächsten Satz kann ich jedoch nicht auf Urdu wiederge- ben. Deswegen zitiere ich ihn auf Punjabi.) Er sagte: „Jedoch bin ich, auch nach der Erduldung all des Leids, noch immer der alte Stüm- per und Nichtskönner wie zuvor.“

Welchen Nutzen haben wir also gezogen, wenn wir an einen Gesandten glauben, unser Zustand aber derselbe bleibt und wir weiterhin Nichtsnutze sind? Wir sollten eine derartige Veränderung in uns hervorrufen, dass wir das Gefühl haben, einer lebendigen Person unsere Treue geschworen zu haben, oder, eher noch, unsere Hände in Allahs Hände gegeben zu ha- ben. Wenn wir darin nicht erfolgreich werden, so bedeutet es, nichts erreicht zu haben. Schaut, was der Verheißene MessiasAS von uns erwartet und wie schauderhaft er uns warnt. Er mahnt uns hinsichtlich der Reinigung unseres Selbst [Tazkiyatu n-Nafs] mit folgenden Worten:

ی عار کی قحقو کے فطر ںنوود قمخلو و لقخا کہ �ی کہتے سےا نفس ٔہی�کن ت ‘‘

ئےجا �ما سےا �شرلا ٗہحدو سے نب�ز �ی کہ ہے � حق کا ٰلیتعا ا�

۔ہو لااو نےکر

حق کا قمخلو روا ۔ےوجا ک

نہ �ا�

تھسا کے قمخلو روا �ما سےا سے رطو عملی ہی �ا

ہ�ش یر ن،ہو نہ ینن ا تراشر ،ہو نہ �

صّ عت،ہو نہ بغض پر رطو تیاذ سے کسی کہ ہے �

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۔� فصا بھی م پسٓا تملامعا ےر�ھمبھیا ہے رود

حلہمر �ن مگر ۔ہو نہ نیاود

پس ۔�ی تےب�د بھی قحقو کے ےسرود �ا ،�ی

تیہو بھی ںی��ب�ی�،ہے �ہو بھی گلہ

م پسٓا روا گے ؤجا ئ بن نہ ئیبھا ئیبھا حطر کی دجوو �ا تم � �ب کہ ہے ہتاچا ا�

فصا ئ ملہمعا سے ں�بھا �ب کا ن�ا ۔گے ؤپ� نہ حفلا تو گے ن ؤجا ہو نہ ء��ن ا لہبمنز

کہ �ٓا کا ننےپہچا کو تب� سا مگر ہے ا� حق کا ا� ک�ش یب۔� بھی سے ا� تو �

شخص جو ۔ت� � نہے ہار کر ادا بھی حق کا قمخلو کہ ہے �

ہے ہار جا ک ادا حق

کا ا�

تب� � ۔کھر � فصا بھی سے ا� ہو سکتا کھر �

فصا ملہمعا سے ں�بھا

پنےا

کے منمؤ �ھکید ۔روا نہفقامنا روا ہے �ن ی روا محبت سچی ۔ہے تب� مشکل � �

سہل

سا تو ےمر �ب روا ئےجا کو تدع تو ےپڑ ر�ی

ہو �ب

۔�ی

قحقو ے

پر منمؤ

کا ا� ۔لے مکا سے رگز رد بلکہ ےکر نہ اجھگڑ پر ںتوب� ٰنیدا ٰنیدا ۔ئےجا پر ہزجنا کے

ی ن

’’۔گی ئےجا ہو ہتبا عجما تو � تّخوا سچی گرا ۔ہور �ا تم کہ � ءمنشا �

„Die Reinigung des Selbst bedeutet, dass man sowohl die Rechte des Schöpfers als auch die Seiner Schöpfung berücksichtigt. Das Recht Gottes bedeutet, dass man Ihn nicht bloß als Lippenbekenntnis als den Einzigen aner- kennt, welcher keinen Partner hat, sondern dies auch in seinen Taten zeigt, ja, Ihn nicht mit der Schöpfung gleich- setzt. Das Recht der Schöpfung erfordert, dass man gegen niemanden Groll und Argwohn hegt, nicht vorurteilsbe- haftet ist und gegenüber niemandem etwas Übles aus- heckt oder Feindschaft sät. Jedoch liegt diese Stufe noch in der Ferne. Noch seid ihr in euren Beziehungen unter- einander nicht rein. Ihr klagt übereinander, lästert und missachtet die Rechte untereinander. Gottes Wille ist, dass ihr solange nicht Erfolg erlangen könnt, bis ihr wie Brüder werdet, die Teile und Organe eines einzigen Körpers sind.


Ein Mensch, der nicht aufrichtig im Umgang mit den Brü- dern ist, kann auch nicht mit Gott im Reinen sein. Ohne Zweifel ist Gottes Recht von mehr Bedeutung, jedoch ist die Erfüllung der Rechte Seiner Schöpfung jener Spiegel, der reflektiert, ob die Rechte Gottes erfüllt werden oder nicht. Derjenige, der mit seinen Brüdern nicht aufrich- tig ist, kann auch nicht mit Gott im Reinen sein. Dies ist keine einfache Aufgabe; sie ist in der Tat beschwerlich. Aufrichtige und heuchlerische Liebe sind zwei ganz ver- schiedene Dinge. Ein Gläubiger hat in Bezug auf einen an- deren Gläubigen viele Rechte einzuhalten. Wenn der Eine krank ist, besucht ihn der Andere, wenn der Eine stirbt, verrichtet der Andere sein Janaza. Sie streiten untereinan- der nicht wegen Kleinigkeiten, vielmehr verzeihen sie. Es entspricht nicht Gottes Willen, dass ihr in diesem Zustand verweilt. Wenn keine echte Brüderlichkeit zwischen euch herrscht, wird die Jamaat zerfallen.“35

ِہیْ َلإب

وْ ُتأوب

ْنذ

لِّ ُكن

میِّبر

ھَ ّللارُ ِفغْ تَ سأ 36


Dies sind die Ermahnungen des Verheißenen MessiasAS in Bezug auf die Taqwā (Rechtschaffenheit). Um den Zweck unse- rer Schöpfung, den Zweck der Entsendung des Heiligen Pro- phetenSAW und den Zweck der Ankunft des Verheißenen Messi- asAS zu erfüllen, obliegt es uns, zu versuchen, Rechtschaffenheit in uns zu entwickeln.


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35 Badr, 9. Januar 1908, Heft 1, S. 12.

36 „Ich bitte Allah, meinen Herrn, um Vergebung für all meine Sünden und wende mich Ihm zu.“ [Anm. d. Ü.]


Der vollkommene Mensch


Ich werde nun definieren, wen man als den vollkommenen Menschen bezeichnen kann. So wie man in der Medizin nach der Definition des körperlich gesunden Menschen sucht, sucht man im Seelischen nach der Definition der seelischen Vollkom- menheit des Menschen.

Die wichtigste Qualität eines vollkommenen Menschen ist, sowohl eine aufrichtige Beziehung zu Gott als auch einen gu- ten Umgang mit Seiner Schöpfung zu pflegen. Der Verheißene MessiasAS hat beide Bedingungen als notwendig erklärt. Dabei umfasst der richtige Umgang mit der Schöpfung zwei Aspekte:


  1. Der Umgang des Menschen mit sich selbst soll richtig sein.

    Diesbezüglich sagte deّ rَ Heilige Prْ ophetSAW:

    قحكیلعكسفنِلو

    D.h.: „Dein eigenes Wesen hat auch Anspruch auf dich.“37

  2. Der Umgang des Menschen mit der restlichen Schöpfung soll richtig sein.


    Die Lehre in Bezug auf sich selbst besteht wiederum aus zwei Teilen:


      1. Der Mensch soll sich vor solchen Handlungen fernhalten, die sein Herz verderben lassen.

      2. Er soll jenen Handlungen folgen, die zur Reinheit seines Herzens führen.


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    37 Musnad Aḥmad bin Ḥanbal, Musnadu l-Mukṯirīn Mina ṣ- Ṣahāba, Musnad ʿAbdi llāh ibn ʿAmr ibn al-ʿĀṣ. [Anm. d. Ü.]


    Der zweite Aspekt wiederum besteht aus drei Zweigen:


    1. Der Umgang des Einzelnen mit dem Mitmenschen als Indi- viduum soll gut sein.

    2. Sein Umgang mit den Mitmenschen als Gesellschaft soll richtig sein. Das bedeutet, dass er seine Mitmenschen unter Einhaltung der Gesetze des Landes unterstützt.

    3. Sein Umgang soll nicht nur mit seinen Mitmenschen gut sein, sondern auch mit der restlichen Schöpfung Gottes.


Der Umgang mit der Schöpfung beinhaltet zwei Aspekte:

  1. Der Mensch soll sich vor solchen Dingen fernhalten, die sei- nen guten Umgang mit seinen Mitmenschen oder anderen Geschöpfen zunichtemachen.

  2. Er soll solchen Dingen folgen, anhand derer es ihm mög- lich wird, mit seinen Mitmenschen und Geschöpfen auf der Grundlage von Güte umzugehen.


Die Aufrechterhaltung der Beziehung zu Gott kann ebenfalls in zwei Teile aufgeteilt werden:


  1. Der Mensch soll solche Taten unterlassen, die die Bezie- hung zu Gott brechen.

  2. Er soll solche Taten vollbringen, die die Beziehung zu Gott verbessern.


Nach dieser Aufteilung, wende ich mich nun der Interpre- tation von Glaube und Religion zu, denn der Glaube bildet die Zusammenfassung all dieser Dinge. Was bedeutet der Glaube? Man muss bedenken, dass der Glaube in zwei Teile gegliedert werden kann:


  1. aḫlāq (Moral).

  2. Spiritualität.


Ich habe viele Menschen gesehen, die dem Irrtum erliegen, moralische Werte mit dem Glauben gleichzusetzen. Jemand, der gute moralische Eigenschaften besitzt, gilt für sie als recht- schaffen. Allerdings wird er nur der Hälfte gerecht und daher können wir ihn nicht als fromm, also rechtschaffen und gottes- fürchtig, bezeichnen.


Definition von Moral


Menschliche Handlungen, die Mitmenschen betreffen und insofern intersubjektiv sind, fallen in den Bereich der Moral. Betreffen die Handlungen Gott, so fallen sie in den Bereich der Spiritualität. Wenn jemand seine Mitmenschen belügt, bedeutet dies, dass er unmoralisch handelt. Wenn er jedoch Gott zu belü- gen versucht, bedeutet dies, dass seine Spiritualität tot ist. Nur wenn jemand beiden Aspekten gerecht wird, kann er als recht- schaffen und gottesfürchtig bezeichnet werden. Als Glauben bezeichnen wir daher beides: dem Gesetz der Scharia folgende moralische Handlungen und die Spiritualität. Wenn insofern ein Mensch moralische Handlungen ohne einen Bezug zur Spi- ritualität nur im Rahmen von sozialen Normen vollbringt, so bezeichnen wir ihn als Eigner hoher moralischer Werte [aber nicht als rechtschaffenen Gläubigen; Anm. d. Ü].

Zunächst werde ich erklären, was moralische Werte sind und anschließend, was Spiritualität bedeutet. Man sollte jedoch bedenken, dass es zwischen Moral und Spiritualität nur folgen- den Unterschied gibt: Der Ausdruck unserer Fähigkeiten nennt sich in Bezug auf Menschen aḫlāq (Moral) und in Bezug auf


Gott Spiritualität. Insofern wird auch der Begriff der Spiritua- lität deutlich, wenn ich den der Moral erläutere. An angemes- sener Stelle werde ich zudem auf ihre Unterschiede eingehen.

Was ist ḫulq (Moral) – قْلخُ


Bevor wir uns mit der Thematik der Moral befassen, sollten wir klären, was ḫulq eigentlich bedeutet.

In diesem Zusammenhang haben alle Religionen und Phi- losophen, mit Ausnahme des Islam, Fehler gemacht. Sie defi- nieren diesen Begriff auf seltsame Weise:



Meines Erachtens handelt es sich dann um einen morali- schen Zustand oder eine moralische Tat, wenn die natürlichen Bedürfnisse mit der Kraft des Denkens zusammenwirken und das Wesen, welches diese Bedürfnisse steuert, die Kraft besitzt, selbst zu entscheiden. Das bedeutet, dass das Wesen frei ent- scheiden kann, ob es den Bedürfnissen nachgeht oder nicht.


Wenn solche Handlungen von einem Wesen ausgehen, welches nicht über Vernunft verfügt, beispielsweise im Falle von Tie- ren, dann spricht man von instinktiven und nicht von morali- schen Handlungen. Tiere besitzen zwar die Fähigkeit zu lieben, doch man kann sie nicht als moralische Wesen bezeichnen. Ihre Handlungen folgen bloß instinktiven und natürlichen Trieben. Gehen solche Handlungen aus Pflanzen oder leblosen Wesen hervor, so spricht man von Naturerscheinungen.

Dieser Teil der Thematik ist komplex. Falls es Brüder gibt, die dies noch nicht ganz verstehen, so werden sie es dann ver- stehen können, wenn diese Rede als Buch veröffentlicht wird. Da das Thema ein wesentliches Bindeglied ist zwischen dem bisher Gesagten und dem, was nun folgen wird, ist eine Erläu- terung notwendig. Der folgende Teil wird für jeden verständ- lich sein.

Ich habe bereits moralische Handlungen als solche Hand- lungen definiert, die von einer Person ausgehen, die Vernunft besitzt und eine Tat mit freiem Willen ausführen oder unterlas- sen kann.


Gutes moralisches Handeln


Nun werde ich definieren, was aḫlāq-e ḥasana (gute morali- sche Handlungen) bedeutet. Verschiedene Leute haben dieses Wort auf unterschiedliche Weise definiert:

Einigen zufolge spricht man von aḫlāq-e ḥasana, wenn menschliches Handeln der Leitung der Vernunft unterliegt.

Andere sagen, moralisch gute Handlungen sind jene, die dem Menschen zum wahren Glück verhelfen.

Wiederum andere denken, moralisch gute Handlungen sei- en jene, bei denen man selbstlos handelt, also anderen Gutes


zukommen lässt, auch wenn man selbst dafür Opfer erbringen muss.

Manche sagen, moralisch gute Handlungen seien jene, die der Vernunft folgend und in Form von Einschränkungen des Selbst erbracht werden, die dem Individuum selbst zum Vorteil gereichen.

Muslimischen Sufis zufolge sind moralisch gute Handlun- gen jene, die unter der Leitung der Vernunft und den Gesetzen der Scharia folgend durchgeführt werden.

Imām Ġazālī hat diese letzte Definition gewählt. Sie bedarf jedoch meines Erachtens einer Verbesserung.

Vernunft und Scharia sind wesentliche Elemente einer gu- ten moralischen Handlung. Jedoch gibt es andere Bedingun- gen, die erfüllt werden müssen: Eine moralische Handlung wird aus freiem Willen, mit eigener Absicht und eigener Kraft ausgeführt. Sind diese Bedingungen bei den Handlungen nicht erfüllt, kann man nicht von aḫlāq-e ḥasana (guten moralischen Handlungen) sprechen. Wenn beispielsweise eine Person im Halbschlaf einer bedürftigen Person eine Rupie schenkt, sich je- doch im vollen Bewusstsein von wohltätigen Spenden fernhält, wird ihr Geschenk nicht als eine gute moralische Handlung be- zeichnet. Denn er hat diese Tat nicht mit Absicht durchgeführt. Nur solche Handlungen können als aḫlāq-e ḥasana bezeichnet werden, die unter der Leitung der Vernunft, der Scharia fol- gend und mit Absicht vollzogen werden.

Eine weitere Bedingung für moralisch gutes Handeln ist, dass es im Einklang mit den Eigenschaften Gottes steht und diesen nicht widerspricht. Allein dies ist eine zutreffende Defi- nition. Denn um ein Handeln als „gut“ bezeichnen zu können, muss es rein von Makeln sein. Nichts, was unserer Vernunft als fehlerfrei erscheint, ist tatsächlich so, solange dessen Reinheit


nicht durch die Attribute Gottes bezeugt wird. Nur eine solche Handlung kann als gut bezeichnet werden, denn nur Gottes Wesen ist vollkommen frei von allen Makeln.


Der Ursprung der Moral


Ich werde nun den Ursprung der moralischen Werte erör- tern. Woraus entspringen diese? Wir begegnen wieder einer Vielzahl von Antworten von verschiedenen Personen:

Einigen zufolge entspringen moralische Werte aus der Kon- trolle des Denkvermögens, also der Vernunft, über die Aggres- sion und die Sinneslust. Aggression und Sinneslust sind dabei wie zwei wilde Pferde, und die Vernunft fungiert als Reiter, der die beiden kontrolliert. Wenn der Reiter beide Pferde auf richtige Weise führt, entsteht moralisches Handeln. Wenn der Reiter einen Fehler macht, weicht er von dem moralischen Weg ab. Dieses Denkvermögen wird von Muhyī d-Dīn ʾIbn ʿArabī als

„das rationale Selbst“ (an-Nafs an-Nāṭiqa) bezeichnet. Seiner Behauptung zufolge entspringt alle Moral aus einer Mischung dieser drei Dispositionen, einer Mischung von Vernunft und Sinneslust oder Vernunft und Aggression, oder von allen drei- en. Er verbildlicht Vernunft als den männlichen Partner und Aggression und Sinneslust als seine beiden Ehefrauen. Durch die Vereinigung von Mann und Frau wird ein Kind gezeugt; in der gleichen Weise ist ihm zufolge die Moral das Ergebnis aus der Vereinigung von Vernunft und Aggression oder Vernunft und Sinneslust.

Wieder andere denken, dass der Mensch einen starken Wunsch hat, Freude oder Glück zu erlangen. Und wenn der Wunsch nach Glück sich mit der Vernunft verbindet, entstehen moralische Werte.


Meiner Meinung nach haben Muslime die Frage nach dem Ursprung moralischer Werte im Lichte des Heiligen Qurʾan nicht richtig verstanden. Ich habe den Grundsatz des Heiligen Qurʾan auf die Frage angewandt und dabei festgestellt, dass der Ursprung moralischer Werte sehr tief verwurzelt ist und weit zurückreicht. Wenn nur Menschen solche Taten vollbringen würden, die man als moralische bezeichnen kann, so wären die vorherigen Definitionen angemessen. Derartige Handlungen finden wir jedoch auch bei niederen Lebewesen vor. Es heißt beispielsweise, dass die Vereinigung von Vernunft, Sinnes- lust und Aggression moralische Eigenschaften wie zu lieben entstehen lässt. Zu lieben ist eine Eigenschaft, die auch unter Tieren zu finden ist. Weiter sagen sie, dass alle moralischen Ei- genschaften aus dem Zusammenspiel von Vernunft und Sin- neslust oder Vernunft und Aggression entstehen. Tiere jedoch haben keine Vernunft. Dennoch besitzen sie die Fähigkeit zu lieben, etwas, das wir als moralische Eigenschaft auffassen. Da- raus können wir schlussfolgern, dass das Zusammenspiel von Vernunft, Sinneslust und Aggression nicht als Quelle der Moral gelten kann, denn wenn dies so wäre, besäßen Tiere keine mo- ralischen Eigenschaften.

Ich habe über diese Thematik nachgedacht und habe, durch die Gnade Allahs, ein derart neues Verständnis erlangt, das un- sere Auffassung von aḫlāq (moralischen Werten) fundamental verändern wird.

Die Wurzel moralischer Werten liegt in Fähigkeiten oder Veranlagungen, die nicht nur in Menschen zu finden sind, sondern auch in Tieren, Pflanzen und sogar leblosen Wesen, ja, nicht nur in leblosen Wesen, sondern auch in den Partikeln, aus denen die Einheiten zusammengesetzt sind. Insofern sieht man auch, wenn man vom Menschen ausgehend Tiere betrach-


tet, in ebenjenen ein Verhalten, das dem menschlichen ähnelt. Beispielsweise werden Gefühle wie Zorn und Liebe sowohl von Menschen als auch von Tieren an den Tag gelegt. Wenn wir eine weitere Ebene tiefer gehen, so finden wir auch in Pflanzen ein Verhalten, das dem von Menschen und Tieren ähnelt.

Natürlich gibt es auch einige offensichtliche Unterschiede. Das Verhalten von Pflanzen ist sehr primitiv im Gegensatz zu dem von Menschen und Tieren. So wie Menschen den Wil- len besitzen, zu geben und zu nehmen, ist ebenjenes auch bei Pflanzen vorzufinden. Neue Forschungen haben ergeben, dass es ein weibliches und männliches Geschlecht in beinahe allen Pflanzenarten gibt. Der Heilige Qurʾan hat dies bereits lange vor der wissenschaftlichen Erkenntnis verkündet.38 Weiterhin fand man heraus, dass durch die Vereinigung von männlichen und weiblichen Pflanzen Früchte entstehen. Dies ist seit tausenden von Jahren über die Dattelpalme bekannt. Dadurch wird deut- lich, dass es bei Pflanzen durchaus so etwas wie Sinneslust gibt. Sie sind empfindlich und zeigen auch andere Reaktionen, wie beispielsweise Zorn. Der Wissenschaftler Sir JC Bose hat dies durch empfindliche Instrumente nachgewiesen. Die scham- hafte Sinnpflanze (Mimose) zum Beispiel schrumpft bei der geringsten Berührung. Wenn man ihre Blüte oder Frucht be- rührt, wirft sie ihren Samen und schrumpft zusammen. Es gibt eine amerikanische Pflanze, die, wenn etwas Fleischiges in ihre Nähe kommt, sich freudig ausbreitet und dann, wenn es wieder entfernt wird, zusammenschrumpft. Sobald diese Substanz die Pflanze berührt, wird sie durch eine schnelle Schließbewegung gefangen genommen. Dann saugt sie dessen Blut aus und ent- ledigt sich der Reste. Diese Beispiele zeigen, dass Pflanzen die


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38 Siehe Sura Yā-Sīn, 36:37. (Anm. d. Ü.)


Fähigkeit besitzen, auf Reize zu reagieren.

Schauen wir noch eine Stufe tiefer auf leblose Gegenstände. Es wird gesagt, dass die Liebe eine edle menschliche Tugend sei. Aber was ist Liebe? Liebe bedeutet, etwas zu sich ziehen. Zieht ein Magnet nicht Eisen an? Es enthält also auf sehr primi- tiver Weise dieses Gefühl. Andererseits stoßen sich zwei Pole, die mit dem gleichen Strom geladen sind, ab, als würden sie ei- nander hassen. Dies zeigt, dass auch leblose Materien, auf ihre je eigene Weise, Liebe, Hass oder Zorn empfinden.

Wie ich bereits erwähnte, sind diese Fähigkeiten auch in Elementarteilchen zu finden. Würden sie diese Kräfte nicht be- sitzen, wäre die Welt nicht entstanden. Würden Teilchen sich durch gegenseitiges Anziehen nicht zusammenhalten, wäre jegliches Bestehen unmöglich. Ausschließlich diese Anzie- hungskraft vereint die Teilchen. Daraus folgt, dass moralische Werte sehr tiefe Wurzeln haben. Tatsache ist indes auch, dass wir nur einen Bereich der Moral ausfindig machen können, wie tiefgründig wir auch unsere Untersuchungen anstellen. Es be- steht indes auch kein Zweifel darin, dass überall die Wurzeln der Moral zu finden sind.

Die oben erwähnten Beispiele sollten verdeutlichen, dass die Eigenschaften, die eine Voraussetzung für die Manifestati- on der Moral sind, auch in der Welt der Elementarteilchen vor- handen sind.


Eigenschaften, die den Ursprung der Moral bilden


Nun werde ich dazu kommen, die Eigenschaften zu defi- nieren, die den Ursprung und das Wesen der moralischen Wer- te bilden.

Man muss bedenken, dass man bei genauerer Untersu-


chung des Ursprungszustands der Materie feststellt, dass ver- gleichbar zu den sechs physikalischen Dimensionen (oben und unten, rechts und links, vorne und hinten), sechs spirituelle Di- mensionen existieren. Die spirituellen Dimensionen sind, ana- log zu den physikalischen Dimensionen, in Paaren vorhanden. Diese Paare stehen in einem relativen Verhältnis zueinander, also oben-unten, rechts-links, vorne-hinten. Das bedeutet, dass sowohl die physikalischen Dimensionen proportional zuein- ander, also oben-unten, rechts-links und vorne-hinten, stehen, als auch die spirituellen Dimensionen jeweils binär sind. Die- se Paare sind aktiv-passiv oder männlich-weiblich oder jene, die beeinflussen und jene, die sich beeinflussen lassen. Es ist offensichtlich, dass nur das beeinflussbar ist, das die Fähigkeit besitzt, den Einfluss auch anzunehmen. Beispielsweise ist Teig weich. Man kann seine Faust darin versenken. Dasselbe gilt je- doch nicht für einen Tisch, weil dieser sich nicht von der Faust derart beeinflussen lässt. Daraus geht hervor, dass nur dann eine Handlung vollzogen werden kann, wenn einerseits die Kraft gegeben ist, diese Handlung durchzuführen und anderer- seits die Fähigkeit, den Einfluss anzunehmen. Jedes existieren- de Atom verfügt über die Fähigkeit anzuziehen und angezogen zu werden.

Die erste spirituelle Dimension nennen wir die Anzie-

hungskraft: die Kraft, etwas anzuziehen. Das Korrelat dazu ist die Fähigkeit, sich in eine bestimmte Richtung zu neigen oder angezogen zu werden. Sobald die Bedingungen dies zulassen, wird ein Teilchen entweder ein anderes Teilchen anziehen oder wird bereit sein, von einem anderen Teilchen angezogen zu werden.

Das gleiche gilt für die Fähigkeit, etwas abzustoßen, und das dazugehörige Korrelat, sich abzuwenden.


Die dritte Fähigkeit eines jeden Teilchens ist die des Zer- störens. Alles, was zustande kommt tut dies, indem es andere Dinge vernichtet. Nehmen wir als Beispiel die Bewegung einer Hand von einem Punkt zum anderen. Die frühere Position der Hand löst sich auf und „stirbt“ und an ihrer Stelle entsteht eine neue Position. Ebenso verhält es sich mit den Teilchen der Ma- terie. Wenn sie durch einen äußeren Einfluss einen neuen Zu- stand annehmen, wird der frühere Zustand zerstört. Die dazu korrellierende Kraft ist die der Selbstauslöschung, d. h., dass jedes Teilchen die Fähigkeit besitzt, sowohl jedes andere Teil- chen als auch sich selbst zu zerstören.

Die vierte Eigenschaft ist die Fähigkeit der Erhaltung. Wird ein Gegenstand gegen eine Wand geworfen, so hat die Wand die Fähigkeit, diesen aufzuhalten. Dies ist die Eigenschaft, et- was zu erhalten. Daraus resultiert die Eigenschaft, selbst be- ständig zu sein.

Die fünfte Eigenschaft ist die Manifestation, d. h. die Kraft, etwas zum Vorschein zu bringen. Jedes Teilchen besitzt das Vermögen, andere Teilchen deutlich sichtbar zu machen. Des- sen Parallelzustand ist die Selbstdarstellung. Jedes Teilchen hat die Fähigkeit, sich selbst zu manifestieren und zum Vorschein zu bringen.

Die sechste Eigenschaft nennen wir Verbergen. Wenn bei- spielsweise etwas hinter meiner Hand ist, wird es durch sie verdeckt. Der Parallelzustand des Versteckens ist die passive Fähigkeit, verborgen zu werden und den Schatten eines ande- ren Teilchens zu akzeptieren.

Diese Kräfte, die in den elementarsten Teilchen der Ma- terie vorkommen, bieten die Grundlage für aḫlāq (moralische Werte). Nach einem stetigen Prozess der Entwicklung nehmen


diese Eigenschaften, im Falle des Menschen, die erstaunlichs- ten Formen an. Wenn Materie sich verbindet, kommen mehr und mehr Elemente zusammen und die Eigenschaften werden vielfältiger und präziser. Im Gegensatz dazu können wir beob- achten, dass je primitiver die Materie ist, desto primitiver und eingeschränkter diese Eigenschaften sich zeigen. Wenn diese Eigenschaften unter Naturgesetzen funktionieren, so können wir ihre Ergebnisse zwar als gut oder schlecht bezeichnen, je- doch nur als gut oder schlecht in Bezug auf ihre Funktionen. Wir können sie nicht als gute oder schlechte moralische Qua- litäten bezeichnen. Dinge werden im Hinblick auf ihre Effizi- enz entweder als gut oder als schlecht angesehen. Das bedeu- tet, dass wir, um festzustellen, ob etwas gut oder schlecht ist, schauen, ob die sechs Eigenschaften des Naturgesetzes darin vollständig zum Vorschein kommen oder nicht. Wenn man z.B. jemanden mit einem Stock schlägt, wird er den Schmerz fühlen, aber den Stock nicht als unmoralisch bezeichnen. Ebenso wird eine Person, wenn sie eine Münze auf der Straße findet, es gut- heißen, die Münze allerdings nicht als gnädig erklären. Kurz gesagt, solange das Verhalten der Dinge im Einklang mit den Naturgesetzen steht, können wir es in einem begrenzten Sinne gut oder schlecht nennen, aber wir können es nicht moralisch bezeichnen. „Gut“ oder „schlecht“ heißt in diesem Zusammen- hang nur, dass etwas gemäß unserem Wunsch vonstatten geht oder eben nicht.

Häufig handelt es sich bei Gut und Böse nur um eine Sache

der Relativität. Wird zum Beispiel jemand angeschossen, wer- den seine Freunde es als schlecht bezeichnen, die Feinde jedoch als gut. Gut und Böse sind hier relativ hinsichtlich einer Pers- pektive. Wir können sie nicht als ḫulq bezeichnen. Es handelt sich lediglich um den Ausdruck eines natürlichen Prozesses,


welcher den Naturgesetzen folgend stattfindet. Da kein Wille und keine Absicht involviert sind, können wir sie nicht als mo- ralisch bezeichnen, obwohl die Handlung dieselbe bleibt.

Wenn die Materie indes in einer sukzessiven Entwicklung die Form eines Menschen annimmt, beginnen diese sechs Ei- genschaften sich hundertfach zu manifestieren. Da der Mensch durch die Entwicklung der Materie entstanden ist, haben sich seine Eigenschaften ebenfalls vervielfältigt und entwickelt. Far- ben bieten ein Beispiel dafür. Es gibt zwar nur sechs oder sie- ben Grundfarben, jedoch entwickelten sich aus ihrer Mischung eine Vielfalt von Farben. Im Falle des Menschen fangen die grundlegenden Eigenschaften an, sich in immer neuen Kom- binationen und Kompositionen zum Ausdruck zu bringen. Da diese Ausdrücke neu sind, nennen wir sie ḫalq (Schöpfung). Sie sind gewissermaßen wie neugeboren. Um sie von der physi- schen Geburt zu unterscheiden, nennen wir diese ḫulq (geistige Schöpfung). Grundsätzlich wird das menschliche Verhalten je- doch von den sechs Eigenschaften geprägt, welche in der Ma- terie in der elementaren Form zu finden sind. Wenn sie sich in leblosen Materialien manifestieren, nennen wir sie Kräfte. In Bezug auf Pflanzen, bei denen sie stärker entwickelt sind, nennen wir sie Sinne. Wenn sie bei Tieren vorkommen, nennen wir sie Triebe und Instinkte. Wenn diese Eigenschaften sich in noch raffinierterer und vollkommener Form im Menschen ma- nifestieren, nennen wir sie natürliche Bedürnisse, unter der Be- dingung, dass sie nicht vom Denken und der Absicht begleitet sind, oder wir nennen sie moralische Werte (ḫulq), wenn sie von Denken und Intention begleitet sind. Das bedeutet, dass sie den Höhepunkt der fortschreitenden Veränderung der Materie er- reicht haben. Der Heilige Qurʾan stellt die menschliche Geburt folgendermaßen dar:

ۃفطَۡ ُن ہنٰ ۡلعَ ج

مَ ُثَ ً۱۳﴿ن

ۡیَ طنمّ

ۃَلٰلسن

مناسَ ۡ ناِ ۡلاان

قۡ َلخدقَ َلو

ۃغضۡ مۃقَ َلعَ ۡلاۡ انقۡ َلَخف ۃقَ َلعَ

ۃفَٰ طۡنلاانقۡ َلَ خَ

مَ ُثٰ﴾۱۴﴿َنۡیک

مَّ رارَ َقیفِ

ۡ َ

ؕرخااقلخہنٰ اشَ ۡ نَامَ

ُثۡ ٭امً ٰحۡ ۡلمظعلاَانَ وٰۡ سک

فامظعۃغض

ملاانقۡ لَخف

﴾۱۵﴿ن

یقِلخلا نسحا ھّللاکر

بتف 39


Gott krönt den Menschen als den Gipfel der Schöpfung und ihm sind alle anderen Geschöpfe untergeordnet.

Nachdem wir dieses Prinzip verstanden haben, wollen wir die moralischen Werte des Menschen genauer betrachten.

Ursprung aller Moral sind die simplen Eigenschaften, die der Materie innewohnen. Sie sind nach einer Reihe von fort- schreitenden Veränderungen primitiver Materie entstanden. An sich können wir sie nicht als schlecht bezeichnen, denn sie sind bloß natürliche Dispositionen. Wir können sie nur in dem Fall als übel bezeichnen, wenn sie nicht zur richtigen Zeit am richtigen Ort zum Ausdruck gebracht werden. Nehmen wir Feigheit als Beispiel. Jeder bezeichnet Feigheit als etwas Schlechtes. Doch was ist Feigheit? Es ist der Rückzug aus ei- ner Situation. Rückzug an sich ist nicht verwerflich. Es ist aus- schließlich eine natürliche Disposition, die weder gut noch schlecht ist. Wir nennen sie nur übel, wenn sie in Bezug auf unsere Vernunft und im Hinblick auf den Anforderungen der


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39 „Wahrlich, Wir erschufen den Menschen aus reinstem Ton; Dann setzten Wir ihn als Samentropfen an eine sichere Ruhestätte; Dann bildeten Wir den Tropfen zu geronnenem Blut; dann bildeten Wir das geronnene Blut zu ei- nem Fleischklumpen; dann bildeten Wir aus dem Fleischklumpen Knochen; dann bekleideten Wir die Knochen mit Fleisch; dann entwickelten Wir es zu einer anderen Schöpfung. So sei denn Allah gepriesen, der beste Schöpfer.“ (23:13-15)


Situation falsch angewandt wurde. Nehmen wir ein anderes Beispiel: der Rückzug eines frommen Mannes in sein Kloster. Dieser Rückzug ins Kloster wird in der Regel als gut angesehen, obwohl beide Handlungen von derselben Art sind. Tatsache ist allerdings, dass auch diese Handlung an sich weder gut noch schlecht ist. Sie kann nur dann als gut bezeichnet werden, wenn sie der Vernunft entspricht und den Anforderungen der Situati- on gerecht wird. Andernfalls ist sie schlecht, selbst wenn sie als fromm bezeichnet wird. Geduld ist ein weiteres Beispiel. Darin wird auch die Eigenschaft des Vermeidens bzw. des Abwen- dens deutlich. Wir können sie nur gut nennen, wenn sie im Ein- klang mit der Vernunft und den Anforderungen der Situation steht.

Ich führe nun ein Beispiel für die Eigenschaft der Neigung beziehungsweise des Liebens und Geliebtwerdens vor. Durch diese Eigenschaft kommt die Liebhaber-Geliebten-Beziehung zustande. Ein Jünger oder Schüler liebt seinen Mentor oder spi- rituellen Lehrer. Der Mentor besitzt eine Schönheit in seinem Charakter. Davon fühlt sich der Schüler angezogen und er fühlt sich dem Mentor zugeneigt. Eine Beziehung der Liebe entwi- ckelt sich. Wenn diese Liebe von Vernunft und den Anforde- rungen der Situation diktiert wird, so wird sie „ḫulq-e ḥasan“ genannt, d. h. eine moralische Reaktion auf das Gute. Andern- falls ist sie nur ungebändigt und armselig. Die beiden Zustände haben jedoch den gleichen inneren Gehalt, nämlich Lieben und Geliebtwerden. Einer zieht an, während der Andere angezogen wird. Diese Eigenschaft, die bereits zu Beginn in der Materie vorhanden war, ist nun in einer abgewandelten Form zum Vor- schein gekommen.

Repulsion oder Abstoßung ist eine natürliche Veranla- gung. Wenn sie eine moralische Gestalt annimmt, wird sie ge-


sunder Wagemut oder Tapferkeit genannt. Nun zu der Frage, was ist Tapferkeit? Die gleiche natürliche Veranlagung zum Abstoßen, die in Elementarteilchen vorhanden ist, manifestiert sich auf der menschlichen Ebene als Tapferkeit. Wenn sie im Einklang mit der Vernunft liegt und den Umständen angemes- sen ist, wird sie eine gute moralische Eigenschaft oder Tugend genannt. Andernfalls ist es ein Beispiel schlechter Moral. Die Angewohnheit andere zu verunglimpfen ist auch ein Zweig dieser Eigenschaft. Das Motiv ist in beiden Fällen das Abstoßen bzw. Zurückweisen eines Vorwurfs, eines Anschlags oder eines Akts der Grausamkeit.

Anziehung äußert sich auf verschiedene Weise. Sie zieht die Dinge zu sich. Wenn sie sich als Gier äußert, sieht man ein Gedrängel um Macht und finanziellen Gewinn. Wenn sie üble Absichten und Folgen hat, wird sie als schlecht bezeichnet, an- derenfalls als gut. Frohmut, d.h. anderen mit Freundlichkeit be- gegnen, gute Laune, Contenance, Lob, Liebe, Liebenswürdig- keit, Frömmigkeit und Glaubenseifer, all dies sind Ausdrücke dieser Eigenschaft.

Tahawwur ist eine moralische Eigenschaft, die aus der Dis- position der Selbstauflösung (fanā) entspringt. Es bedeutet, dass der Mensch sich für die eigene Auflösung bereitstellt. Er verkündet, dass sein eigenes Leben für ihn keine Rolle spielt. Diese Gefühlsregung kann sowohl rational als auch irrational sein. Wenn rational motiviert, ist sie eine Regung von hohem Rang. Ein gutes Beispiel hierfür ist Nematullah Khan (gemartert bei Kabul – in 1924). Er machte den festen Entschluss, sein Le- ben zu opfern, statt sich von seinem Glauben abzukehren. Nur dann, wenn Selbstvernichtung bzw. Opferbereitschaft mit der Vernunft verbunden ist, kann sie als wahres Opfer bezeichnet werden. Wenn ein Mann ein Feuer sieht und hineinspringt,


um sich zu opfern, so fällt dies auch unter tahawwur, ist aber Übermut. Obwohl man sich in beiden Fällen opfert, wird das Letztere als eine schlechte Tat angesehen, weil sie nicht von der Vernunft gesteuert wird.

Ein weiteres Beispiel für eine Selbstaufopferung ist „iḥsān“, uneigennütziges, gutes Handeln. Das bedeutet, dass man für das Wohl eines Anderen sein eigenes Recht aufgibt. Dadurch gibt sich die Person in anderen Worten bis zu einem gewissen Grad auf (fanā), weil sie das, was ihr eigenes Überleben fördern würde, dem Anderen widmet.

Als Beispiele für Handlungen, die aus der Eigenschaft des Wunsches nach der Fanā (Auflösung) eines Anderen entstehen können, sind Mord, Zerstörung und Groll. Diese Handlungen sind tief verwurzelt im Wunsch, etwas auszulöschen.

Aus der Eigenschaft der Aufrechterhaltung entstammen moralische Qualitäten wie beispielsweise Großzügigkeit, Hoff- nung, uneigennützige Güte (iḥsān) und ähnliche Qualitäten. (Das Letztere wurde zuvor auch der Eigenschaft der Selbst- aufopferung zugeordnet. Das liegt daran, dass manche mo- ralischen Qualitäten ihre Wurzeln in mehreren Eigenschaften haben. Sie manifestieren verschiedene Eigenschaften in ver- schiedenen Situationen.)

Stolz, Eifer, Mut und Selbstgefälligkeit entstammen alle aus dem Wunsch, sich selbst zu manifestieren. Dies ist ihr verbor- genes Motiv.

Offenlegung von Geheimnissen, Prahlerei, Obszönität und Aufrichtigkeit sind die geistigen Erscheinungen des Wunsches nach Manifestierung.

Vertrauen, Nachlässigkeit und Keuschheit entspringen aus dem Wunsch, in sich verborgen zu bleiben.


Verspottung, Humor, Falschaussage, Bewahren von Ge- heimnissen und Lügen sind die geistigen Erscheinungen des Wunsches nach Geheimhaltung.

Einige Veranlagungen sind komplex und bestehen aus mehr als einer Eigenschaft, wie zum Beispiel Eifersucht. Eifer- sucht ist eine komplexe moralische Eigenschaft, zusammenge- setzt aus Anziehung und Zerstörung. Ein weiteres Beispiel für solch eine Eigenschaft ist der Hass, welcher aus Abneigung und Zerstörung zusammengesetzt ist.

Manche Eigenschaften kommen in verschiedenen Situati- onen mit verschiedenen Besonderheiten zum Vorschein. De- batte oder Streit, also Mut zu zeigen, fällt beispielsweise unter Abwendung. In diesem Falle ist es ja das Ziel, die Behauptun- gen anderer zu widerlegen. Manchmal dient eine Debatte auch dazu, sein Recht zu sichern. In solch einem Fall geschieht dies aufgrund der Eigenschaft der Anziehung.

Wenn wir die menschliche Moral genauer untersuchen, kommen wir zu dem Ergebnis, dass sie im Prinzip eine ausge- reifte Form der Merkmale der Materie ist. Sie hat nach einem fortschreitenden Entwicklungsprozess eine geistige, nicht-ma- terielle Form angenommen, welche in einigen Fällen komplex,

d.h. aus verschiedenen Eigenschaften zusammengesetzt, sein kann. Das oben erwähnte Prinzip macht die Essenz und die wahre Natur der Moral deutlich. Darüber hinaus wird deut- lich, dass Moral an sich weder gut noch grundsätzlich schlecht ist. Sie ist nur gut oder schlecht in Bezug auf ihren Gebrauch zum richtigen oder falschen Anlass. Denn auch die Merkmale der Materie sind grundsätzlich an sich weder gut noch schlecht. Vor allem beweist die vorliegende Analyse, dass ein Schöp-

fer dieser Welt existiert, denn eine solch tiefe moralische Wur- zel ist nicht von allein entstanden. Es wäre ohne den Willen


eines mächtigen Wesens sicherlich nicht möglich gewesen, die Wurzel der Moral von Anbeginn der Existenz so fest in das Herz des Menschen zu pflanzen, dass er sich davon nicht lö- sen kann. Er allein hat den Menschen mit einem angeborenen moralischen Bewusstsein und in exakter Übereinstimmung mit dem Zweck Seiner Schöpfung geschaffen. Unter Berücksich- tigung der Schöpfungsgrundlage wird der Mensch befähigt, unter allen Bedingungen und in jedem Alter den Einfluss der Moral anzunehmen, so dass sein Instinkt auf natürliche Weise zur Moral angehalten wird.


Warum sollte man nach hoher Moral streben?


Nachdem ich über die Wurzeln der Moral im Allgemeinen gesprochen habe, möchte ich mich nun der Frage zuwenden, weshalb eine hohe Moral angestrebt und eine schlechte abge- legt werden sollte?

Europäische Denker haben sich mit der Natur der Dinge äußerst tiefgründig auseinandergesetzt und dieser Frage dabei eine besondere Bedeutung zugemessen. Einige dieser Forscher haben nach intensiven Reflektionen auf diese Frage geantwor- tet, dass hohe moralische Qualitäten an und für sich gut seien und deswegen sollte man sie sich aneignen. Ihnen zufolge ist kein dahinterliegender Zweck dafür erforderlich, da die hohe Moral sich selbst rechtfertige.

Muslimische Gelehrte der Moral haben eine andere Ant- wort darauf. Sie sagen, dass man eine hohe Moral anstreben sollte, um von Gott eine Belohnung [ṯawāb] zu erhalten. Imām al-Ġazālī geht in dieser Hinsicht sogar so weit, dass er sagt, dass jemand, der sich auf Grund seiner Gesundheit und nicht mit


der Absicht, ṯawāb zu erhalten, außerehelichen Beziehungen enthält, nicht gottesfürchtig ist.

Anhänger des westlichen Denkens erheben die folgenden zwei Einwände gegen diese Auffassung:

Ihnen zufolge ist ein Arzt, welcher einen Patienten nicht etwa um seiner Gesundheit willen behandelt, sondern aufgrund des Wunsches, ṯawāb zu erhalten, eine Art Händler. Kann also jemand, der in diesem Zusammenhang den Prinzipien des mo- ralischen Handels folgt, als fromm angesehen werden?

Ihr zweiter Einwand lautet: Warum kann jemand, der sich zum Wohle seiner Gesundheit oder zum Schutz seines Rufes vom Ehebruch fernhält, nicht als keusche Person bezeichnet werden? Wenn er nicht als keusch bezeichnet werden kann, dann stellt sich die Frage, warum die Scharia den Ehebruch ver- boten hat. Ihr sagt, dass eine solche Enthaltung zweckorientiert und nicht moralisch sei, da die Person dabei keine Belohnung von Gott im Sinn habe.

Die Frage jedoch ist, warum eine Handlung alleine dann als moralisch angesehen werden soll, wenn sie verbunden ist mit einer Belohnung von Gott; alleine aus dem Grund, dass Be- fehle befolgt und Verbote eingehalten werden sollen? Ist dies der Fall, so lautet die nächste Frage: Warum erlässt Gott Gebo- te und Verbote? Wenn sie keine Weisheit enthalten und will- kürlich sind, dann ist die Scharia bedeutungslos und sinnfrei. Wenn das göttliche System jedoch auf vollkommener Weisheit beruht, dann kann das Handeln im Einklang mit diesem Sys- tem nur moralisch sein. Doch warum sollte die Wertschätzung einer Handlung dann geringer ausfallen, wenn man während der Handlung die Weisheiten im Sinn hat, die Gott bei diesem Gebot berücksichtigt hatte? Wenn Gott beispielweise aufgrund


der Gefährdung der Gesundheit oder Gewährleistung der so- zialen Harmonie den Ehebruch verboten hat und wir im Be- wusstsein dieser Weisheit dem Ehebruch entsagen, warum sollte dies dann nicht als moralisches Verhalten gelten? Sollten wir insofern dann nicht auch die Berechtigung haben, dafür von Gott belohnt zu werden? Wenn dieses Verbot indes keinen Nutzen bringt, so bedeutet dies, dass Gott es bloß aus Willkür erlassen hat.

Die Antwort auf den ersten Einwand, auf jenen also, der die religiöse Moral auf ein Tauschgeschäft reduziert, lautet, dass ein Handel und eine moralische Handlung grundverschiedene Dinge sind. Gott hat den Lohn für moralisch gute Taten schon im Vorfeld festgelegt. Er hat bereits bestimmt, welche Beloh- nung für das Unterlassen bestimmter Taten und der Durchfüh- rung bestimmter moralisch guter Taten aussteht. Insofern han- delt es sich nicht um einen Handel, sondern um einen Gefallen. Bei einem Geschäft bestimmt der Verkäufer selbst den Preis seiner Dienstleistung bzw. Ware. Die Belohnungen bzw. Stra- fen indes wurden schon lange vor der Geburt des Menschen von Gott bestimmt und spiegeln den natürlichen Wert einer Tat wider. Wir mögen, während wir Handlungen ausführen, an Gott denken oder nicht, der der Handlung inhärente Lohn allerdings ist uns gewiss. Dies ist kein Handel. Bei einem Ge- schäft beispielsweise hat eine Person eine bestimmte Menge an Butter und eine andere Person eine Summe Geld. Der Letztere kann die Butter mit seinem Geld kaufen. Der Verkäufer dage- gen mag dem Verkauf zustimmen oder auch nicht. In Falle von moralischen Taten verhält es sich gegensätzlich. Derjenige, der die Belohnung gibt, hat selbst schon einen Lohn versprochen, bevor überhaupt ein Anspruch darauf erhoben wurde.

Ein weiterer Unterschied ist, dass wir unter allen Umstän-


den abhängig von unserem Gebieter sind. Selbst wenn wir die Taten nicht mit der Aussicht auf Gottes Belohnung vollbringen, ist unser Leben von Seiner Gnade abhängig. Die Belohnung ei- nes solchen Wesens, ohne dessen Gnade wir gar nicht überle- ben können, kann man nicht Handeln nennen. Handel ist eine Tätigkeit, bei der beide Parteien unabhängig voneinander ein Geschäft eingehen.

Der zweite Einwand ist durchaus berechtigt, vorausgesetzt, dass man eine Tat, die nicht von der Hoffnung auf göttliche Belohnung motiviert ist, als nicht-moralisch versteht. Die Ant- wort ist, dass viele Menschen mit dem richtigen Gebrauch des Wortes ṯawāb nicht vertraut sind. Wenn ṯawāb etwa Geld hei- ßen würde, wäre der Einwand angemessen. ṯawāb bedeutet je- doch nicht Geld, sondern das Erreichen des Summum Bonum

d.h des höchsten Zweckes der Schöpfung. Dies erreichen wir, wenn wir das bestmögliche Abbild vollkommener Eigenschaf- ten werden, reine Spiritualität zu unserer zweiten Natur wird und wir zu einer Quelle der Reinheit werden. Belohnungen, die uns als materiell erscheinen, sind entweder Metaphern oder Ergänzungen des höchsten Zweckes und Ergänzungen können nicht der höchste Zweck sein. Wenn jemand seinen Freund un- terhält, ist diese Unterhaltung nicht der eigentliche Zweck. Der eigentliche Zweck ist die Zusammenkunft und Begegnung der Herzen. Auf der gleichen Weise ist ṯawāb nicht vergleichbar mit dem Essen und Trinken bei so einer Zusammenkunft, vielmehr ist ṯawāb das Erreichen der persönlichen Perfektion. Der Heilige Qurʾan schildert dies mit folgenden Worten:

﴾۵۷﴿ن

وۡ د

بعۡ یَ ِلاَّلاِ س

ۡ ناِ ۡلاونَ

جِ لات

قۡ َلخامو 40


Das bedeutet, der Zweck der Schöpfung ist, dass der Mensch Allahs Diener [ʿabd] wird. Dementsprechend bedeutet ṯawāb, dass man die Möglichkeit bekommt ein ʿabd – und somit vollkommen – zu werden. Nur so können aḫlāq im wahrsten Sinne des Wortes moralische Handlungen genannt werden, sonst sind sie nichts anderes als sinnlose, oberflächliche Übun- gen. Es besteht kein Zweifel darin, dass man durch oberfläch- liche Moral in dieser Welt bis zu einem gewissen Grad Nut- zen erzielen kann. Wenn man jedoch nicht das Erreichen von Vollkommenheit zum Ziel hat und nicht danach strebt, Gottes Wohlgefallen zu erlangen, wie kann man dann vollkommen werden? Mentale und spirituelle Handlungen hängen von der Intention ab, mit der sie durchgeführt werden. Sogar physische Handlungen hängen von Motiven ab. Wenn man beispielswei- se beim Sporttreiben die Kapazität des Körpers berücksichtigt, kann man bessere Resultate erzielen.

Die zweite Antwort lautet, dass wir, um Gottes Wohlgefal- len zu erlangen, moralisch gut handeln. Das Erlangen von Got- tes Wohlgefallen bedeutet nicht, dass wir eine Gegenleistung für unsere moralischen Anstrengungen erwarten, sondern wir tun dies nur, um Ihm dafür zu danken, was Er uns bereits ge- geben hat und um vor Ihm als moralisch erfolgreich zu gelten. Darüber hinaus sei erwähnt, dass der Kritiker darin ge- scheitert ist, seine eigene Argumentation zu verstehen. Wenn das Streben nach der Belohnung egoistisch ist, so ist der Kriti- ker nicht weniger egoistisch. Wir stellen ihm die folgende Fra-


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40 Und Ich habe die Dschinn und die Menschen nur darum erschaffen, dass sie Mir dienen. (aḏ-Ḏāriyāt, 51:57) [Anm. d. Ü.]

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ge: Warum pflegt jemand eine kranke Person? Wenn er antwor- tet, dass das Mitgefühl, entsprungen aus seinem Herzen, ihn dazu zwingt, dann ist es nicht mehr seine Tugend, denn sein Herz drängt ihn dazu. Wenn das nicht der Fall ist, dann erhofft er möglicherweise eine Gegenleistung. Wenn er heute eine pfle- gebedürftige Person betreut, wird morgen vielleicht, wenn er selbst krank wird, diese Person ihn versorgen. Wenn wir dage- gen eine gute Tat vollbringen, hegen wir nicht die Hoffnung, dass wir eine Gegenleistung in Form eines Vermögens oder Ähnlichem erhielten, sondern wir beabsichtigen damit, Gott für die Belohnungen zu danken, die wir von Ihm bereits erhielten.


Wer kann als eine moralisch gute Person bezeichnet werden?


Kommen wir nun zu der folgenden Frage: Was ist die Defi- nition eines moralisch guten Menschen?

Der christlichen Ansicht zufolge erfüllt jene Person die Be- dingung moralisch gut zu sein, die alle Tugenden besitzt und frei von allen Lastern ist. Alle anderen Religionen sind mehr oder weniger derselben Auffassung.

Die islamische Sichtweise legt aber der Heilige Qurʾan wie folgt vor:

امَ

َاو

﴾۸﴿ۃیَ ٌ ضارَ

ۃشۡیُ عیف وَ ھ

َف﴾۷﴿ہنۡیزاوَ مت

َلقُ َث نم

امَ

َاَف

﴾۱۰﴿ۃَیواہ

ہمُ افَ ﴾۹﴿ہ

نۡیزاوَ مت

فَّ خنم 41



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41 „Dann wird der, dessen Waage schwer ist, ein angenehmes Leben ge- nießen. Der aber, dessen Waage leicht ist, die Hölle wird seine Mutter sein.“(101:7-10)


Hiernach wird jemand, dessen gute Taten überwiegen, als moralisch gut und jemand, dessen schlechte Taten überwiegen, als moralisch schlecht bezeichnet. Andere Religionen bezeich- nen eine Person auch beim geringsten Verstoß als unmoralisch, selbst wenn sie ihr ganzes Leben stets gute Taten vollbracht hat. Der Islam hingegen lehrt, dass jemand, der einige Laster hat, aber durch seine Bemühungen eine Fülle von guten Werken vollbringt, als moralisch gut bezeichnet wird, da seine wenigen Laster von der Mehrheit seiner Tugenden überlagert werden.

Die Wahrheit ist, dass andere religiöse Lehren ihre Ge- zetze als eine Despotie betrachten und diesen Gesetzen folg- lich keinen tiefgründigen Zweck zuweisen. Daher macht man sich ihnen zufolge strafbar, sobald man gegen ein Gesetz ver- stößt. Dies impliziert, dass religiöse Gesetze nichts weiter als ein Handbuch von Sanktionen sind. Der Islam hingegen lehrt, dass Moral oder religiöse Normen nicht das höchste Ziel sind, sondern lediglich Übungen, welche der Reinigung des Herzens dienen sollen. Wenn jemand in einer Übung einen Fehler be- geht, so ist dies nicht unmittelbar mit Sanktionen verbunden, sofern dieser Fehler nicht dazu führt, dass man sich von dem übergeordneten Zweck der Übung entfernt. Zum Beispiel wird ein Prüfling, der neun von zehn Fragen richtig beantwortet, aber nur eine Frage falsch beantwortet, dafür nicht bestraft. Ebenso machen Ärzte gelegentlich Fehler, aber wenn sie über- wiegend ihre Patienten heilen, werden sie als gute Ärzte ange- sehen. Dies bedeutet also, dass eine Person, dessen gute Werke im Vergleich zu seinen Lastern überwiegen, als moralisch gut bezeichnet werden kann.

Allerdings bedeutet das nicht, dass im Islam gelegentli- che falsche Handlungen legitim seien. Damit ist nicht gemeint,


dass man sich sonst keinem Laster hingibt, aber beispielsweise ab und zu stehlen darf. Dies gleicht vielmehr einer Rebellion und muss sicherlich geahndet werden. Vergeben werden nur Versehen. Wenn ein Schüler sich willkürlich weigert, in einer Prüfung eine Frage zu beantworten, wird er entlassen. Denn er beleidigt damit den Prüfer. Wenn er jedoch gar nicht in der Lage ist, ein oder zwei Fragen zu beantworten, wird ihm keine Strafe verhängt.


Kann die Moral verbessert werden?


Nun stellt sich die Frage, ob Moral von einer niedrigen Form auf eine höhere Ebene erhoben werden kann.

Allgemeinhin herrscht die Meinung vor, dass dies möglich sei. Wenn indes diese Frage jemandem persönlich gestellt wird, so antwortet er, dass es schwierig sei. Fragt man in die Menge hinein, ob die Moral im Allgemeinen verbessert werden könne, so würde die Antwort „Ja“ lauten. Wenn man jedoch fragt, ob es der betreffenden Person tatsächlich gelungen sei, sein mora- lisches Niveau zu erhöhen, so würde er erwidern: „Ich habe mein Bestes getan, aber es ist mir nicht gelungen.“ In der Regel äußern sich Leute schlecht über andere und gut über sich selbst. In die- ser Frage hingegen ist das Gegenteilige der Fall. Über andere haben sie eine positive Meinung, wohingegen sie über sich selbst negativ denken. Dem Heiligen Qurʾan zufolge ist das mo- ralische Handeln verbesserungsfähig. Der Heilige Qurʾan sagt:

﴾۱۰﴿یرٰ ۡکذ

لات

عَ فَ َّن ن

اِ رۡ ِّکذ

َف 42



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42 „Ermahne also; gewiss, Ermahnung frommt.“ (87:10)

Das Wort نْ إِ im zitierten Vers hat hier die Bedeutung von دْ َق

[gewiss]. Dementsprechend kann man den Vers folgen-

dermaßen übersetzen: „O Muhammadsaw! Ermahne die Menschen, denn gewiss, Ermahnung ist immer wirksam.” Der Vers besagt also, dass die Anhebung der Moral in jedem Falle möglich ist.

Die Anweisung, die der Verheißene MessiasAS in dieser Hinsicht den Mitgliedern seiner Jamaat erteilte, ist in sich ein Wunder. Man kann sogar sagen, dass es solch ein Wunder ist, dass allein dasselbige als Beweis für seine Wahrhaftigkeit aus- reicht. Der Heilige Qurʾan ist die Quelle seines Wissens. Es gibt kein anderes Buch, das diese Wahrheit erklärt. Die folgenden Worte des Verheißenen MessiasAS in dieser Hinsicht erfüllen den Leser mit Hoffnung. Der Verheißene MessiasAS spricht sei- ne Jamaat wie folgt an:


�کر خطا ن�ا ۔گی ہو لقبو نکرک عادت یر� �ی رگنہگا ہم کہ وکر نہ ل�ی �ی ‘‘

ا� نکہک ہے �د کر لماپ� کو نفس روا ہے �جآا لغا پر نفس �ٓا تھسا کے ن عاد مگر ہے

ب

۔ئےجآا لغا پر نفس ہو کہ ہے ید کھر ً�فطر بھی تّقو � رندا کے ن�ا نے لیتعاکی

ک کو نیپ� پس ۔ےد بجھا کو گٓا ہو کہ ہے گئی کھیر تب� � م تفطر کی نیپ� �ھ د

کہ ہے روضر تو گا ےپڑ پر گٓا ہو �ب ب

ی

بھی

پھر ود کر حطر

کی گٓا روا وکر مگر ہی

ب

م تفطر کی ئنہ �ا ہی �ا ہے تیدوپ� م تفطر کی ی نی� کہ � ےد بجھا کو ن گپ ٓا

سے سا ۔ہے ا� �د کھر ہدما کا گیک� نے لیتعا ا� م شخص �ا � ۔ہے گیک�

ہے تیہو پر ےکپڑ جو ہے حطر کی لن ی�م سا ہگ ۔�ی ثّملو متہ گ ہم کہ ؤاگھ م

ٰلیتعا ا� ںہو تحتما کے نینفسا�ل تب�� ہی ےسی�ک ئعطبا ےر�ھم ۔ہے سکتی جا کی رود روا

’’۔ہے حرّ رٌ فُ َ� ہو ،ہے م ح ہو ۔گا ےکر نہ ئعضا ہو تو ہور تےکر عاد کر ور ور سے

„Nehmt nicht an, dass ihr Sündige seid und deswegen eure Gebete nicht erhört werden können. Der Mensch be-


geht Fehler, bis er durch Gebete Oberhand über sein Ego gewinnt und es überwältigt, da Gott in die Natur des Men- schen die Kraft gelegt hat, das Ego zu überwältigen. Seht! Es liegt in der Natur des Wassers, Feuer zu löschen. Wie sehr man Wasser auch erhitzen mag, auch wenn man es so erhitzt wie Feuer, wird Wasser das Feuer löschen, wenn es darauf fällt. Genauso wie Wasser die natürliche Eigen- schaft des Abkühlens in sich trägt, hat auch der Mensch die angeborene Fähigkeit, sich zu reinigen. Jedem einzel- nen Menschen hat Gott diese Fähigkeit eingepflanzt. Seid nicht entmutigt, wenn ihr in Sünden verwickelt seid. Eine Sünde ist vergleichbar mit einem Fleck auf einem Stoff. Er kann wieder abgewaschen werden. Betet stets weinend zu Gott. So wird Er euch nicht im Stich lassen, und zwar unabhängig davon, wie sehr eure Gemüter auch euren egoistischen Leidenschaften unterworfen sind. Er ist lang- mütig, allverzeihend und barmherzig.“43


Diese Botschaft des Verheißene MessiasAS ist voller Hoff- nung. Sie ist in ihrer Gesamtheit zurückzuführen auf den Hei- ligen Qurʾan. Kein anderes Buch hat diese Lehre auf derartige Weise dargelegt. Der Verheißene MessiasAS hat diese einzigarti- ge Lehre des Heiligen Qurʾan in einer solch wundervollen Form erläutert wie kein anderer. Er hat mit seiner Erklärung wahrlich ein Wunder vollbracht.

Durch diese Erklärung wird deutlich, dass in der Natur des Menschen eine besondere Fähigkeit liegt, die es ihm ermög- licht, sich zu reinigen und seine Moral zu reformieren.


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43 Hadhrat Mirza Ghulam Ahmad QadianiAS, „Ansprache anlässlich der jähr- lichen Versammlung“, in Badr-Magazin, (Qadian: 17. Januar 1907), S. 15-16.


Neigt die Natur des Menschen zum Guten oder zum Schlechten?


Infolge der obigen Diskussion stellt sich die Frage, ob der Mensch von Natur aus zum Guten oder zum Schlechten neigt? Die Antwort lautet, dass sich die Natur des Menschen we-

der zum Guten noch zum Schlechten hingezogen fühlt. Gott hat den Menschen mit den besten Qualitäten ausgestattet und ihm die Kraft gegeben, von diesen Qualitäten in guter oder schlech- ter Weise Gebrauch zu machen. Gott zeigt dem Menschen den richtigen Weg und lässt ihn danach frei entscheiden, welchen Weg er einschlagen möchte. Der Heilige Qurʾan sagt diesbezüg-

lich:

﴾۴﴿ار

وۡ فک

امَ

اِ وَ

ارکاش

امَ

اِ ل

یبِ س

لا ہ

نٰ ۡیدہ

اَّنا 44


Dieser Vers besagt, dass Gott den Menschen mit jeglicher Art von Fähigkeit und Kraft ausgestattet hat. Er ist nun frei in seiner Wahl, dankbar oder ungläubig zu sein.


Warum überwiegt auf der Welt das Böse?


Nun stellt sich die folgende Frage: Wenn der Mensch in der Lage ist, schlechtes Begehren zu unterdrücken, warum herrscht dann überwiegend Böses auf der Welt? Warum findet man we- niger Gutes?

Ich beantwortete diese Frage bereits einmal bei einer ande- ren Gelegenheit in einer Rede. In den letzten Tagen haben mir


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44 „Wir haben ihm den Weg gezeigt, ob er nun dankbar oder undankbar sei.“ (76:4)


jedoch etwa ein halbes Dutzend Personen aus verschiedenen Orten diese Frage erneut gestellt. Es ist seltsam, dass die gleiche Frage von so vielen Menschen gleichzeitig aufgegriffen worden ist.

Tatsache ist, dass es in der Welt mehr Gutes gibt als Bö- ses. Ein Dieb beispielsweise begeht zwar Diebstahl, hat jedoch gleichzeitig viele gute Eigenschaften; er pflegt ansonsten einen guten Umgang mit seinen Mitmenschen, ist großzügig und sorgt sich um seine Eltern. Das zeigt, dass er mehr gute als schlechte Eigenschaften besitzt. Unter dem Gesichtspunkt der Moral des Menschen überwiegen die guten den schlechten mo- ralischen Eigenschaften. Wenn man die gesamten Eigenschaf- ten aller Individuen auf die gleiche Weise betrachtet, stellt man fest, dass in jedem Menschen mehr Gutes als Böses zu finden ist.

Der Eindruck, dass es mehr Böses in der Welt gibt, entsteht aus zwei Gründen. Einer davon ist, dass man beobachtet, dass es mehr Ungläubige auf der Welt als Gläubige gibt. Der zweite Grund für den Eindruck, dass das Böse überwiege, ist darauf zurückzuführen, dass in den meisten Menschen das eine oder andere Laster besonders auffällig ist.

Diese beiden Gründe liefern jedoch keinen Beweis dafür, dass es mehr Böses auf der Welt gibt als Gutes. Das Gegenteil ist eher der Fall. Wenn man den ersten Grund analysiert, stellt man fest, dass es sich in Wirklichkeit um einen Irrtum handelt, welcher mangels genauer Betrachtung des wahren Sachver- halts aufkommt. Die Wahrheit ist, dass es mehr Menschen gibt, die als „ungläubig“ gebrandmarkt werden, als es tatsächlich Ungläubige gibt. Man würde nach sorgfältiger Recherche viele solcher Menschen finden, denen die Wahrheit noch nie in ihrer endgültigen Form verdeutlicht wurde. Man mag sie zwar aus


der Sicht der Scharia formalerweise als kāfir (Ungläubige) be- zeichnen, in den Augen Gottes sind sie in Wirklichkeit jedoch keine Ungläubigen. Gott wird ihnen entweder noch eine Mög- lichkeit geben, sich zu entscheiden, oder ihnen auf Grund ihrer Taten, basierend auf ihrer natürlichen Neigung zum Polytheis- mus (širk) bzw. zur Einheit Gottes (tauḥīd), bestrafen bzw. be- lohnen. Diese Tatsachen berücksichtigend stellen wir fest, dass es in Wirklichkeit mehr Glaube als Unglaube und somit mehr Gutes als Böses auf der Welt gibt.

Die zweite Auffassung, wonach die meisten Menschen ja Laster aufweisen würden, ist auch nicht tragfähig. Die Frage ist nicht, ob die meisten Menschen Schwächen haben, sondern ob die meisten Menschen mehr Tugenden als Laster haben. Wenn bei den meisten Menschen gute moralische Eigenschaften über- wiegen, überwiegt das Gute in der Welt. Jeder, der die Taten der Menschen in ihrer Gesamtheit betrachtet, wird feststellen, dass das Gute im Menschen im Vergleich zum Bösen überwiegt. So- mit ist erwiesen, dass es mehr Gutes auf der Welt gibt als Böses.

Einige Menschen sind dennoch der Auffassung, dass falls die Mehrzahl der Menschen in irgendeiner Weise bestraft wird, Satan gesiegt hat. Selbst wenn dem so wäre, würde dennoch, meines Erachtens, Gott die Oberhand gewinnen. Denn es ist ein Gesetz Gottes, dass die Bewohner der Hölle, nach dem Verbü- ßen ihrer Strafe, letztendlich alle ins Paradies eingehen werden.

Der Heilige Qurʾan sagt:

﴾۵۷﴿نوۡ دبعۡ یَ ِلاَّلاِ سۡ ناِ ۡلاونَ جِ لاتقۡ َلخامو

„Und Ich habe die Dschinn und die Menschen nur darum erschaffen, dass sie Mir dienen.“45


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45 aḏ-Ḏāriyāt, 51:57. [Anm. d. Ü.]


Wie ist es nun möglich, dass die Diener Gottes ewig bestraft werden? Daraus geht hervor, dass eine Zeit kommen wird, wenn alle Insassen der Hölle entlassen werden. Andere Stel- len aus dem Heiligen Qurʾan und den Hadith beweisen zudem, dass jeder Mensch eines Tages ins Paradies eingelassen wird. So werden alle zu Dienern Allahs und Er selbst wird im Wett- streit um Gut und Böse als Sieger hervorgehen. Wo wird dann Satan sein, wenn dies stattfindet? Er wird auch zu den Anderen in das Paradies eingelassen. So wird er schließlich auf sein ei- genes Ich bezogen ebenfalls scheitern. Diejenigen, die heute der Auffassung sind, Satan sei der Sieger, werden an dem Tag Reue empfinden, wenn sie ihn im Paradies vorfinden.

Ich wiederhole nun die Definition des vollkommenen Men- schen. Ein vollkommener Mensch ist jemand, der sich so weit von Sünden befreit, dass seine Seele im Jenseits den Anforde- rungen eines guten Lebens gewachsen ist („Anforderungen des guten Lebens“ heißt, vom Missfallen Gottes bewahrt zu bleiben und das Wohlgefallen Gottes zu erlangen). Er vollbringt gute Taten in solch einem Maße, dass es ihm ermöglicht wird, un- mittelbar das Wohlgefallen Gottes zu erhalten. Er unterscheidet sich von anderen Menschen in der Unmittelbarkeit. Andern- falls wird jeder irgendwann dazu befähigt, das Wohlgefallen Gottes zu erlangen.


Was bedeutet Sünde?


Nun kommen wir zur Definition von Sünde.

Sünde ist ein Handeln, welches die Seele eines Menschen derart verdirbt, dass sie unfähig wird, Allahs Wesen zu erken- nen. Sie schafft Hindernisse auf dem Pfad, der ihn zum Zweck seiner Schöpfung führt. Sündhafte Handlungen sind entweder


physisch oder spirituell. Von den physischen Handlungen sind viele solcherart, dass ihre schädlichen Folgen sichtbar werden, wie zum Beispiel Lügen, Morden etc.


Was sind rechtschaffene Taten?


Gute und rechtschaffene Taten sind solche, die der Seele einer Person genug Kraft verleihen, das Angesicht des Herrn zu erkennen. Im Allgemeinen wird jemand, der seinen täglichen Aktivitäten nachgehen kann, als gesund bezeichnet. Andern- falls diagnostizieren Ärzte in jedem Menschen die eine oder andere Krankheit. Daher ist ein guter Mensch jener, der sowohl physisch als auch spirituell gute Taten vollbringt und dadurch die Fähigkeit erlangt, das Antlitz Gottes zu erblicken.


Arten von Sünden


Um dieser Sache auf den Grund zu gehen, müssen wir zu- erst verstehen, welche Arten von Sünden es gibt. Es gibt drei Arten von Sünden. Sie sind wie folgt:


  1. Sünden, die das Herz betreffen. Das sind die wahren Sünden.

  2. Sünden der Zunge oder des Ausdrucks.

  3. Sünden, welche den Einsatz anderer Körperorgane, zum Beispiel Hände, Füße, Augen, etc. voraussetzen.


Arten von rechtschaffenen Taten


Ebenso gibt es drei Arten von rechtschaffenen Werken:

  1. Gute Taten, die das Herz betreffen. Das sind die wah- ren Tugenden.

  2. Gute Taten der Zunge oder des Ausdrucks.

  3. Gute Taten, welche den Einsatz anderer Körperorgane voraussetzen.


    Wie entstehen Sünden trotz der Stärke von rechtschaffenen Taten?


    Es stellt sich hier eine wichtige Frage: Wenn Gott den Men- schen so viele Möglichkeiten des spirituellen Fortschritts ge- währt hat, woher kommt dann die Sünde?

    Die Hauptursachen der Sünde sind die Folgenden:


    1. Ignoranz oder Unwissenheit:


      Manchmal nimmt sich eine Person keine Zeit zum Nach- denken, bevor sie ihren natürlichen Trieben folgt, und lässt ein kurzlebiges Interesse oder eine vorübergehende Freude über ihr Handeln dominieren. Die Aufregung des vorübergehenden Glücks verblendet die Sicht auf den dauerhaften Frieden. Dies geschieht aus den folgenden Gründen:

      Erstens aufgrund der Ignoranz, welche dauerhaft oder vor- übergehend sein kann. Dauerhafte Ignoranz hat offensichtliche Gründe. Temporäre Ignoranz hingegen bedeutet, dass sich eine Person für eine Weile, trotz Kenntnis, ignorant verhält. Diese Art von Ignoranz hat folgende Ursachen:


      • Gier. Auch sie führt zur Ignoranz.

      • Wut

      • Schwere Not

      • Krankheit

      • Übermäßige Angst

      • Übermäßige Liebe. Auch sie führt zu Ignoranz.

      • Übermäßiger Optimismus

      • Übermäßiger Pessimismus

      • Sturheit

      • Übermäßiges Begehren

      • Ernüchterung oder Überdruss

      • Vererbung (Das bedeutet, dass manche Ansichten ge- erbt werden und dann alle anderen Ansichten dominie- ren.)


    Diese sind die zwölf Ursachen der Ignoranz.


    Einfluss des sozialen Umfelds


    Die zweite Quelle der Sünde ist der Einfluss auf eine Person durch seine sozialen Kontakte. Der Mensch verfügt über die an- geborene Fähigkeit zur Nachahmung. Er neigt dazu nachzuah- men, was er in seiner Umgebung wahrnimmt, ohne über die Konsequenzen nachzudenken. Der Einfluss sozialer Kontakte wird vor allem durch Eltern, Verwandte, Spielkameraden und Lehrer ausgeübt. Der Einfluss durch einheimische Bräuche ge- hört ebenfalls zu dieser Kategorie.


    Halbwissen


    Eine weitere Quelle der Sünde ist fehlerhaftes Wissen. Oft wird eine Information als „Wissen“ aufgenommen, obwohl sie nicht richtig ist. Man handelt nach Prinzipien, welche auf lü- ckenhaftes Wissen beruhen.


    Schlechte Gewohnheiten


    Eine andere Quelle der Sünde sind schlechte Gewohnhei- ten. Trotz besseren Wissens widersteht man im entscheiden- den Moment nicht der Versündigung. Beispielsweise ist sich ein Mensch darüber im Klaren, dass der Konsum von Alkohol schädlich ist, so dass er daraufhin beabsichtigt, keinen mehr zu trinken. Wenn sich jedoch eine Trinkgesellschaft anberaumt, er- laubt er sich, an dieser teilzunehmen; sodann bieten seine Mit- menschen ihm Alkohol an und er kann der Versuchung nicht widerstehen und lässt seinen Vorsatz fallen.


    Müßiggang und Trägheit


    Müßiggang und Trägheit sind ebenfalls Quellen der Sün- de. Obwohl ein Mensch sich bewusst darüber ist und keine schlechten Angewohnheiten besitzt, verfügt er nicht über den nötigen Ehrgeiz, eine gute Tat zu vollbringen. Die Arbeit wird immer auf ein nächstes Mal verschoben, bis die Zeit abläuft und man sich in einer sündhaften Situation vorfindet.

    Ein ähnlicher Vorfall fand in der Zeit des Heiligen Prophe- tenSAW statt. Während eines Krieges zögerte einst ein sonst auf-


    richtiger Gefährte bei den Vorbereitungen für den Aufmarsch. Er dachte, wenn es so weit sein würde, würde es ihm gelingen, sich den Anderen einfach anzuschließen. Dies führte dazu, dass er sich letztendlich doch nicht der Armee anschließen konnte und somit zurückgelassen wurde.46 Trägheit ist daher eine der Ursachen für Sünden. Einer trägen Person fehlt die Motivation, die ihn dazu ermutigen würde, sich aufzuraffen und etwas zu unternehmen.


    Unfähigkeit rational zu handeln


    Das bedeutet, dass eine Person sich zwischen zwei Hand- lungsalternativen nicht entscheiden kann, welche die bessere der beiden ist. Sie weiß nicht, wie und in welchem Ausmaß sie verschiedene Gefühle gegenüber unterschiedlichen Personen zum Ausdruck bringen sollte. Beispielsweise ist Liebe an sich eine gute Emotion. Wenn ein Mann jedoch seine Frau mehr liebt als seine Mutter, liegt es daran, dass es ihm an Entschei- dungskraft fehlt. Denn obwohl seine Beziehung zu seiner Frau auf gegenseitiger Unterstützung beruht und viele seiner Wün- sche durch seine Frau erfüllt werden, verdankt er seine Exis- tenz doch der Mutter, die ihm Güte erwiesen hat.

    Ein weiteres Beispiel dafür sind Menschen, die, obwohl sie von der Wahrheit des Verheißenen MessiasAS überzeugt sind, zögern, der Jamaat beizutreten. Sie sagen, dass sie bereits bei ei- nem anderen Heiligen einen Treueeid geleistet hätten, welchen sie nicht verletzen möchten. Dies liegt daran, dass es ihnen an Entscheidungskraft fehlt.


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    46 Ṣaḥīḥ al-Buḫārī, Kitābu l-Maġāzī, Bāb Ḥadiṯ Kaʿb ibn Mālik.


    Subtile Einflüsse durch zeitgenössische Anschauungen der Gesellschaft


    Eine weitere Quelle von Sünde sind die Einflüsse durch Gesellschaftsnormen. Die vorherigen Aspekte habe ich nicht weiter erläutert. Doch dieser Aspekt bedarf einer detaillierten Erklärung, denn sonst würden Sie nicht in der Lage sein, dies zu verstehen. Es handelt sich dabei um Weltanschauungen, die einen großen Einfluss ausüben, ohne dass ein Diskurs darüber stattfindet und versucht wird, einander zu überzeugen.

    Wenn eine anständige Person in der Gesellschaft von zehn anderen unmoralisch Handelnden verweilt, wird ihr Herz durch die Morallosen bald negativ beeinflusst, ohne dass sie ih- ren schlechten Charakter zum Vorschein bringen. Das erinnert mich an einen Sikh-Studenten, der große Zuneigung zum Ver- heißenen MessiasAS empfand. Einmal schickte er ihm eine durch Hadhrat Khalifatul Masih IRA übermittelte Botschaft, dass er seit einigen Tagen von atheistischen Gedanken beeinflusst werde. Als Hadhrat Khalifatul Masih IRA dies dem Verheißenen Mes- siasAS vortrug, sagte er: Sagen Sie ihm, dass er seinen Sitzplatz im Klassenzimmer ändern soll. Sobald er diesen Ratschlag be- folgte, kamen seine Gedanken auf den rechten Weg. Die Ur- sache für seine atheistischen Gedanken war ein atheistischer Mitschüler, der neben ihm saß. Obwohl kein Diskurs zwischen ihnen stattfand, wurden seine Gedanken auf den Sikh-Studen- ten übertragen.

    Den Einfluss von Gedanken kann niemand verleugnen. Und auch der Heilige Qurʾan und der Heilige ProphetSAW tei- len diese Auffassung. Ein weiteres Beispiel dafür finden wir in


    der Tierwelt. Es kommt vor, dass Katzen sich zum Duellieren bereitstellen. Eine von ihnen schleicht sich jedoch nach einigem Fauchen ängstlich davon und es findet kein Kampf statt. Bei Löwen wurde ähnliches beobachtet. Treffen mehrere Löwen aufeinander, wird sich der Mächtigste behaupten und die rest- lichen werden ängstlich wegschleichen. Wirft man Fleisch vor ihnen, wird keiner außer dem Stärksten es wagen, dieses zu es- sen. Der Rest wird tatenlos zusehen.

    Hypnose ist eine Praxis, bei der durch Gedanken Einfluss ausgeübt wird. Ich experimentierte einst damit, um einigen Vorwürfen gegen die Spiritualität auf den Grund zu gehen. Unsere Großmutter mütterlicherseits sagte, dass Hypnose bloß Gerede sei. Sie sagte: „Hier ist ein Spatz. Fang ihn durch Hypnose, wenn du kannst.“ Der Spatz saß ein paar Meter entfernt. Als ich in seine Augen sah und ihn hypnotisierte, ging ich gleichzeitig auf ihn zu, um ihn zu fangen. Er rührte sich nicht vom Fleck. Als ich jedoch nach ihm griff, kamen meine Hände zwischen unsere Augen. Dies brach den Bann und er flog davon.

    Ein Reisender schrieb Folgendes: „Ich sah in einem Wald, dass ein Eichhörnchen umherrannte, aber nicht weglief. Es drehte Runden und kehrte zu seiner Ausgangsstelle zurück. Als ich mich nä- herte, stellte ich fest, dass eine Schlange ihren Hals aufgerichtet hatte und das Eichhörnchen ansah. Es näherte sich der Schlange, sodass die Schlange es beinahe verschlungen hätte. Doch in dem Moment scheuchte ich die Schlange durch meine Peitsche weg.“ Es ist offen- sichtlich, dass das Eichhörnchen wegen des hypnotisierenden Einflusses der Schlange nicht in der Lage war zu fliehen, ja, stattdessen der Schlange sogar sehr nah kam.

    Ein anderer Reisender schreibt: „In einem afrikanischen

    Dschungel sah ich einen flatternden Vogel. Als ich genauer hinsah, stellte ich fest, dass eine Schlange aufmerksam in die Augen des Vo-


    gels schaute. Ich tötete die Schlange, fand später den Vogel jedoch ebenfalls tot auf. Er war so beängstigt, geschnappt und gefressen zu werden, dass er starb.“

    In England wurde ein Experiment durchgeführt. Zwei Insekten der gleichen Art wurden zusammengebracht. Dann wurde eines von ihnen fünf Meilen entfernt ausgesetzt. Im Lau- fe der Zeit fand es selbstständig den Weg zum anderen zurück. Dies muss das Resultat von Gedankenübertragung gewesen sein.

    Ein amerikanischer Forscher baute ein Ameisenhaus und versiegelte es sorgfältig von außen. Nach einer Weile stellte der Forscher fest, dass andere Ameisen sich außerhalb des Amei- senhauses angesammelt hatten. Bei näherer Betrachtung stell- te sich heraus, dass sich die Ameisen auf der Außenseite der Wand genau an der Stelle befanden, wo sich andere Ameisen im Inneren angesammelt hatten. Das Experiment wurde dann an einem anderen Ort wiederholt und man kam zum selben Ergebnis. Aus diesen Beispielen wird deutlich, dass die Über- tragung von Gedanken überwältigende Kraft hat.

    Vom Heiligen ProphetenSAW wird berichtet, dass er Allah siebzig Mal um Vergebung und um Schutz vor schlechten Ein- flüssen bat, wenn er in einer Gesellschaft saß.47 Dies bedeutet nicht, dass er fürchtete, unrein zu werden, sondern nur, dass Propheten nicht einmal in der Nähe von Schmutz sein möchten. Er rezitierte also das istiġfār, damit der Schmutz fernbliebe. Ein weiterer Grund hierfür war, dass sich in der Gruppe Menschen befanden, die selbst zwar nicht unrein waren, aber leicht von Unreinheit beeinflusst wurden. Er suchte Allahs Schutz auch für diese, damit sie vor schlechten Einflüssen bewahrt blieben.


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    47 Sunan Ibn Māja, Kitābu l-Adab, Bābu l-Istiġfār.


    Sündhafte Zustände


    Zur Bekämpfung der Sünde ist es notwendig, sündhafte Zustände zu identifizieren. Daher werde ich sie im Folgenden erläutern:



    Zustände von rechtschaffenen Taten


    Parallel zu den sündhaften Zuständen haben wir die fol- genden Zustände rechtschaffener und guter Taten:



    Es gibt sogar noch höhere Grade von rechtschaffenen Zu- ständen, nämlich die Ränge des Prophetentums. Sie sind aller- dings ein Geschenk Gottes und können nicht durch individuel- les Streben erreicht werden.

    Ich habe bereits erklärt, dass menschliches Handeln, wel- ches Mitmenschen betrifft, aḫlāq (Moral) genannt wird. Wenn es jedoch Gott betrifft, spricht man von Spiritualität. Dies be- deutet, dass moralische und spirituelle Krankheiten nach dem gleichen Prinzip behandelt werden können. Daher halte ich es nicht für notwendig, die Behandlung beider Arten von Krank- heiten separat zu erläutern. Genauso wenig gibt es hier Raum, um die Behandlungen darzulegen, die von anderen Religionen oder Sufis geschildert werden. Daher möchte ich zu der obigen Einführung nichts hinzufügen.

    Nun werde ich nach meinem Verständnis die praktische Behandlung der Sünde im Lichte der Lehren des Islam schil- dern.


    Praktische Behandlung von Sünden


    Der Islam behandelt Sünden nicht erst, nachdem sie began- gen wurden. Der Schwerpunkt wird auf Prävention und nicht auf Heilung gelegt. Der Islam stellt die Frage: Was kann getan werden, um Sünden überhaupt zu vermeiden? Es besteht kein Zweifel darin, dass die Anwort auf diese Frage der Schlüssel für die Behandlung von Sünden ist. Ist es nicht klüger, die erfor- derlichen Vorkehrungen vorzunehmen, so dass ein Kleidungs- tück gar nicht schmutzig wird, anstatt es im Nachhinein zu rei- nigen? Dies ist ohne Zweifel der beste und wichtigste Schritt. Im Gegensatz zu anderen Religionen lehrt uns der Islam nicht nur, was getan werden muss, nachdem eine Person gesündigt hat, sondern er lehrt uns auch, was zu tun ist, wenn die Sünde noch nicht entstanden ist und was getan werden kann, um zu verhindern, dass sie entsteht.

    Es ist bedauerlich, dass obwohl der Heilige Qurʾan und ebenso viele muslimische Gelehrte diesem Thema immer wie- der Aufmerksamkeit geschenkt haben, das muslimische Volk die wichtige Tatsache ignoriert, dass die Wurzeln der Sünde in einer Person entstehen, lange bevor sie die Pubertät erreicht hat. Wenn man über jemanden sagt, dass er ein sündhaftes Le- ben führt, bedeutet es, dass der Samen der Sünde, der lange zu- vor in ihm gesät wurde, nun zu einem Baum herangewachsen ist. Es ist nicht möglich, dass ein Baum ohne einen Samen ent- steht. Vergleichbar ist die Sünde keine plötzliche Erscheinung. Falls die Anlage zur Sünde nicht zuvor vorhanden war, woher kommt sie dann im Erwachsenenalter? Die Samen der Sünde sind in der Tat lange vor der Pubertät gesät und jede Sünde wurzelt bereits vor dem Erwachsenwerden tief im Menschen.


    In bestimmten Fällen fassen einige Sünden sogar bereits vor der Geburt Fuß.

    Wenn die Gelehrten beginnen, sich Sorgen über die schlech- te Moral eines Menschen zu machen, der erwachsen wird, dann ist dieser bereits im festen Griff Satans. Ich sage nicht, dass der Erwachsene sich zu diesem Zeitpunkt schon jedes Übel ange- eignet hat, sondern vielmehr, dass die Neigung und die Kraft zum Bösen Fuß gefasst haben. Wie bereits erläutert, sind die grundlegenden Dispositionen der Materie, aus welcher die Mo- ral geboren wird, begrenzt. Wenn diese Dispositionen in der Kindheit verwüstet werden, wird das Kind nach außen hin zwar sündlos und harmlos scheinen, in der Realität aber wird es alle Kraft und Mittel erlangt haben, um potentiell sündhafte Handlungen zu begehen.

    Denkt nun einmal darüber nach, woher die Sünde kommt! Wird sie nicht vererbt? Der Nachwuchs der Völker, in denen seit Generationen eine bestimmte Disposition oder Gewohnheit vorherrscht, neigt zu diesen. Man kann in einem Volk, das über Generationen nicht mutig gewesen ist, nicht über Nacht Mut entwickeln. Wenn solche Leute auf das Schlachtfeld ziehen, zei- gen sie mit Sicherheit Feigheit. Jedenfalls werden sie nicht den Grad und die Qualität von Mut zeigen, den ein Volk an den Tag legen würde, das seit Generationen mutig ist. Zwar kann man solche Mängel beheben, Erbanlagen üben jedoch zweifellos ei- nen Einfluss aus.

    Sünde entspringt auch aus übermäßiger Gier, Aggression, Angst, Liebe und Begehren. Wenn man hierüber reflektiert, stellt man dann nicht etwa fest, dass ein Kind diese Charak- tereigenschaften in seiner Kindheit lernt? Sind es nicht seine scheinbar harmlosen Gewohnheiten, welche zum Ursprung


    all seiner Sünden werden? Eltern missachten dieses Verhalten mit der Ausrede, dass es bloß ein Kind sei. Sie vergessen, dass sich in der Kindheit Wesenszüge am stärksten fundieren. Eine Person, die als Erwachsener zu stehlen beginnt, hätte davor be- wahrt werden können, wenn ihr in der Kindheit Selbstbeherr- schung gelehrt worden wäre. In ähnlicher Weise wird ein Sol- dat, der vom Schlachtfeld aus Angst vor dem Feind flieht, als feige bezeichnet. Aber was ist mit seiner Mutter, die ihm Feig- heit fördernde Geschichten erzählt hatte, als er noch ein Kind war? Diese Geschichten jagen ihm beim Anblick des Feindes Angst ein.

    Ebenso verhält es sich mit Aggressionen. Eltern achten nicht auf das Verhalten ihres Kindes und deshalb entwickelt sich das Kind im Erwachsenenalter zum Streitsüchtigen.

    Entsteht Sünde nicht etwa auch wegen mangelnder Wil- lenskraft? Und ist es möglich, dass mangelnde Willenskraft ohne Ursache entsteht? Was ist der Grund dafür, dass eine Person lebenslang Vorsätze aufstellt und sie wiederholt bricht, ohne etwas zu erreichen? Mangel an Willenskraft entsteht nicht über Nacht. Diese emotionale Krankheit entsteht allein in der Kindheit. Es gibt keinen anderen Grund dafür, dass ein Mensch ein Laster wahrhaftig aufgeben möchte, sich jedoch nicht in der Lage befindet, dies zu tun. Wenn er gut erzogen worden wäre, sollte ihm ein einfacher Hinweis genügen, das Richtige zu tun und das Schlechte zu unterlassen.


    Behandlung von Sünden


    Nun werde ich erläutern, wie man seine Nachkommen vor dieser Erkrankung schützen kann. Die erste Tür, durch die die Sünde ihren Weg zum Menschen findet, ist der Einfluss der Ge-


    danken der Eltern in der Phase vor der Geburt. Zunächst muss die Tür zu schlechten Gedanken geschlossen werden. Wenn man für seine ungeborenen Kinder Gutes will, dann müssen die eigenen Gedanken rein bleiben. In dem Fall, dass die Ge- danken nicht jederzeit rein gehalten werden können, bietet der Islam folgende Lösung an, um zumindest den Nachwuchs bis zu einem Grad vor vererbbaren Sünden zu schützen. Mann und Frau sollten während des Geschlechtsaktes von Allah Fol- gendes erflehen:

    انت

    قْ زرامن

    طیْ ش

    لاب

    نّ جون

    طیْ ش

    لاان

    بْ نّ ج

    مَ ھُ ّٰللَاھ

    ّللام

    سْ ِب

    „Im Namen Allahs. O Allah, schütze uns und die Nach- kommenschaft, die Du uns schenkst, vor Satan.“48


    Dieses Gebet ist keine magische Beschwörung, noch ist es ein Zauber. Es ist auch nicht obligatorisch, dass die arabi- schen Worte des Gebets rezitiert werden. Man kann Folgendes auch in der Muttersprache aufsagen: „O Allah, Sünde ist eine Schlechtigkeit, bewahre uns vor ihr und schütze unsere Kinder vor ihr.“ Dieser Gedanke wird wie eine Wand zwischen dem ungeborenen Kind und den Einflüssen Satans wirken. Der Hei- lige ProphetSAW äußerte, dass das Kind, welches unter Einfluss dieses Gebetes geboren wird, frei von satanischen Auswirkun- gen sein wird.

    Manche Leute werden sich wundern und sagen, dass sie dieses Gebet gesprochen hätten, aber nicht das erwartete Re- sultat eintraf. Zu diesem Missverständnis kommt es, da diesen


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    48 Ṣaḥīḥ al-Buḫārī, Kitābu t-Tauḥīd, Bābu s-Suʿāl bi-Asmāʿi llāh taʿālā wal- Istiʿāḏa bi-hā.


    Menschen die richtige Intention des Gebets fehlte. Sie sprechen es als eine Art Zauberspruch. Zweitens schützt dieses Gebet nicht vor allen Sünden, sondern nur vor solchen, die vererbt werden können.

    Nach dem Erwerb der Veranlagung zur Sünde beginnt ein Kind eine Neigung zur Sünde in seiner frühen Kindheit zu ent- wickeln. Der Islam hat dies auf folgende Weise zu verhindern geboten: Der Heilige ProphetSAW erklärte, dass die Erziehung eines Kindes sofort nach der Geburt beginnt. Ich glaube sogar, wenn es möglich wäre, hätte er gesagt, dass die Erziehung be- reits im Mutterleib beginnt. Da dies allerdings nicht möglich ist, legte er fest, dass mit der Erziehung unmittelbar nach der Geburt begonnen werden sollte. Demzufolge sollte gemäß dem Heiligen ProphetenSAW in das Ohr jedes Kindes sofort nach der Geburt der aḏān49 aufgesagt werden.50 Die Worte des ʾAḏān sind keine magische Beschwörung. Unter anderem verdeutlicht die- ser Akt den Eltern, dass die Erziehung des Kindes von nun an beginnt.

    Neben dem aḏān befahl der Heilige ProphetSAW, den Kin- dern von Kindheit an gute Umgangsformen und Respekt zu lehren. Er zeigte uns in dieser Hinsicht sein praktisches Vor- bild, indem er seinen Angehörigen Respekt lehrte. Es wird zum Beispiel berichtet, dass er seinem Enkel Imām Ḥasanra in seiner Kindheit beim Essen den folgenden Rat erteilte. Der Heilige

    ProphetSAW sagte zu ihm:

    كیْ ِلَیاّممِ لكوكن

    یْ می

    ِبلك



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    49 Als aḏān (arabisch: ناذأ bezeichnet man den islamischen Gebetsruf. [Anm.

    d. Ü.]

    50 „Kanzu l-ʿUmmāl fī Sunani l-Aqwāl wa-l-Af ʿāl Band 1,“ (Aleppo: 1977), S.599.


    „Iss mit deiner rechten Hand und iss von dem, was vor dir liegt!“51


    Hadhrat Imām Ḥasanra war zu dieser Zeit etwa 2½ Jahre alt. Wenn bei uns zu Lande ein Kind mit seiner Hand im Topf he- rumwühlt, zu viel Essen in den Mund nimmt und dabei nicht auf die Kleidung seiner Nachbarn achtet, sehen die Eltern bloß tatenlos zu und amüsieren sich dabei. Wenn überhaupt, wird ein milder Tadel erteilt, der nicht zum Ziel hat, das Kind zu belehren, sondern den Anderen Rücksicht vorzuspielen.

    Ich möchte ein weiteres Ereignis aus dem Leben des Heili- gen ProphetenSAW berichten. Einst nahm Hadhrat Imām Ḥasanra in seiner Kindheit eine Dattel aus den Almosen, um sie zu ver- zehren. Sobald der Heilige ProphetSAW dies bemerkte, holte er die Dattel mit seinem Finger aus seinem Mund heraus.52 Er beabsichtigte damit, ihn darin zu unterweisen, dass er als Er- wachsener für seinen eigenen Lebensunterhalt verantwortlich sein muss, anstatt für andere eine Last zu werden.

    Kurz gesagt, prägt die Erziehung in der Kindheit das zu- künftige Leben eines Menschen. Folglich sagte der Heilige Pro-

    phetSAW: َ

    ۃِ رطف

    ّ ُ

    لایلعدّ لَوْ ُیْاَ لإِ دٍ وْ َلوْ مَ َ نْ ُ م

    امَ

    ہِناسج

    میوأہٖ ِنارَ ص

    نُیوأہٖ ِنادوِّ ھُیھاوَ َبأف

    „Jedes Kind wird gemäß der Natur des menschlichen We- sens geboren. Seine Eltern erziehen ihn zu einem Juden, Christen oder Feueranbeter.“53



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    51 Ṣaḥīḥ al-Buḫārī,Kitābu l-Aṭʿima, Bāb Tasmiya ʿAla ṭ-Ṭaʿām wa-l-Akl bi-l-Yamīn.

    52 Ṣaḥīḥ al-Buḫārī, Kitabu z-Zakat, Bābu Mā Yuzkaru Fī aṣ-Ṣadaqati Li-Nabiyyisaw

    53 Ṣaḥīḥ al-Buḫārī, Kitābu l-Ǧanāiz, Bāb Iḏā Aslama ṣ-Ṣabiy fa-Māta.


    Ebenso erziehen Eltern ihre Kinder zu Muslimen oder Hin- dus. Mit dem Hadith ist nicht etwa gemeint, dass das Kind in der Pubertät von seinen Eltern in einer Kirche christlich getauft wird. Die Bedeutung des Hadith ist, dass ein Kind in Wort und Tat seine Eltern als Vorbild nimmt und folglich die Religion sei- ner Eltern annimmt. Das Kind ist aus Gewohnheit ein Imitator. Wenn die Eltern ihm kein angemessenes Vorbild sind, wird es in anderen Menschen ein Vorbild suchen, welchem er folgen kann.

    Einige sind der Auffassung, dass Kindern gestattet sein sollte, ein zügelloses, freies leben zu führen. Manche Leute sind der Ansicht, dass Kinder, wenn sie erwachsen werden, schon selbst Ahmadis werden würden. Ich bin der Meinung, dass dies eintreten würde, wenn kein anderer Ton das Ohr des Kindes und kein anderer Anblick seine Augen erreichen würde. In die- sem Fall würde er auch ohne Anleitung im Erwachsenenalter ein Ahmadi werden. Kinder sind allerdings Einflüssen jeglicher Art ausgesetzt. Das Kind lernt stetig dazu. Sein Charakter wird davon geprägt, was er hört und sieht. Wenn Engel nicht mit dem Kind kommunizieren, dann ist es sicher, dass Satan zu sei- nem Gefährten wird. Wenn gute Dinge die Ohren des Kindes nicht erreichen, werden schlechte Dinge sie sicherlich erreichen und er wird folglich schlecht.

    Wenn ihr eure Kinder vor Sünden bewahren wollt, dann stellt ihnen einen Schutz zur Verfügung, wie in einem Schutz- lager. So könnt ihr der Erkrankung an Sünden entgegenwirken und die zukünftigen Generationen schützen.


    Wege zur guten Erziehung


    Nun erläutere ich einige Methoden für eine gute Erziehung:


    1. Sobald ein Kind geboren wird, ist der erste Schritt in seiner Erziehung den aḏān in seine Ohren zu rufen. Ich habe diesen Punkt schon zuvor angesprochen.

    2. Ein Kind sollte immer sauber sein und es sollte unmit- telbar nach jedem Stuhlgang und jedem Urinieren ge- reinigt werden. Einige werden behaupten, dass dies die Verantwortung der Mütter sei. Dies ist richtig, jedoch muss dies zunächst den Männern verständlich sein, damit Frauen es verinnerlichen. Es ist die Pflicht der Männer, den Frauen zu vermitteln, dass ein unreines Kind keinen sauberen Geist haben kann. Leider wird dieser Sache nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt. Frauen machen sich in dieser Hinsicht manchmal einer groben Fahrlässigkeit schuldig. Wenn während einer Zusammenkunft ein Kind seine Notdurft verrichten muss, lassen sie ihm diese einfach über einen Lappen machen und entsorgen diesen Lappen nicht einmal sorgfältig. Es ist nicht unüblich, dass bäuerliche Frau- en aus der Umgebung von Qadian einen Schuh hierfür unsachgemäß gebrauchen und die Exkremente rück- sichtslos wegwerfen. Wie kann die innere Reinheit des Kindes gewährleistet werden, wenn man nicht erst auf die äußere Sauberkeit achtet? Wenn jedoch das Kind im Äußeren sauber ist, wird dies auch einen positiven Einfluss auf seinen Geist ausüben und er wird folglich auch innerlich rein werden, denn er wird immun gegen Sünden sein, die durch Unsauberkeit verursacht wer-


      den. Medizinische Forschung bezeugt, dass ein Kind anfänglich eine Sünde begeht, weil es schmutzig ist. Schmutz reizt die Genitalien, welche das Kind dann reibt. Dadurch findet es Gefallen daran und wird sich seiner Sexualität bewusst. Es kann vor sexuellen Sün- den zu einem großen Umfang bewahrt werden, wenn es sauber gehalten wird und ihm nach und nach gesagt wird, dass dieser Bereich gewaschen werden muss, um ihn sauber zu halten. Diese Erziehung muss von Beginn an einsetzen.

    3. Ein Kind sollte zu bestimmten Zeiten Nahrung zu sich nehmen. Dies wird die Gewohnheit der Selbstbeherr- schung in ihm verankern und ihn vor einer Reihe von Sünden schützen. Mangelnde Selbstbeherrschung ver- anlasst Übel wie Diebstahl und Raub etc. Ein solcher Mensch verfügt nicht über die Fähigkeit, Versuchungen zu widerstehen. Der Grund hierfür ist, dass die Mutter jederzeit bereit ist, das Kind zu stillen, sobald es schreit. Dies sollte man unterlassen. Säuglinge sollte man zu geregelten Zeiten stillen und älteren Kindern sollte man angewöhnen zu geregelten Zeiten zu essen. Nahrung zu geregelten Zeiten zu sich zu nehmen fördert folgen- de gute Gewohnheiten:

      • Pünktlichkeit

      • Selbstbeherrschung und Unterdrückung von Begierden

      • Gesundheit

      • Gewohnheit der Zusammenarbeit: Diese Kinder sind in der Regel nicht egozentrisch und egoistisch, da sie ler- nen, mit anderen zusammen zu essen.

      • Genügsamkeit: Die Kinder gewöhnen sich nicht an Ver- schwendung. Ein Kind, welches jederzeit nach Essen


    greifen kann, wird einen Teil davon essen und einen Teil verschwenden. Wenn es jedoch in Maßen und zu festen Zeiten isst, eignet es sich die Gewohnheit an, da- mit zufrieden zu sein, was es zu essen bekommt, ohne eine Tendenz zur Verschwendung zu entwickeln.

  4. Ein Kind sollte daran gewöhnt werden, Stuhlgänge zu regelmäßigen Zeiten zu verrichten. Dies ist sehr hilf- reich für seine Gesundheit. Ein noch größerer Vorteil liegt darin, dass sein Körper dadurch Pünktlichkeit lernt. Die Organe gewöhnen sich daran und man ver- spürt den Drang nur zu regelmäßigen Zeiten. Einige Europäer können sogar die Uhrzeit anhand der Darmtä- tigkeit feststellen, da sie nur zu festen Zeiten den Drang verspüren. Regelmäßiger Stuhlgang ist für ein Kind in- sofern notwendig. Ein Kind, das Regelmäßigkeit erlernt hat, kann sich zudem besser an Gebete und an das Fas- ten gewöhnen. Es lernt auch, nationale Pflichten nicht aufzuschieben. Es hat sein Temperament unter Kont-


    rolle. Die Hauptursache für ein ungebührliches Tem- perament ist Unregelmäßigkeit, insbesondere die Un- regelmäßigkeit in Essgewohnheiten. Ein Bespiel hierfür wäre ein Kind, das zu sehr im Spiel vertieft ist und die Mutter, die es zum Essen ruft, nicht wahrnimmt. Spä- ter, wenn es den Hunger nicht mehr aushalten kann, kommt es. Die Mutter muss nun das Essen für ihn auf- wärmen. Aus Ungeduld schreit und regt sich das Kind auf und reagiert mit einem Wutausbruch.

  5. Das Essen sollte in einer bestimmten Menge serviert werden. Dies wird dem Kind Genügsamkeit lehren und Begierden entgegenwirken.

  6. Ein Kind sollte eine abwechslungsreiche und ausge- wogene Ernährung erhalten. Es sollte sowohl Fleisch als auch Gemüse und Obst essen, denn Ernährungsge- wohnheiten beeinflussen die Moral und eine Vielfalt von Lebensmitteln ist notwendig für eine vielfältige Moral. Es sollte jedoch während der Kindheit mehr Gemüse als Fleisch verzehren, da Fleisch das Gemüt in Unruhe versetzt, die Kindheit aber möglichst ruhig ver- laufen sollte.

  7. In der Wachstumsphase sollten einem Kind spielerisch verschiedene Aufgaben gestellt werden. Es sollte aufge- fordert werden, ein Gefäß zu holen, einen Gegenstand abzustellen oder jemandem etwas zu reichen etc. Man sollte einem Kind aber auch Zeit für sich zum Spielen geben.

  8. Einem Kind sollte beigebracht werden, Vertrauen in sich zu haben. Wenn es zum Beispiel um etwas bittet, das es gerade sah, dann sollte ihm gesagt werden, dass es bis zu einem bestimmten Zeitpunkt warten soll-


    te. Das Verstecken des Gegenstands ist keine Lösung, denn es wird dieses Vorbild imitieren und sich daran gewöhnen, heimlich Sachen zu stehlen.

  9. Ein Kind sollte nicht zu sehr verwöhnt werden. Zu viele Liebkosungen sind nicht angebracht. Wenn ein solches Kind in einer Gesellschaft sitzt, erwartet es, geliebt zu werden. Dies mündet in einer Reihe von moralischen Lastern.

  10. Eltern sollten Selbstopfer erbringen. Wenn das Kind aufgrund einer Krankheit etwas Bestimmtes nicht essen darf, sollte diese Sache weder ins Haus geholt werden noch sollte sie von den Eltern verzehrt werden. Sie soll- ten dem Kind sagen, dass sie ebenfalls auf den Verzehr dieser Sache verzichten. Das Kind wird dadurch Selbst- aufopferung erlernen.

  11. Höchste Sorgfalt ist erforderlich, wenn ein Kind an einer Krankheit leidet. Laster wie Feigheit, Egoismus, Verdrießlichkeit, fehlende emotionale Kontrolle etc. sind oft die Folge einer längeren Krankheit. Manche Kinder suchen ständig die Aufmerksamkeit von anderen. Andere schreien Passanten an und rufen: Kannst du nicht sehen? Bist du blind? Dieser Zustand entwickelt sich daraus, dass man über eine längere Zeit hinweg krank gewesen ist. Da man versucht dem Patienten während seiner Krankheit Komfort zu bieten, kommt es nach einiger Zeit dazu, dass er einen Anspruch darauf zu erheben sucht.

  12. Kindern sollte man keine Horrorgeschichten erzählen. Dies fördert Feigheit. Wenn sie erwachsen werden,


    werden sie keinen Mut haben. Wenn ein Kind eine Ten- denz zur Feigheit zeigt, sollten ihm Geschichten über Mut erzählt werden und es sollte mit Kindern spielen, die mutig sind.

  13. Man sollte einem Kind nicht erlauben, seine Freunde selbst auszuwählen. Diese Wahl sollte von den Eltern getroffen werden. Sie sollten dabei vor allem auf das Niveau ihrer Moral schauen. Die Eltern werden auch von dieser Regelung profitieren. Sie werden die Eltern der Kinder kennenlernen, die ebenfalls eine hohe Mo- ral besitzen. Es wird dazu führen, dass die Eltern sich gegenseitig unterstützen. Wenn die Eltern selbst die Spielkameraden auswählen, werden sie auch auf den moralischen Fortschritt dieser Kinder achten.

  14. Einem Kind sollten verantwortungsvolle Aufgaben ge- mäß seinem Alter zugewiesen werden. Dies wird dazu beitragen, dass es ein Verantwortungsbewusstsein ent- wickelt.

    Einer berühmten Erzählung zufolge hatte ein Vater zwei Söhne. Er gab einem von ihnen einen Apfel und bat ihn, diesen mit seinem Bruder zu teilen. Der Vater fragte, ob er wisse, wie man den Apfel teilt. Das Kind verneinte dies. Daraufhin erklärte der Vater ihm:

    „Wer teilt, sollte die kleinere Hälfte nehmen und seinem Bru- der die größere Hälfte geben.“ Dazu sagte der Junge, dass in diesem Fall der Apfel besser von seinem Bruder ge- teilt werden sollte. Dies zeigt, dass dieser Junge bereits die schlechte Gewohnheit des Egoismus erworben hat- te, denn er wusste, dass wenn die Verantwortung auf ihn fiele, er seinen Bruder würde bevorzugen müssen. Spiele wie Fußball etc. sind eine nützliche Übung für


    diesen Zweck. Während des Spiels sollte man jedoch immer wachsam sein, dass das Kind sich keine schlech- ten Gewohnheiten aneignet. Im Falle einer Meinungs- verschiedenheit unterstützen die Eltern in der Regel ihr eigenes Kind und versuchen die Anderen davon zu überzeugen. Dies führt dazu, dass das Kind eigensinnig wird.

  15. Man sollte dem Kind nahelegen, dass es rechtschaffen und gut ist. Der Heilige ProphetSAW sagte: „Flucht nicht mit einem Kind, denn wenn ihr flucht, fügen die Engel hinzu: Lasse es so sein und so wird es.“

    Dies bedeutet folglich, dass die Engel die Fol- gen der Handlungen bestärken.Wenn ihr einem Kind sagt, es sei schlecht, entwickelt es ein Bild seiner selbst, in dem es sich schlecht darstellt und dann in der Tat auch schlecht wird. Daher sollte man ein Kind nicht be- schimpfen. Man sollte ihm stattdessen gute Manieren angewöhnen und ihn loben.

    Heute Morgen kam meine Tochter zu mir, um mich nach einer Münze zu fragen. Als ich ihr die Münze geben wollte, streckte sie ihre linke Hand aus. Ich sagte ihr, das sei nicht richtig. Auf meinen Hinweis sah sie ih- ren Fehler ein und versprach, ihn nicht zu wiederholen.

  16. Einem Kind sollte nicht erlaubt werden, eigensinnig und trotzig zu sein. Wenn es auf etwas beharrt, sollte seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes gelenkt wer- den. Später sollte die Ursache für sein hartnäckiges Ver- halten verfolgt und beseitigt werden.

  17. Man sollte das Kind höflich ansprechen. Kinder imi- tieren das Verhalten ihrer Umgebung. Wenn man es auf unhöfliche Weise anspricht, wird es auf die gleiche


    Weise antworten.

  18. Man sollte vor dem Kind weder lügen noch arrogant oder mürrisch sein, sonst wird es auch dies lernen. Oft lehren die Eltern dem Kind das Lügen. Die Mutter macht etwas in der Anwesenheit des Kindes. Wenn der Vater jedoch danach fragt, bestreitet sie, es getan zu ha- ben. So lernt das Kind zu lügen. Ich meine damit sicher- lich nicht, dass Eltern in der Abwesenheit des Kindes lügen dürfen. Ich meine damit, dass, wenn sie solche Übel schon nicht dauerhaft unterlassen können, sie so etwas zumindest nicht in der Gegenwart der Kinder tun sollten, so dass wenigstens die nächste Generation davon verschont bleibt.

  19. Das Kind sollte vor jeglichen Rauschmitteln geschützt werden. Rauschmittel schwächen die Nerven des Kin- des und es wird folglich zu einem Lügner. Ein Drogen- abhängiger gewöhnt sich daran, jedem blind zu folgen. Ein Verwandter von Hadhrat Khalifatul Masih

    IRA war drogenabhängig und nicht im Geringsten inte- ressiert an Religionen. Einmal brachte er einen Jungen mit sich und behauptete, ihn nach seinem eigenen Cha- rakter prägen zu wollen. Hadhrat Khalifatul Masih IRA bat ihn, dieses Vorhaben zu unterlassen und ihn nicht zu verderben. Er fuhr indes damit fort. Hadhrat Khali- fatul Masih IRA rief den Jungen schließlich zu sich und überredete ihn, einen Beruf zu erlernen, anstatt un- vernünftig zu sein und diesem Mann Gesellschaft zu leisten. Das brachte den Jungen zum Nachdenken und er verließ den Mann. Nach einer Weile brachte dieser Verwandte jedoch einen anderen Jungen und forder- te Hadhrat Khalifatul Masih IRA auf, zu wagen, diesen


    Jungen zu „verderben“. Seinem verzogenen Geist zu- folge hieß „verdorben sein“, dass der Junge von ihm getrennt werde. Hadhrat Khalifatul Masih IRA belehrte ihn auf jede erdenkliche Art. Er bot ihm sogar Geld an, damit er ein kleines Unternehmen gründen konnte. Er wollte dennoch nicht auf ihn hören. Dies überraschte ihn und er fragte seinen Verwandten, was er mit dem Jungen getan habe. Er sagte: „Es ist einfach, ich versorge ihn mit Rauschmitteln. Jetzt verfügt er nicht über die Wil- lenskraft, mich zu verlassen.“ Kurzum, die Abhängigkeit von Rauschmitteln tötet die Tatkraft.

    Lügen ist das schlimmste von allen moralischen Übeln. Ein Kind sollte vor allem dagegen geschützt wer- den. Die Angewohnheit zu lügen hat eine Vielzahl von Ursachen, von denen einige sehr subtil sind. Bestimmte Ursachen können ein Kind zum Lügen verleiten. Man- che Kinder sind sehr einfallsreich. Alles, was sie hören, schmieden sie in ihren Gedanken zu einer „Realität“ zusammen.

    Eine meiner Schwestern erzählte, als sie noch ein Kind war, jeden Tag einen langen Traum. Wir wunder- ten uns wie es dazu kam, dass sie jeden Tag einen so langen Traum hatte. Später stellte sich heraus, dass sie die Gedanken, die ihr durch den Kopf gingen, als sie sich schlafen legte, als Träume wahrnahm. Alles, was das Kind denkt, nimmt es allmählich als Realität wahr, was dazu führt, dass es sich nach und nach angewöhnt zu lügen. Demnach sollte man einem Kind lehren, den Unterschied zwischen Fakt und Fiktion zu realisieren. Ein Kind kann vor der Gewohnheit des Lügens ge- schützt werden, wenn ihm das Wesen der fiktiven Ge-


    danken deutlich gemacht wird.

  20. Man sollte Kinder davon abhalten, in Einsamkeit zu spielen.

  21. Man sollte sie nicht unbekleidet lassen.

  22. Man sollte den Kindern angewöhnen, sich ihre Fehler immer einzugestehen. Hierzu könnten die folgenden Methoden hilfreich sein:

  23. Man sollte einem Kind ein wenig Taschengeld geben. Dies wird ihm drei Tugenden lehren:

  24. Kindern sollte man etwas geben, das sie gemeinsam besitzen. Zum Beispiel sollte ihnen ein Spielzeug ge- geben werden und gesagt werden, dass es ihnen allen gemeinsam gehört, dass alle damit spielen können und niemand versuchen sollte, es zu beschädigen. Dies wür- de sie lehren, gemeinsames Eigentum zu schützen und im Erwachsenenalter konsequent nationales Gut nicht zu beschädigen.

  25. Dem Kind sollte man von Zeit zu Zeit auch Sitten und gesellschaftliche Umgangsformen lehren.

  26. Der körperlichen Fitness und Ausdauer eines Kindes sollte man auch notwendige Beachtung schenken. Dies ist sowohl für seine moralische Erziehung als auch für den weltlichen Fortschritt gleichermaßen hilfreich.


Die vier Eigenschaften des moralisch gut erzogenen Kindes


Angesichts der oben erläuterten Definition von Moral und Spiritualität kann ein Kind nur dann als gut erzogen gelten, wenn es die folgenden Eigenschaften besitzt:


  1. Es sollte seinem Wesen nach moralisch gut sein und über Spiritualität verfügen.


  2. Es sollte in der Lage sein, andere positiv zu beeinflus- sen.

  3. Es sollte in der Lage sein, das Leben gemäß den Regeln der Jamaat zu führen.

  4. Es sollte reine Liebe zu Gott in sich tragen, eine Liebe, die jede andere Form der Liebe übersteigt.


Wie kann bestimmt werden, ob ein Kind den richtigen Standard in diesen Merkmalen erreicht hat?


  1. Der Standard der ersten Eigenschaft ist erreicht, wenn:


  2. Der Standard der zweiten Eigenschaft ist erreicht, wenn:


  3. Der Standard der dritten Eigenschaft ist erreicht, wenn:


  4. Die Kriterien für die vierte Charakteristik sind wie folgt:



Nach der Erziehung eines Kindes stellt sich nun die folgen- de Frage: „Wie kann man die Sündhaftigkeit, die ein Kind angenom- men hat, beseitigen?“ Diese Frage werde ich morgen beantwor- ten.


Teil II


Ansprache vom

28. Dezember 1925


Am zweiten Tag der jährlichen Versammlung begann Seine Heiligkeit die Ansprache mit diesen Worten:

ھَلكْیرِ ش

اَلھٗ د

حوھّللااَّلإِ ھَ

ٰلإِ اَّلنَْ َأد

ھشْ َأ

ھُلوْ س

روَ َ ھٗ دبْ عادً ٰ مَّ َحمنَ

أدَُ َ ھشأو

مِ یْ ج

رلانط

یْ شلان

مھّللاِبذ

وْ ع

أفدعْ َبامَ

أ 54


Anschließend rezitierte er folgende Verse aus dem Heiligen

Qurʾan:

نمٰ حر

لا﴾۲ۙ ﴿نۡیمِ َلعٰ ۡلابّ

رھّلٰ ِلدمۡ َحلۡ َا﴾۱﴿مِ یۡ ح

رلان

مٰ حر

لاھّللام

سِب

اَندہاِ ﴾۵﴿ۡ ن

ۡیۡ عِ َتسۡ َ نکاَ َّیاِ ودبعۡ َنَ کاَّیاِ َّ ﴾۴﴿ن

ۡید

لامِ وۡ َیكِلم

ۡ﴾۳﴿َ مِ یۡ حرلا

بوۡ ض

غملار

یغ۬ۙمۡ ِہیلعتَ ّ مۡ عَ َّ ۡنانَۡیذ

لاطارَ ص

﴾۶﴿مَ یۡ قتس

ملاطارَ صلا

﴾۷﴿نیِلآضلاالو

مۡ ِہیلع 56


Dann fuhr er folgendermaßen fort:


Gestern litt ich an Husten. Daher ist meine Stimme nach



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54 „Ich bezeuge, dass niemand anbetungswürdig ist außer Allah, dem Einzigartigen, der keinen Partner hat, und ich bezeuge, dass Muhammad Sein Diener und Gesandter ist. Ich suche Zuflucht bei Allah vor Satan, dem Verworfenen.“ [Anm. d. Ü.]

55 „Im Namen Allahs, des Gnädigen, des Barmherzigen. Aller Preis gehört Allah, dem Herrn der Welten, dem Gnädigen, dem Barmherzigen, dem Meister des Gerichtstages. Dir allein dienen wir und zu Dir allein flehen wir um Hilfe. Führe uns auf den geraden Weg, den Weg derer, denen Du Gnade erwiesen hast, die nicht (Dein) Missfallen erregt haben und die nicht irrege- gangen sind.“ (al-Fātiha, 1:1-7) [Anm. d. Ü.]


der gestrigen Rede und der heutigen Ansprache an die Frauen heiser geworden. Unsere Freunde sollten jedoch nicht besorgt sein. Meine Stimme wird Sie, so Gott will, erreichen.

Bevor ich mich wieder dem Hauptthema zuwende, möchte ich euch dazu aufrufen, die Bedeutung, die im Gedenken Al- lahs liegt, wahrhaftig zu verinnerlichen. Denkt daran, dass ihr euch hier nicht versammelt habt, um einen Jahrmarkt zu besu- chen. Ihr kommt hierher, um Allahs zu gedenken. Deshalb ist es auch wichtig, die Ehrerweisung, die mit dem Gedenken Allahs verbunden ist, einzuhalten.

Ich muss jedoch mit Bedauern feststellen, dass einige die- se Ehrerweisung nicht einhalten. Sie kommen und gehen will- kürlich aus dem Jalsa Gah (Versammlungsplatz) und sind mit sinnloser Plauderei beschäftigt. Mir ist bewusst, dass nicht alle Besucher dieser Versammlung Ahmadis sind. Eine bedeutende Anzahl von etwa 800 bis 1000 Teilnehmern besteht aus Nicht- Ahmadis. Sie sind nicht daran gewöhnt, Ansprachen mit an- haltender Aufmerksamkeit zuzuhören. Infolgedessen bleibt eine Mehrheit von ihnen dauernd in Bewegung. Aus Erfahrung wissen wir jedoch, dass sie nicht die einzigen sind, die sich in Bewegung halten, sondern dass einige Ahmadis hinausgehen, um ihren Nicht-Ahmadi-Brüdern die Botschaft der Ahmadiyy- at auf ihre eigene Weise zu vermitteln. Man sollte jedoch beach- ten, dass man in Glaubenssachen vor allem zunächst sich selbst gegenüber verpflichtet ist.

Hadhrat Abū BakrRA berichtet, dass der Heilige ProphetSAW sagte: „Wenn deine eigene Rechtleitung gefährdet ist, dann widme dich erst ihr, auch wenn der andere irregeht.“56 Sein Eigentum und


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56 Die diesem Thema am nahesten liegende Hadith, die wir gefunden haben, ist von Hadhrat ʿAbdullāh ibn ʿAmr ibn al-Āṣ in Sunan Abī Dāʾūd, Kitābu


sein Leben kann man zwar für seinen Glauben opfern, den Glau- ben jedoch würde ein Gläubiger auch gegen den Reichtum der ganzen Welt niemals tauschen. Wenn jemand also die Sitzung wegen einer dringenden Aufgabe verlassen muss – und dies kann durchaus vorkommen, beispielsweise, wenn jemand die Notdurft verrichten muss –, so kann er in diesem Fall gehen. Er sollte allerdings wieder zurückkommen, sobald er diese Auf- gabe erledigt hat. Man kann nie wissen, wann der schicksalhaf- te Moment kommt, um den man sich sein Leben lang bemüht hat. Ein Wort zu solch einer Stunde könnte einen Ungläubigen zum Gläubigen und einen Satanischen zum Himmlischen um- wandeln. Schaut euch die Begebenheit um Hadhrat ʾUmarRA an! Er leistete anfangs erbitterten Widerstand gegen den Hei- ligen ProphetenSAW. Er wurde jedoch von einer einzigen, zufäl- lig gehörten Aussage völlig verwandelt. Er nahm sich vor, den Heiligen ProphetenSAW zu ermorden, stellte jedoch zu seinem Leidwesen fest, dass seine eigene Schwester zum Islam bekehrt worden war. Er ging zu ihrem Haus und hörte, dass dort der Heilige Qurʾan rezitiert wurde. Wütend stürzte er hinein und begann, seinen Schwager zu verprügeln. Als die Schwester ver- suchte, ihren Mann zu schützen, erlitt auch sie eine Verletzung, woraufhin Hadhrat ʾUmarRA Reue zeigte. Darauf fragte seine Schwester: ʾUmar, bist du etwa wütend auf uns, weil wir nun an einen Gott glauben?“ Diese Frage erschütterte Hadhrat ʾUmarRA gründlich und er bat seine Schwester, ihn hören zu lassen, was sie rezitiert hatten. Die Schwester forderte ihn auf, sich erst zu reinigen. Nachdem er sich gewaschen hatte, wurde ihm der Heilige Qurʾan rezitiert. Die Rezitation rührte ihn so tief, dass er in Tränen ausbrach. Daraufhin machte er sich unverzüglich auf


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l-Malāḥim, Bābu l-Amr wa-n-Nahī berichtet worden. [Anm. d. Ü.]


den Weg zum Heiligen ProphetenSAW und klopfte an seine Tür. Als ersichtlich wurde, dass Hadhrat ʾUmarRA an der Tür klopfte, wurden einige von denen, die sich im Haus befanden, miss- trauisch und meinten, dass die Tür besser nicht geöffnet werde, da Hadhrat ʾUmarRA barsch sei und jemandem Schaden zufü- gen könnte. Hadhrat Ḥamzara verkündete jedoch: „Wenn ʾUmar mit böser Absicht gekommen ist, dann tragen auch wir Schwerter mit uns.“ Der Heilige ProphetSAW erlaubte Hadhrat ʾUmarRA schließ- lich hereinzukommen. Als der Heilige ProphetSAW ihn sah, frag- te er ihn: ʾUmar, wie lange wirst du mir noch Widerstand leisten?“ Hadhrat ʾUmarRA erwiderte: „Mein Herr, ich bin gekommen, um Ihnen zu Diensten zu stehen.“57 Denkt darüber nach, wie Hadhrat ʾUmarRA rechtgeleitet wurde! Hätte er seine Schwester nicht in diesem Moment besucht, wäre er möglicherweise sein Leben lang ohne Glauben geblieben. Ihr habt ein ganzes Jahr zur Ver- fügung, um euch zu entspannen. Man sollte sich daher bemü- hen, an diesen wenigen Tagen auf diese Art das Wort Gottes zu hören und keinen Augenblick zu verschwenden.

Eine zweite Sache möchte ich ansprechen: Wie ich gestern schon sagte, arbeite ich derzeit an der Übersetzung des Heili- gen Qurʾans. Durch die Gnade Gottes wurde die Übersetzung von der Sura al-Baqara am 20. Dezember abgeschlossen. Ich hoffe, dass der erste Band, welcher die ersten sieben und ein- halb Teile des Heiligen Qurʾans umfasst, im kommenden Jahr veröffentlicht wird. Es ist mein Wunsch, dass unsere Freunde für dessen Erfolg beten. Ich bitte Sie, auch für mich zu beten; dass ich in der Lage sein werde, diese Aufgabe zu erledigen, ohne dass irgendeine Hürde im Weg steht und ich der heiligen Pflicht gerecht werde und die Übersetzung und Tafsīr (Exegese)


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57 as-Sīra an-Nabawiyya li-ibn Hišām, unter: Islamu ʿUmar ibn al-Ḫaṭṭāb.


unseren Freunden zur Verfügung stellen kann.

Es gibt noch eine weitere Sache, welche ich erwähnen möchte. Gestern wies ich auf die finanziellen Schwierigkei- ten der Jamaat hin. Heute möchte ich hinzufügen, dass diese Schwierigkeiten uns nicht in Unruhe versetzen sollten, denn sie sind auch ein Zeichen für die Wahrhaftigkeit dieser Jamaat.

Das erinnert mich an einen französischen Schriftsteller, der schreibt:


„Ich habe Dutzende von Büchern gelesen, die Muhammad- SAW als einen Lügner stigmatisieren. Was ist jedoch mit den Büchern, die mir das folgende Bild von ihm darbieten: Darin finde ich MuhammadSAW unter denjenigen, die arm, unzivilisiert und ungebildet sind. Er sitzt in einer kleinen, aus Lehm gebauten Kammer, die als „Moschee“ bekannt ist. Ihr Dach besteht aus groben Palmenblättern. Wenn es regnet, tropft so viel Wasser auf den Boden, dass man sich während des Gebets im Wasser niederwerfen muss. Er befindet sich unter Leuten, von denen keiner so viel Kleidung besitzt, um sich vollständig zu bedecken. Doch siehe da, der ProphetSAW sucht ihren Rat darüber, wie die Welt erobert werden soll! Und tatsächlich erobert er dann auch die Welt.“


Er sagt weiter:


„Wenn ich mir, mit diesem Bild im Bewusstsein, auch Hunderttausende abfällige Bücherseiten anschaue, so ver- blassen sie in schierer Bedeutungslosigkeit.“


Genauso verhält es sich mit dem Verheißenen MessiasAS. Hätten die Herrscher und Könige ihn sofort akzeptiert, nach- dem er verkündete, dass er von Allah als Prophet beauftragt


wurde, so wäre es schwierig, nachzuweisen, dass sein nachfol- gender Erfolg ein Akt Gottes gewesen ist. Es würde vielmehr als ein Akt der Herrscher und Könige gesehen werden. Doch als er seinen Anspruch auf das Prophetentum erhob, wandten sich all seine Freunde und Verwandte gegen ihn. Maulvī Muḥammad Ḥussain Baṭālavī, welcher sein größter Freund und Verehrer war, sagte über ihn, dass er geistig verwirrt sei. Er behauptete, dass er den Verheißenen MessiasAS zu diesem Rang befördert hätte, und dass er ihn nun auch degradieren würde. Muslimi- sche Gelehrte aus der gesamten Welt leisteten dem Verheiße- nen MessiasAS Widerstand. Man erließ Fatwas gegen ihn, von muslimischen Gelehrten aus sowohl arabischen als auch nicht- arabischen Ländern. Gänzlich isoliert behauptete er sich gegen diesen massiven globalen Widerstand, wohlwissend, dass er allein ist, keinen Anhänger hat und die ganze Welt sich gegen ihn richtet. Doch wie konnte er auch folgende, von ihm deutlich vernommenen Worte Gottes ignorieren:

روا گا ےکر لقبو سےا ا� لن ک نہ لقبو سےا

نے �ن د پر �آ �ی ن


�ا م

ن د’’

‘‘۔گا ےدکر �ظا ئیسچا کی سا

سے ںحملو روآ روز ے


„Ein Warner erschien auf der Welt, doch die Welt erkannte ihn nicht an. Allah wird ihn jedoch anerkennen und seine Wahr- haftigkeit mit mächtigen Angriffen offenbaren.“ 58


Wie konnte er diese Stimme ignorieren? Zur damaligen Zeit war sowohl die Regierung als auch die allgemeine Bevölkerung


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58 Hadhrat Mirza Ghulam Ahmad QadianiAS, „al-Barāhīn al-Aḥmadiyya: Teil IV,“ in Rūḥānī Ḫazāʾin: Band I, (London: Islam International Publications Limited, 2009), S. 665.


ihm gegenüber feindlich gesinnt. Er war allein auf der einen Seite und der Rest der Welt war auf der anderen. Mit welchem Ergebnis? Genau in dieser Versammlung sitzen allein schon so viele, die von ihm in den Bann gezogen worden sind und es gibt mehrere Hunderttausende andere, die hier nicht anwesend sind.

Letztes Jahr, bei meinem Besuch in Syrien, sagte ein renom- mierter Schriftsteller aus Damaskus, der auch als ein Reformer der arabischen Literatur gilt, höhnisch zu mir: „Versuchen Sie nicht, die Bücher von Mirza Ghulam Ahmad Ṣāhib[as] hierzulande zu veröffentlichen, denn sie enthalten eine Reihe von Fehlern. Wenn die Menschen diese Fehler entdecken, werden sie sich eine schlech- te Meinung über ihn bilden.” Ich erwiderte: „Gut, ich bin hier vor ihnen und werde Sie nicht verlassen, bis ich ihre Einwände nicht wi- derlegt habe. Ich lade Sie ein, so viele Einwände gegen die Schriften des Verheißenen Messiasas zu erheben, wie Sie können und ich werde jeden einzelnen widerlegen.“ Daraufhin antwortete er: „Ich sym- pathisiere mit ihnen, daher möchte ich Sie nicht herausfordern.“ Da- raufhin sagte ich wiederum: „Sie müssen, wenn Sie können.“ Er antwortete: „Nein, Sie werden dadurch einen Verlust erleiden.“ Ich sagte zu ihm: „Wenn wir Schwindler sind, ist es Ihre Pflicht, uns herauszufordern. Wenn wir jedoch wahrhaftig sind, wird Ihre Kritik uns nicht schaden, sondern zum Vorteil werden.“ Er konnte schließ- lich keinen Einwand vorbringen. Er merkte jedoch nebenbei an, dass die Araber niemals einen Inder als den Verheißenen Mes- siasAS akzeptieren würden. Ich erwiderte: „Ich werde hierzulande eine Mission gründen und wir werden dadurch die Jamaat etablieren. Sie sind willkommen, alles zu unternehmen, was sie können, um uns zu stoppen.“ Planmäßig sollte mein Besuch in Syrien nur etwa fünf Tage dauern, aber durch Allahs Allmacht erlebten wir eine überraschende Wende. Am Vorabend meiner Abreise aus Da-


maskus ließ mir ein Gelehrter des Arabischen, Persischen und Türkischen um 22 Uhr eine Nachricht zukommen. Er teilte dar- in Folgendes mit: „Ich warte seit dem Morgen darauf, Sie zu treffen. Scheinbar werde ich diese Möglichkeit nicht bekommen. Daher möchte ich ihnen durch diese Nachricht meinen Glauben an den Verheißenen Messiasas mitteilen. Sie können mich als Missionar einsetzen, wohin Sie auch mögen.“

Nun ist bereits unsere Delegation dort angekommen und durch sie ist auch eine Jamaat etabliert. Auch der Herr, der zu- vor gesagt hatte, dass die Araber die Botschaft der Ahmadiyyat nicht akzeptieren würden, hat eine Nachricht gesandt: er wol- le nicht negativ in Erinnerung bleiben und lässt daher wissen, dass er uns gegenüber nie wieder Widerstand leisten werde.

Lassen Sie sich daher von ihrer Armut und Mittellosigkeit nicht abschrecken. Jeder, der glaubt, dass Armut und Schwäche ein Hindernis für unseren Erfolg wären, ist des Širks schuldig, denn er denkt, dass er es ist, der der Jamaat zum Erfolg verhel- fen wird. Jemand, der sich als nutzlos sieht, ist ebenfalls schul- dig, denn er beschuldigt den allwissenden Gott, einen Fehler begangen zu haben, indem Er eine nutzlose Person als Sein In- strument für eine spirituelle Revolution ausgewählt hat. Wer würde einen Soldaten, der sich mit einer beschädigten Waffe oder einem gebrochenen Schwert dem Feind stellt, als einen gu- ten Soldaten bezeichnen? Wie kann dann jemand nutzlos sein, den Gott selbst ausgewählt hat, um Seiner Jamaat zu dienen? Er hat in der Tat eine Funktion zu erfüllen. Wen Gott auserwählt hat, ist nicht verachtenswert, sondern allein er ist ehrenhaft.

Ein Häuptling von Medina verkündete vor 1300 Jahren, dass der angesehenste Bewohner Medinas den Verachtens- wertesten, womit er, Gott bewahre, den Heiligen ProphetenSAW


meinte, aus Medina vertreiben würde.59 Mit Bezug auf ihn sagt Allah: „Er sagt, die Ehre gebühre allein ihm. Die Wahrheit jedoch ist, dass jede Ehre darin besteht, den Gesandten Gottes zu akzeptieren.“60 Das Ergebnis seiner Prahlerei war, dass sein eigener Sohn zum Heiligen ProphetenSAW kam und sagte: „O Gesandter Allahs! Ich habe gehört, in welcher Weise mein Vater sich geäußert hat. Dafür hat er die Todesstrafe verdient. Ich bitte jedoch, dass das Vollstrecken seiner Hinrichtung mir alleine überlassen wird und keinem anderen. Denn ich fürchte, dass mich andernfalls Satan hinterher gegen diese Person aufhetzen könnte.“61

Als er diese Worte seines Sohnes hörte, muss er den wah- ren Wert seiner „Ehre“ begriffen haben.62

Stellt nicht die Unzulänglichkeit eurer Mittel, eures Wis- sens oder eurer Stellung in den Mittelpunkt. Die Mittel, wel- che die Jamaat zur heutigen Größe aufgebaut haben, waren im Vergleich zu unseren derzeitigen Mitteln viel unzureichender. Wenn sie damals in der Lage waren, mehreren Hunderttausend Menschen zu verhelfen, der Jamaat beizutreten, warum können mehrere Hunderttausend heute nicht Millionen Menschen an die Jamaat heranbringen.

Neulich sah ich in einem Traum, dass ich eine Freitagsan- sprache hielt. Darin sagte ich, dass wir auf die Gesundheit un- serer Kinder achten sollten, denn sie werden eine im Vergleich zu uns tausendfache Last tragen müssen. Unsere zukünftigen


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59 Ṣaḥīḥ al-Buḫārī, Kitābu t-Tafsīr, Tafsīr Sura al-Munāfiqūn, Bāb Qawluhū Yaqūlū- na la-ʾin-Raǧaʿnā ʾilā-l-Madīnati la-Yuḫriǧanna l-ʾAʿazzu minhā l-ʾAḏall.

60 al-Munāfiqūn, 63:9. [Anm. d. Ü.]

61 Ibn al-Aṯīr, Usudu l-Ġāba fī Maʿrifati ṣ-Ṣaḥāba, Band 3, (Beirut: Dār Aḥyāʾu t-Turāṯ al-ʿArabī, 1377 NH), S. 197.

62 Der Leser sei darauf hingewiesen, dass dieser Junge seinen Vater letztend- lich nicht töten durfte, da der Islam keine weltliche Strafe für die Schmähung des Heiligen ProphetenSAW vorsieht. [Anm. d. Ü.]


Generationen werden miterleben, wie die Großmächte der Welt akzeptieren müssen, dass niemand die Ahmadiyyat zer- stören kann. Das wird Gott jedoch nicht genügen. Er wird die Jamaat immerzu vermehren, bis die Welt eingesteht, dass allein die Ahmadiyyat der einzig wahre Glaube ist. Zu der Zeit, als der Verheißene MessiasAS nicht einen einzigen Anhänger hatte, kündigte er an, dass Allah ihm versprochen habe, dass seine Jamaat solch einen enormen Fortschritt machen werde, dass an- dere Gemeinden im Vergleich zu ihr wie alte Nomadenvölker aussehen werden.63 Einige werden heute, andere morgen oder übermorgen an ihn glauben. So wird die Jamaat von Tag zu Tag an Größe und Kraft zunehmen. Die Armen und die Rei- chen, die Bürgerlichen und die Aristokraten, die Herrschenden und Beherrschten, alle werden sie an den Verheißenen Messia- sAS glauben, bis auf der ganzen Welt allein die Ahmadiyyat als Jamaat übrigbleiben wird. Andere Glaubensrichtungen werden vor ihrem Glanz so verblassen wie die Sterne vor der Sonne.

Dies sind Worte Gottes, die unweigerlich in Erfüllung gehen werden. Kein weltliches Hindernis, wie groß es auch sein mag, kann unseren Glauben erschüttern. Kein Widerstand kann unsere Hoffnung zum Welken bringen. Wer erlebt hat, wie die Jamaat durch eine einzige Person nun aus Millionen Mitglie- dern besteht, kann seine Hoffnung in die zukünftigen Fort- schritte nicht verlieren. Wir sind nicht so schwach im Glauben, dass wir, nachdem wir hunderttausende himmlische Zeichen gesehen und die Erfüllung unendlich vieler göttlicher Verhei- ßungen erlebt haben, an der spirituellen Eroberung der ganzen Welt zweifeln. Wir sind, ohne Zweifel, schwach und verfügen


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63 Hadhrat Mirza Bashir Ahmad, „Sīratu l-Mahdī Band I“, (Qadian: Naẓārat Našro Išāʿat, 2008), S. 783. [Anm. d. Ü.]


nicht über weltliche Mittel oder Kraft. Es sind jedoch nicht wir, welche die Welt erobern werden, sondern Gott, Der jede Kraft und Macht dazu hat. Deshalb sollten uns Schwierigkeiten und Hindernisse nicht entmutigen. Wir sollten einen unerschütterli- chen Glauben an die Erfüllung der Verheißungen Gottes haben.


Die wahre Reinheit


Nun wende ich mich dem Hauptthema zu. Gestern been- dete ich die Ansprache mit dem folgenden Punkt: Wie kann ein Mensch die Mittel erreichen, durch welche sein Herz und seine Seele rein bleiben und er im Erwachsenenalter sich von Sünden fernhalten und guten Taten nachgehen kann?

Die Antwort auf diese Frage lautet, dass die menschliche Natur vielfältig ist. Manche sind sehr gut gesinnt und manche weniger gut. Daher kann man nicht jeden Fall pauschal behan- deln. Die gleiche Therapie kann nicht auf jeden angewandt wer- den. Selbst bei einer körperlichen Beschwerde kann nicht jeder Patient der gleichen Behandlung unterzogen werden. Nehmen wir den Fall einer Erkältung. Für manch einen kann eine Tasse Tee eine sofortige Linderung bewirken. Im Fall eines anderen kann ein gesüßter Joghurt hilfreich sein. Es gibt wiederum an- dere, bei denen eine langzeitliche ärztliche Behandlung erfor- derlich ist. Es gibt jene, die ärztlichen Rat in Anspruch nehmen können, während bei anderen medizinische Experten überfragt sind. Was ist der Grund dafür? Die Antwort ist einfach. Un- terschiedliche Menschen leiden unter unterschiedlichen Krank- heiten. Daher benötigen sie auch unterschiedliche Arten von Behandlungen. Dasselbe gilt für andere Bereiche des mensch- lichen Lebens. Zwischen Menschen bestehen Unterschiede. Dieser Unterschied menschlicher Natur muss daher bei der


Verschreibung einer Behandlung berücksichtigt werden. Nach dem gleichen Prinzip werde ich jetzt erörtern, wie Sünden ver- mieden werden können.

Zunächst betrachten wir den Typus, der frei von Rost ist und in der Lage ist, von seiner Vernunft Gebrauch zu machen und stets im Lichte derselben seine Taten zu vollbringen.

Es sollte klar sein, dass im Islam Reinheit nicht nur bedeu- tet, dass man nur schöne Dinge spricht und bloß gute Taten vollbringt, sondern dass die eigentliche Reinheit vielmehr die des Herzens ist. In Gottes Augen kann eine Person nicht als rein gelten, solange sie nicht ein reines Herz besitzt. Das heißt, dass auch ein Mensch, der überhaupt keine Sünden begeht, nicht als rechtschaffen und rein bezeichnet werden kann, wenn in sei- nem Herzen eine Vorliebe für das Böse vorhanden ist und er es genießt, über Sünden zu reden. Rein ist er, wenn auch sein Herz nicht duldet, in einer Sünde verwickelt zu sein. Zum Beispiel gibt es Personen, die zwar gewohnheitsmäßig wütend werden, aber keine Schimpfwörter benutzen. Ihre innere Stimme ver- flucht jedoch ihren Gegner als einen Schurken und Unheilstifter etc. Solche Menschen können wir nicht als rein bezeichnen. Wir können über sie lediglich sagen, dass sie ihre innere Unreinheit erfolgreich verstecken können. Im Islam bedeutet Reinheit die Reinheit des Herzens. Das Handeln und die Zunge sind bloß Werkzeuge und Mittel, die nur die äußere Reinheit zeigen kön- nen. Allah sagt im Heiligen Qurʾan:

ؕھّللا ہ

ِبمک

بۡ ساَحی

ھُ وۡ ف

خۡ ت

وۡ َامک

سفۡنَا یۤ فام

اوۡ د

بۡ ُتن

اِ و


„...und ob ihr das, was in eurem Gemüt ist, kundtut oder verborgen haltet, Allah wird euch dafür zur Rechenschaft ziehen.“64


Das bedeutet, dass der innere Zustand des Herzens, abge- sehen davon, ob er zum Ausdruck gebracht wird oder verbor- gen bleibt, der göttlichen Prüfung unterliegt; wenn man da- her Schlechtes im Herzen hegt, wird man dafür sicherlich zur Rechenschaft gezogen werden. Gott hat an dieser Stelle einen wunderbaren Punkt zur Sprache gebracht, nämlich, dass die Zunge und das Handeln lediglich den Zustand des Herzens wiedergeben. Der Zustand des Herzens ist es, welcher wahr- haftig einer göttlichen Prüfung unterzogen wird.

An einer weiteren Stelle im Heiligen Qurʾan sagt Allah:

ارۡیخ

اوۡ قفِ ۡناَُ و

اوۡ عُ یۡ ُ طَاواوۡ عُ مَ ساو

مۡ ُتعۡ طتسا ام

ُ ھّللااوقُ َّتاَف

﴾۷۱﴿نوۡ ُحل

فۡ مُ ۡلامہك

ئِ ٰٓلواَف ہس

فۡ َنحَ ش

قوۡ ُّینم

وؕم

کسفۡنَاِّل 65


Dies bedeutet, dass man alle guten Taten vollbringen, aber gleichzeitig auch das Herz reinigen soll. Denn ein Herz, wel- ches unrein ist, wird für seine Unreinheit zur Rechenschaft ge- zogen werden.


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64 2:285.

65 „So fürchtet Allah, soviel ihr nur könnt, und höret und gehorchet und spendet: es wird für euch selbst besser sein. Und wer vor seiner eignen Hab- sucht bewahrt ist - das sind die Erfolgreichen.“ (64:17)


Wie kann eine schuldlose Person von Sünden bewahrt werden?


Nach der Erläuterung, dass die Reinheit des Herzens die wahre Rechtschaffenheit ist, werde ich nun die drei Wege zei- gen, die eine Person vor Sünden bewahren, dessen Herz nicht bereits verrostet ist:


  1. Die Person muss rechtschaffene Taten und üble Werke erkennen können. Das Herz mag zwar jemanden zum rechten Handeln drängen, aber wenn die Person nicht weiß, was gute Werke sind, wie kann sie ihnen dann nachgehen? Ebenso könnte sie das Herz zwar gegen das Böse warnen, aber wenn sie nicht weiß, dass eine bestimmte Handlung böse ist, kann sie sich gegen solch eine Handlung nicht schützen. So ist es unerlässlich, dass man weiß, was man tun bzw. unterlassen sollte. Es reicht nicht aus, bloß die Fähigkeit zu haben, etwas zu tun oder nicht zu tun. Zum Beispiel bemüht sich je- mand außerordentlich, seinem Freund etwas Gutes zu tun. Aber wenn sein Freund nicht sagt, was ihn glück- lich macht, vermag er nicht, etwas Konstruktives zu unternehmen. Daher ist an erster Stelle das Wissen von rechtschaffenen und bösen Werken von größter Bedeu- tung.

  2. Eine solche Person muss wissen, wann gute Hand- lungen zu unternehmen und schlechte Handlungen zu vermeiden sind. Es ist vergleichbar damit, seinem Hausdiener zu bitten, Möbel in einem bestimmten Raum einzurichten. Er mag sehr aktiv und bemüht sein, aber ihm wurde lediglich so viel gesagt, dass er


    die Möbel einrichten soll. Wenn er jedoch nicht weiß, wohin jedes Stück platziert werden soll, könnte es sein, dass er Tische an Stelle von Stühlen und Stühle an Stelle von Tischen platziert. Das Gleiche würde für eine Per- son gelten, die nicht weiß, zu welcher Gelegenheit eine gute Handlung zu unternehmen oder eine schlechte zu unterlassen ist. Daher ist es wichtig, dass man die pas- senden Gelegenheiten für verschiedene Handlungen kennt.

  3. Diese Person sollte sich über die üblen Dinge, die sie vermeiden möchte, bewusst sein. Wie kann eine Krank- heit geheilt werden, wenn man sie gar nicht kennt? Ei- ner spirituellen Behandlung kann man auch erst nach- gehen, wenn man weiß, welche Schwächen man hat und welche guten Dinge einem fehlen. Dann erst kann man sich gute Dinge aneignen und böse vermeiden. Wenn das Herz nicht durch Finsternis verdorben ist und der Rost der Sünde sich nicht in den Geist eingefressen hat, wird man nach dem Aneignen der oberen Erkenntnisse zu einer rechtschaffenen Person. Man kann sich nicht behandeln, wenn man seine Schwächen nicht kennt. Je besser man eine Krankheit kennt, desto leichter wird die Behandlung.


    Nun werde ich die oben erwähnten drei Methoden der Be- handlung etwas näher erläutern. Ich fange zunächst mit dem Wissen von guten und bösen Handlungen an.

    Ich habe eine Reihe von Menschen kennengelernt, welche die Fähigkeit besitzen, gut zu sein, denen aber die Kenntnis fehlt über gut und schlecht. Daher stellen viele Menschen, so-


    wohl Frauen als auch Männer, die folgenden Fragen:


    1. Führen wir ein rebellisches und boshaftes Leben?

    2. Fügen wir anderen Unrecht zu?

    3. Haben wir unterschlagen, was Anderen gehört?

    4. Lügen wir?

    5. Sind wir Ehebrecher?


Wenn nicht, können Sie auf irgendeine andere Sünde hin- weisen, die wir begangen haben?

Nach ihrer Auffassung ist jemand, der nur die oben er- wähnten fünf Sünden nicht begeht, gleichgestellt mit jeman- dem, der sündenfrei ist. Sie bezeichnen diese fünf als die ein- zigen Sünden gemäß der Scharia und geben vor, dass es keine anderen Sünden gäbe. Tatsache ist, dass es eine lange Kette von Sünden gibt, welche sich zu Hunderten aneinanderreihen. Angesichts der begrenzten Zeit ist es nicht möglich, sie alle zu besprechen. Außerdem gibt es auch Sünden, die jenseits des menschlichen Verständnisses liegen. Der Heilige ProphetSAW war der einzige Mensch, der Kenntnis jeder möglichen Sünde besaß. Es gab andere, denen dieses Wissen zu einem gewissen Grad vermittelt wurde. Es gab jedoch niemanden, noch kann es möglicherweise jemanden geben, der so viel Wissen besitzt wie der Heilige ProphetSAW.

Einmal erklärte ich einem Freund in einer Vision, dass die Vernachlässigung von Sport auch eine Sünde sei. Im alltägli- chen Umgang bezeichnen wir dies zwar nicht als Sünde, aber wenn es um eine Person geht, von der das Leben von hundert- tausend anderen Menschen abhängt, dann wäre es sündhaft von derselbigen, wenn sie nicht gut auf ihre Gesundheit achten würde.


Wer könnte mutiger sein als der Heilige ProphetSAW? Doch es wurde, während Kriege stattfanden, ständig für seine Sicher- heit Wache gehalten. Ebenso wurden bei seinem Aufenthalt not- wendige Sicherheitsvorkehrungen vorgenommen. Ein Kritiker könnte sagen, dass er seine eigene Sicherheit über die Sicherheit von anderen stellte. Was der Heilige ProphetSAW jedoch tat, war genau richtig und notwendig, denn von seinem Leben hing das Leben der ganzen Welt ab. Ohne ihn wäre der Islam nicht in der Welt etabliert worden. Daher ist für einige das Wohlbefinden und die Aufrechterhaltung guter Gesundheit eine rechtschaffe- ne Handlung und es wäre eine Sünde, dies zu vernachlässigen. Ash-Sheikh ʿAbd ul-Qādir Ǧīlānī schreibt in einem seiner Bü- cher: „Ich befinde mich manchmal in einem Zustand, in dem ich nicht esse und keine neue Kleidung anziehe, bis Gott mich auffordert: ‚ʿAbd ul-Qādir, steh auf und iss um Meinetwillen oder trag dieses Gewand, um Mir zu gefallen!‘“66 Dies weist daraufhin, dass Menschen seines Ranges selbst ihren täglichen Verrichtungen nur dann nachgehen, wenn Gott will, dass sie diese erledigen. Denn sie

unternehmen alles um Gottes Willen.

Es gibt viele Stadien von Sünden und ihre Merkmale än- dern sich mit der Veränderung der betroffenen Person. Mysti- ker drücken es folgendermaßen aus: Sie sagen, dass die Sünden der Gottesmenschen den rechtschaffenen Handlungen der ge- wöhnlichen Leute entsprechen.67


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66 Ash-Sheikh Muḥammad ibn Yaḥyā at-Tādifī al-Ḥanbalī, Qalāʾidu l-Ǧawāhir fī Manāqibi Ash-Sheikh ʿAbdu l-Qādir al-Ǧīlānī (Ägypten: al-Maṭbaʿatu l-ʿĀmira al- ʿUṯmāniya, 1313 NH), S. 36.

67 Aḥmad Sarhindī, Maktūbāt Muǧaddid Alf Sāni, Maktūb Bist va Chahārom, (Srina- gar: ʿAllāma Iqbāl Bücherei der Kaschmir Universität) Manuskript Nr. 6133. [Anm.

d. Ü.]


Überblick über Sünden


Jetzt werde ich einen groben Überblick über die Sünden ge- ben.


  1. Individuelle Sünden: Sie beeinflussen unmittelbar den Menschen selbst.

  2. Sünden, die nicht nur die betroffene Person anbelangen bzw. beeinflussen, sondern auch andere Personen.

  3. Sünden, welche das gesamte Volk betreffen: Sie sind Sünden im Kontext des Zustandes eines Volkes.

  4. Sünden, die sich auf Gott beziehen:


Überblick über rechtschaffene Handlungen


Dem stehen ebenfalls vier Arten von guten Werken gegen- über:


  1. Persönliche Tugenden: Sie beeinflussen unmittelbar den Betroffenen.

  2. Gute Werke, die nicht nur die betroffene Person anbe- langen bzw. beeinflussen, sondern auch andere Perso- nen.

  3. Gute Werke, die das ganze Volk betreffen und in Bezug auf das gesamte Volk als solche bezeichnet werden.

  4. Gute Werke, die sich auf Gott beziehen.


Individuelle Laster


Es gibt Laster, derer man nur durch Offenbarung bewusst werden kann. Hier indes werde ich nur jene individuellen Un-


tugenden grob erläutern, die besonders offenkundig sind. Ziel ist es, sich dieser größten Laster bewusst zu werden, so dass man dazu befähigt wird, sich vor ihnen zu schützen. Es handelt sich hierbei um:


  1. Arroganz, d.h. die eigene Person für etwas Großes zu halten: Jemand, der glaubt, ein besonderer Mensch zu sein, hindert sich daran, Reinheit zu erlangen.

  2. Niederträchtigkeit, d.h. sich an eitlen Plätzen aufhal- ten, dort Zeit verschwenden oder verachtenswerten Beschäftigungen nachgehen: Auch dies zählt zu den persönlichen Untugenden und ist ein Hindernis zum spirituellen Fortschritt, bis ein Mensch sich selbst und seine Beschäftigung nicht ändert.

  3. Unüberlegtheit, d.h. eine Tätigkeit unüberlegt und eilig erledigen: Den Schaden trägt der Ausführende selbst.

  4. Argwohn, d.h. jemanden für eine schlechte Person hal- ten: Selbst, wenn man dies bis zum Tode nie äußert, handelt es sich dennoch um eine Sünde.

  5. Verbotene Liebe: Auch wenn sie verheimlicht wird und niemandem gegenüber geäußert wird, ist sie ein Laster.

  6. Böswilligkeit: Die Absicht hegen, jemandem zu scha- den, auch wenn die Absicht nicht praktisch umgesetzt wird.

  7. Feigheit: Das Aufkeimen von Feigheit im Herzen ist eine Sünde – unabhängig davon, ob irgendwann die Gelegenheit entsteht, diese zum Ausdruck zu bringen.

  8. Neid: Für jemand anderen einen Verlust erhoffen und sich danach sehnen, durch denselbigen selbst berei- chert zu werden.

  9. Ungeduld: Im Falle von Schwierigkeiten aufgeben und


    nicht mehr im Stande sein, den auferlegten Verpflich- tungen nachzugehen.

  10. Ambitionslosigkeit, d.h. statt großer Ziele sich kleine Ziele setzen: Diese schlechte Eigenschaft führt zu gro- ßem Unheil. Vor allem für Könige und Anführer führt dies zu Katastrophen. Denn durch ihre Mutlosigkeit wird auch ihre Gefolgschaft ambitionslos. Welch son- derbaren Aspekt hat der Verheißene MessiasAS in fol- gendem Vers zur Darstellung gebracht:

    ت

    ؐحمدا ےر�ی ےمقسم ہی کی منہ ے� )...(. 68

    نے ہم �ھا� گےآ مقد سے ھنے� ے�


    „Ich schwöre in deinem Antlitz, mein geliebter Ahmad, nur in Folge Deines Voranschreitens haben wir uns vorwärts bewegt.“69


    Das heißt, dass durch den Fortschritt des Hei- ligen ProphetenSAW der eigene Fortschritt ermöglicht wurde. Insofern gilt Ambitionslosigkeit für Anführer wie für die Bevölkerung als große Sünde.


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    68 Die Auslassungspunkte (…) sollen darauf hinweisen, dass beide Verse aus verschiedenen Verspaaren desselben Gedichtes genommen zu sein scheinen.

    Die originalen Verspaare sind wie folgt:

    نےہم�ٹھاارب�س

    ت ی سےطرخای�ین ؐحمداےر�ی ےمی قسمہیکین منہے�

    سے نےبھڑ ے� سلر � ےا ہی سے تجھ مما � ئےہو ہم

    نے ہم �ھا�ب گےٓا مقد

    69 Hadhrat Mirza Ghulam Ahmad Qadiani, „Āina Kamālāt-e Islam,“ in Rūḥānī

    Ḫazāʾin: Band V, (London: Islam International Publications Limited, 2009), S. 225-226. [Anm. d. Ü.]


  11. Anbiedern, d.h. sinnlos Geschichten erfinden, lediglich um andere zufriedenzustellen: Bei Bediensteten von Führern ist dieses Laster oft zu sehen.

  12. Undankbarkeit: Hiermit ist das Fehlen von Wertschät- zung der Wohltat eines anderen Menschen gemeint.

  13. Mangelnde Beständigkeit: Mangelnde Beständigkeit liegt vor, wenn eine Sache begonnen, vor ihrer Vollen- dung jedoch bereits abgebrochen wird.

  14. Trägheit: Wegen ihr kann ein Mensch erst gar keine Tä- tigkeit verrichten.

  15. Nachlässigkeit.

  16. Leugnen der Wahrheit.

  17. Fehlender Mut, die Wahrheit zu sprechen.

  18. Unangebrachte Zierlichkeit: Das heißt, dass jemand, der keine Empfindlichkeit an den Tag legen sollte, dies dennoch tut oder jemand derart zierlich ist, dass er un- fähig wird, etwas zu tun.

  19. Ignoranz: D.h. nicht nach Wissen zu streben

  20. Gier: Dieser zu verfallen ist ebenfalls ein Laster.

  21. Prahlerei: Etwas aus dem Antrieb tun, dass es andere sehen.

  22. Verwünschen: Im Herzen jemandem Schaden wün- schen

  23. Schnell entmutigt sein, d.h. angesichts einer schwieri- gen Lage alles fallen lassen: Dies ist insbesondere ein Laster von Führern.

  24. Gefallen an Schlechtem: Etwas Schlechtes nicht als sol- ches ansehen, ist ebenfalls eine Sünde.

  25. Jeglicher Gebrauch von Rauschmitteln ist ein Laster.


    Alkohol, Opium, Cannabis, Kautabak, Tee und Wasser- pfeifen gehören unter andrem dazu.

    Sicherlich werden einige dieser Produkte als gewöhnliche Lebensmittel im Alltag benutzt, wie z.B. Tee. Aber das Teetrinken wird zu einer Untugend, wenn es zu einer Gewohnheit wird, welche man nicht ohne Schaden an der eigenen Gesundheit ablegen kann. Es mag sein, dass ein Mensch für die Verbreitung des Glaubens eines Tages eine abgelegene ländliche Ge- gend aufsuchen muss. Wenn er nun ein Samowar70 mit- nimmt und für Tee sorgen will, so wird dies eine Last sein, die zu Schwierigkeiten führen wird. Denn der Is- lam will, dass jeder Muslim in gewisser Weise zu einem Soldaten wird, indem er sich sofort dort hinbegibt, wo er hingeschickt wird. Daher verbietet er Gewohnheiten, die eine Erschwernis darstellen können. Den Vorfall eines Paschtunen71 habe ich bereits mehrmals erzählt. Während einer Reise lief sein Kautabak aus. Daraufhin fragte er höchst demütig einen Kaschmiri, ob er Kauta- bak hätte. Als ich dies sah, sagte ich zu den Anderen:

    „Seine Sucht nach Kautabak hat ihn dazu gezwungen, derart demütig zu betteln.“

    Einige der Menschen, die hierher kommen, sind es gewohnt, Wasserpfeife zu rauchen. Dadurch sind sie vieler Vorteile beraubt. In früheren Tagen pflegte ein



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    70 Samowar: Ein kupferner Kessel, in dem Wasser zur Zubereitung von Tee erhitzt und gespeichert wird und aus einem kleinen Hahn entnommen wer- den kann. [Anm. d. Ü.]

    71 Als „Paschtune“ bezeichnet man einen Angehörigen des Volkes der Paschtunen, das überwiegend in Afghanistan und Pakistan ansässig ist. [Anm. d. Ü.]


    Verwandter unserer Familie – der ein erbitterter Feind des Verheißenen MessiasAS war – Besucher, die nach Qadian kamen, irrezuleiten. Er platzierte Sitzgelegen- heiten in seinem Hof und stellte Wasserpfeifen auf. Als die Besucher diese sahen, begaben sie sich dort- hin. Dabei versuchte er, die Besucher irrezuleiten. Er sagte, dass er ein naher Verwandter des Verheißenen MessiasAS sei und ihn dadurch gut kenne: „Wäre auch nur etwas an seinen Aussagen wahr, so hätte ich ihn doch akzeptiert“, pflegte er den Besuchern zu erzählen. So wurden viele Menschen in die Irre geleitet. Einmal be- suchte ein Ahmadi Qadian und ging zu diesem Mann, um Wasserpfeife zu rauchen. Dieser Mann nutzte die Gelegenheit und sprach schlecht über den Verheißenen MessiasAS. Der Besucher schwieg jedoch. Als der Ahma- di still blieb, begann er den Verheißenen MessiasAS aufs Schärfste zu beschimpfen. Auch dann schwieg der Be- sucher. Letztendlich verlor der Mann die Geduld und fragte den Besucher: „Was denkst du? Warum sprichst du nicht?“ Der Besucher antwortete: „Ich denke darüber nach, wie mich die schlechte Gewohnheit des Rauchens zu diesem Ort gebracht hat. Wäre ich kein Raucher gewesen, so wäre ich nicht hierhergekommen und hätte nicht diese Schmach der Beleidigung des Verheißenen Messiasas erleiden müssen.“

    So wie ich es bereits mehrere Male gemacht habe, möchte ich auch jetzt darauf hinweisen, dass das Rauchen eine schlechte Angewohnheit ist. Genauso wie auch andere Rauschmittel in dem gleichen Maße schädlich sind. Man sollte ihren Konsum einstellen. Ei- nige Rauschmittel fördern die Angewohnheit zu lügen. Ich werde sie nicht beim Namen nennen, um jene Per-


    sonen, die sie konsumieren, vor Argwohn zu schützen und ihnen diese Verlegenheit zu ersparen – doch dies ist eine Tatsache. Manche Rauschmittel schädigen die Nerven sehr stark. Daher sollte man sich von jeglicher Gewöhnung an Rauschmitteln fernhalten.

    Ich selbst werde von keiner Sache abhängig. In meiner Kindheit wurde mir während einer Krankheit für ca. sechs Monate durchgehend Opium verabreicht. Meine Mutter erzählte mir, dass an einem Tag die Me- dikation ausgesetzt wurde und dies keinerlei Auswir- kungen auf mich hatte. Darauf sagte der Verheißenen MessiasAS: „Gott hat veranlasst, dass er sich davon lösen konnte, so verabreiche ihm dies nicht mehr.“ Auch heute noch kann ich ohne Schwierigkeiten aufhören, Dinge zu konsumieren, die ich normalerweise regelmäßig zu mir nehme. Dennoch höre ich gelegentlich auf, Tee zu trinken, obwohl in unseren Familien Tee zum Früh- stück serviert wird. Ich tue dies, um zu vermeiden, dass hieraus eine Gewohnheit entsteht. In der Tat sollten Gläubige keine Sucht für irgendetwas entwickeln, auch dies ist ein Übel.

  26. Abschätzig auf andere herabschauen

  27. Feindseligkeit: Auch wenn sie nie öffentlich zum Aus- druck gebracht wird und im Herzen verborgen bleibt, ist sie ein Laster.

  28. Anderen misstrauen: Es verhindert, dass man jeman- dem eine Aufgabe anvertraut.

  29. Habgier: Auch dies ist ein Laster des Herzens.

  30. Übermäßige Trauer: Es bedeutet, dass man dermaßen trauert, dass die Arbeitsfähigkeit im Schwinden begrif- fen ist.


  31. Übermäßige Freude ist auch ein Laster.

  32. Sich in Dinge einzumischen, die einen in keinster Weise betreffen, ist auch eine Untugend.

  33. Geschwätzigkeit: Eine übergesprächige Person redet, ohne vorher nachzudenken.

  34. Gefühllosigkeit bzw. Hartherzigkeit: Mangel an Mitge- fühl und Erbarmen ist auch ein Laster.

  35. Perverse Lust daran, andere zu quälen.

  36. Verschwendung.

  37. Suizid.

  38. Zweckloses Lügen: Lügen ist eines der größten Laster. Dennoch erzählen manche Leute zwecklose Lügen.


    Ich werde nun die Laster darlegen, welche andere Ge- schöpfe betreffen. Sie sind von zweierlei Natur; diejenigen, die mit Mitmenschen zu tun haben und diejenigen, die andere Ge- schöpfe betreffen.


    Ein Freund möchte gerade wissen, wie man das Tabakrau- chen aufgeben kann. Das Tabakrauchen aufzugeben ist verhält- nismäßig schwieriger, als sich dem Opiumgenuss zu widerset- zen. Ich kenne jemanden, der jahrelang Opium konsumiert hat. Als er sich vornahm, den Konsum von Opium einzustellen, warnte ihn sein Arzt, dass er sterben würde, falls er es täte. Er gab jedoch in der Tat diese schlechte Angewohnheit auf. Für ein paar Tage musste er leiden, aber er erholte sich bald. Ich werde diese Frage im späteren Verlauf meiner Ansprache auf- greifen. Ohne den Verlauf des Hauptthemas zu stören, werde ich nur so viel sagen, dass die beste Methode zum Aufgeben darin besteht, das Rauchen einfach aufzugeben!


    Laster, die Mitmenschen betreffen


    Die Laster, welche Mitmenschen betreffen, sind wie folgt:


    1. Respektlosigkeit: Es ist ein Laster, diejenigen Menschen nicht zu respektieren, die Respekt verdient haben.

    2. Verbotener Ausdruck der Liebe

    3. Untreue: Die Hilfe eines Freundes in Anspruch neh- men, wenn jedoch der Freund um Hilfe bittet, die Hilfe verweigern.

    4. Leichtsinn bzw. Einfältigkeit: Jähzorn, freche Anspie- lungen machen, bestrafen, ohne vorher sorgfältig abzu- wägen, leere Drohungen ankündigen.

      Ein Vorfall zweier Hindu-Krämer aus Qadian, den ich schon oft erzählt habe, veranschaulicht den Punkt. Sie waren beide am Streiten. Einer beschimpfte den Anderen. Als Reaktion forderte der Andere seinen Gegner dazu auf, zu wagen, ihn wieder zu beschimp- fen. Er sagte: „Ich werde deinen Schädel brechen, wenn du mich wieder beleidigst.“ Wenn er seinen Schädel wirklich brechen wollte, hätte er ihn auch brechen können, als er das erste Mal beleidigt wurde. Er hätte nicht war- ten müssen, bis er ein weiteres Mal beschimpft werden würde. Doch sie wiederholten das Gleiche immer wie- der. Einer sagte: „Ich werde deinen Schädel zerbrechen, wenn du mich wieder beschimpfst.“ Der Andere er- widerte jedes Mal, als er herausgefordert wurde: „Ich werde dich hundertmal beschimpfen.“ Er wagte es jedoch nicht, den Fluch wirklich zu wiederholen. Zu der Zeit war ich ein achtjähriges Kind. Dieses seltsame Spekta- kel hielt mich dort auf. Ich wartete lange, um zu sehen,


      ob der erste Krämer den Fluch wiederholt und ob der zweite seinen Schädel wirklich zerbricht. Es geschah je- doch nichts. Nach einer Weile zogen sich beide in ihre Geschäfte zurück. Die verbale Schlacht begann jedoch bald wieder, als einer von den beiden den anderen wie- der beschimpfte. Die Auseinandersetzung dauerte eine lange Zeit an, aber es geschah wieder nichts.

      Dies ist Leichtsinn und gleichzeitig auch ein Zei- chen von Feigheit. Zu strenges und maßloses Bestrafen oder zu Schreien beim geringsten Leid sind auch For- men von Leichtsinn.


      Ich habe bereits untersagt, dass während Ansprachen Fra- gen gestellt werden. Da jedoch die Thematik mancher Fragen, die von einigen gestellt werden, von großer Bedeutung ist, hal- te ich es für notwendig, einige der Fragen hier zu beantworten. Ein Freund möchte wissen: „Welche Berufe sind verachtens- wert?“ Der liebe Herr möchte mich durch diese Frage in eine unnötige Kontroverse hineinzwingen, die ich lieber vermeiden möchte. Ich möchte die Frage jedoch auch nicht unbeantwortet lassen. Daher sage ich nur so viel, dass jene Berufe als abscheu- lich verstanden werden können, die den Fortschritt einer Per-

      son verhindern.

      Eine weitere Frage lautet: „Kann einem Raucher die Mitglied- schaft am System des Wasiyyat gewährt werden?“ Dies ist eine sehr komplizierte Frage und ich möchte nicht eine oberflächliche Antwort während meiner Ansprache geben. Daher werde ich auf diese Frage nachher eingehen.

      Eine weitere Frage, die gestellt worden ist, lautet: „Was ist der Unterschied zwischen ṭamaʿ (Habgier) und ḥirṣ (Gier)?“ Ṭama’ bedeutet, dass man sich erhofft, dass eine bestimmte Person


      einem etwas Bestimmtes schenkt. Ḥirṣ ist, etwas zu begehren, unabhängig davon, aus welcher Quelle es stammt.


    5. Beschimpfen: Dies gilt überall als ein Laster. In Punjab ist es jedoch üblich, dass man ein Kind auffordert, je- manden zu beschimpfen. Danach zeigt man Schaden- freude darüber und lacht, als wäre das Fluchen ihrer Meinung nach ein spiritueller Aufstieg. Ich habe solch einen Fall selbst beobachtet.

    6. Laʿnat bzw. Verfluchen.

    7. Jemandem im Gebet etwas Schlechtes wünschen: Ver- fluchen ist etwas Anderes als Schlechtes für ihn zu er- beten. Das erste steht in Bezug auf den geistigen Zu- stand und das zweite in Bezug auf den körperlichen Zustand. Wenn einer sagt, dass jemand sterben soll, betet er dadurch für etwas Schlechtes für diese Person. Wenn er ihn jedoch verflucht, bedeutet dies, dass er sich wünscht, dass sein Herz verdirbt.

      Es gibt jedoch eine Ausnahme in dieser Regel, nämlich wenn ein Fluch von einem Propheten aus- gerufen wird. In einem solchen Fall ist es kein Fluch, sondern ein Ausdruck der Tatsache, dass das Herz des Verfluchten bereits verdorben ist.

    8. Unterschlagung: Rechtswidrige Aneignung anvertrau- ter Gelder bzw. unvollständige Rückgabe anvertrauter Gelder.

    9. Verrat bzw. Preisgabe von Geheimnissen: Es ist ein Las- ter, jemandes Geheimnis preiszugeben. Unter manchen Umständen gibt es jedoch Ausnahmen. Wenn das Be-


      wahren eines Geheimnisses jemandem Schaden zufü- gen könnte, bleibt das Preisgeben dieses Geheimnisses kein Laster mehr. Wenn zum Beispiel jemand weiß, dass einer die Absicht hat, den Anderen zu ermorden, so besteht die Sünde nicht in der Offenlegung, sondern im Bewahren dieses Geheimnisses. Ebenso verhält es sich mit jemandem, der insgeheim versucht, gegen eine Regierung zu konspirieren, sie in Verruf zu bringen oder ihr anderweitig Schaden zuzufügen. Dies muss an die verantwortlichen Behörden gemeldet werden.

    10. Jemandem mitteilen, dass ein anderer über ihn gelästert hat, um dadurch Streit zwischen den beiden zu kreie- ren.

    11. Anderen nicht mit Freundlichkeit begegnen ist auch ein Laster. Denn es verletzt die Gefühle der anderen Person und bricht die Freundschaftsbande.

    12. Unrechtmäßige Parteilichkeit: Dass man sich zum Bei- spiel bei einem Streit zweier Personen zu Gunsten sei- nes Freundes parteiisch verhält.

    13. Betrug.

    14. Geiz.

    15. Unrecht.

    16. Offenkundige Undankbarkeit: Den Gefallen eines an- deren offenkundig zu verleugnen.

    17. Schmutzig bzw. unrein sein.

    18. Fahrlässigkeit.

    19. Streiten.

    20. Unheil stiften.

      Dies sind bekannte Laster. Sie bedürfen keiner Erläuterung.


    21. Lärm verursachen: Das Verursachen von Lärm durch Geschrei in der Öffentlichkeit oder sinnlose Plauderei in einer Versammlung ist auch eine große Untugend, denn es verursacht Störung für Leute, die arbeiten möchten. Ich habe festgestellt, dass Europäer in dieser Hinsicht sehr vorsichtig sind. Sobald die Anwesenden einer Sitzung auf einer Seite still werden, werden die auf der anderen Seite auch still, damit sie die Ruhe der Anderen durch ihren Lärm nicht stören.

    22. Jemanden vorsätzlich Schaden bzw. Leid zufügen.

    23. Zwang.

    24. Raub.

    25. Mord.

    26. Diebstahl: Ich erwartete bereits Fragen zu diesem The- ma. Ein Anwesender bemerkt, dass es in einigen Ge- genden manchmal üblich sei, als einen Ausdruck der Freundschaft, voneinander zu stehlen. Daher ist das Stehlen eine gängige Praxis in manchen Dörfern. Die Antwort auf diese Bemerkung ist, dass Diebstahl trotz sozialer Billigung eine Untugend ist.

    27. Schlägerei.

    28. Einbildung.

    29. Verleumdung anderer oder Rufmord begehen.

    30. Lästern.

    31. Nörgelei: Es gibt einen Unterschied zwischen nörgeln und lästern. Lästern bedeutet, die Fehler einer Person bekannt machen, um sie zu demütigen. Üble Nachre- de: Wenn man etwas Schlechtes über jemanden erfährt, diese der Person zu sagen und so zu einem Streit zwi- schen den Beiden beitragen.

    32. Beschuldigen.


    33. Verachten und öffentlich demütigen.

    34. Jemanden verunglimpfen, so wie es bei uns zulande üblich ist.

    35. Spotten: Sich über jemanden lustig machen, um ihn zu demütigen.

    36. Grimassen schneiden: Besonders Frauen und Jugendli- che bzw. Kinder machen sich dessen schuldig.

    37. Verschwörung: Planen, wie man den anderen Schaden zufügen kann.

    38. Quälen: Einem Lebewesen bewusst Schmerzen zufü- gen, um es leiden zu sehen.

    39. Heftiger Zorn: Wut, die offen zum Ausdruck gebracht wird.

    40. Rachsucht: Heftiges, ungezügeltes Verlangen, sich für etwas zu rächen.

    41. Zahlung von Bestechung.

    42. Annahme von Bestechung.

    43. Etwas mit Zinssatz leihen oder verkaufen.

    44. Zinsen zahlen.


Dies waren einige der groben Laster, die Mitmenschen be- treffen.


Laster, die andere Geschöpfe betreffen


Jetzt werde ich Laster erwähnen, die, abgesehen von Men- schen, andere Geschöpfe betreffen.

Laster, die Engel betreffen, sind wie folgt:


  1. Verzehr von Nahrungsmitteln, die unangenehm rie- chen: Der Heilige ProphetSAW warnte davor, dass der


    Geruch von übelriechenden Lebensmitteln Engel beun- ruhigt. Folglich halten sie sich von der Person fern, die etwas Übelriechendes verzehrt hat.

  2. Ein Hund ohne einen Zweck im Haus zu halten: Der Heilige ProphetSAW sagte, dass Engel kein Haus betre- ten, in dem ein Hund gehalten wird.72


Nun erläutere ich die Laster der Menschen, welche ledig- lich Tiere anbelangen:


  1. Tiere unnötig schlagen.

  2. Arbeitsüberlastung der Tiere: Dieses Laster ist typisch für Bauern. Sie nutzen die Tiere aus, bis sie arbeitsunfä- hig werden. Wenn sie sich dem Tod nähern, verkaufen sie sie an Metzger. Ich möchte damit nicht sagen, dass ihr Schlachten nicht erlaubt sei. Was ich meine, ist, dass es falsch ist, ein Tier durch Arbeitsüberlastung so stark zu schwächen, dass es arbeitsunfähig wird.

  3. Tiere unterernähren und sie gleichzeitig einer größe- ren Belastung auszusetzen: In diesem Laster sind nicht Bauern, sondern Andere verwickelt. Bauern würden lieber selbst verhungern, um stets Futter für die Tiere zu besorgen. Ich mag diese Aussage der Bauern sehr: Angenommen, es herrscht Hungersnot. In diesem Fall würden sie nicht etwa sagen, es gäbe keine Nahrung für sie selbst, sondern sie würden eher sagen, es gäbe kein Futter für die Tiere.

  4. Ein krankes Tier nicht medizinisch behandeln.

  5. Foltern eines Tieres, zum Beispiel durch Brandmarken:


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    72 Ṣaḥīḥ al-Buḫārī, Kitāb Badʾi l-Ḫalq, Bāb Ḏikru l-Malāʾika.


    Der Heilige ProphetSAW sah einmal einen Esel, welcher auf dem Gesicht gebrandmarkt wurde. Er ermahnte:

    „Brandmarkt nicht ein Tier auf dem Gesicht, denn es ist eine sehr empfindliche Stelle! Wenn es gebrandmarkt werden muss, dann macht dies auf dem Rücken.“73

  6. Tiere gegen die Unbilden des Wetters nicht schützen

  7. Die sexuellen Bedürfnisse der Tiere nicht berücksichti- gen: Tiere verfügen über ähnliche Kräfte wie Menschen. Daher sollten entweder notwendige Vorkehrungen für ihre Befriedigung vorgenommen werden oder es sollte etwas anderes vorgenommen werden.

  8. Tiere durch ihre Jungen foltern: Ihre Jungen vor ihren Augen schächten, verhungern lassen oder auf sonst ir- gendeine Art und Weise foltern.


Laster, die das Volk betreffen


Nun erläutere ich die dritte Form der Laster, jene nämlich, die das Volk betreffen:


  1. Die Verbreitung von Schändlichkeit: Wenn jemand über einen anderen verbreitet, dass er ein Lügner sei, so ist dies ein Laster. Es betrifft jedoch nicht nur diese an- dere Person, sondern wird zu einem Übel für das Volk. Wenn über ein Volk einige Zeit lang verbreitet wird, dass manche von ihnen lügen, so wird eine Zeit kom- men, in der die Intensität der Abscheu gegen Lügen ab- nimmt und infolge dessen das Laster Verbreitung fin-



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    73 Sunan Abī Dāʾūd, Kitābu l-Ǧihād, Bābu n-Nahy ʾani-l-Wasm fī l-Waǧh wa-ḍ-Ḍarb fī l-Waǧh.


    det. Die Verbreitung des Bösen ist meiner Auffassung nach eine Art Selbstmord.

  2. Egoismus, d.h. eine Bevorzugung der persönlichen In- teressen gegenüber nationalen Interessen im Falle eines Widerspruchs zwischen beiden. Dies ist ein Laster, das die ganze Nation betrifft.

  3. Gesetzeswidriges, rebellisches Verhalten: Zum Beispiel Prostitution oder öffentlicher Alkoholkonsum.

  4. Trägheit bzw. Verzögerung in der Erfüllung nationaler Pflichten.

  5. Die Vernachlässigung der Erziehung der Kinder

  6. Die Vernachlässigung der Bildung der Kinder: Men- schen, die diese Bedürfnisse vernachlässigen, zerstören eine ganze Nation. Denn die Kinder von heute bilden die Nation von morgen.

  7. Unhygienisch und unrein sein: Dieses Laster wurde bereits im Zusammenhang mit Mitmenschen erwähnt, weil es üblen Geruch erzeugt und Abscheu bei anderen erregt. Ich erwähne es nun hier, weil dieses Laster auch Krankheiten verursacht, von denen dann eine ganze Nation betroffen werden kann.

  8. Fehlen von Verantwortungsbewusstsein: Das bedeu- tet, dass ein Mensch nicht die Pflicht anerkennt, welche ihm auferlegt wurde.

  9. Einen Verlust oder das Versäumnis einer Pflicht bzw. Aufgabe nicht mit Fassung tragen, ungeachtet davon, ob dies beabsichtigt oder unbeabsichtigt geschehen ist.

  10. Rebellion.


    Ein Freund hat eine Frage eingereicht. Da ich mir selbst auch schon vorgenommen hatte, dieses Thema anzusprechen,


    möchte ich mich nun damit etwas ausführlicher befassen. Der Freund hat vorgeschlagen, dass Mitglieder unserer Jamaat während Debatten mit unseren Gegnern keine vulgäre Spra- che benutzen sollten. Er wies besonders unsere Missionare und Redner daraufhin, dass sie keine harten Worte benutzen sollten. Ich möchte dies ebenfalls betonen. Ihr werdet keine raue Sprache in meinen Schriften bzw. Reden finden. Fühle ich mich etwa nicht verletzt, wenn der Verheißene MessiasAS beschimpft wird? Doch, ohne Zweifel! Ich habe jedoch nie vulgäre Sprache mit derben Worten erwidert. Mir ist bewusst, dass einige Leute bestimmte Passagen aus den Schriften des Verheißenen Messi- asAS zitieren werden, um ihre Verwendung harter Sprache zu rechtfertigen. Sie sollten jedoch nicht vergessen, dass der Ver- heißene MessiasAS ein göttlich beauftragter Richter war. Er war dazu verpflichtet, den Menschen ihren wahren Wert deutlich zu machen. Wir sind nicht in dieser Position. Für uns ist die Nutzung harter Sprache ein Zeichen der inneren Schwäche. Es könnte jemandem vorübergehendes Vergnügen bereiten. Wenn jedoch die zukünftigen Generationen diese Sprache lesen wer- den, werden sie sich wünschen, dass ihre Vorväter diese Spra- che nicht benutzt hätten. Denn sie werden diese Schriften mit einem kühlen Kopf lesen und sie werden nicht die beleidigen- den Schriften unserer Gegner vor sich haben. Folglich werden sie vor Schamgefühl jene Bücher und Zeitungen verstecken,

    welche die vulgäre Sprache ihrer Vorväter beinhalten.


  11. Unwirtlichkeit: Mangel an Gastfreundschaft ist ein na- tionales Laster.

  12. Betrug im Handel zählt ebenfalls zu den nationalen Lastern.


    Ein Hadith besagt, dass der Heilige ProphetSAW einst vor ei- ner Gemeinde predigte, als die Zuhörer begannen, Fragen über Fragen zu stellen. Dies missfiel dem Heiligen ProphetenSAW und er sagte: „Ich beende die Predigt. Stellt nun so viele Fragen wie ihr wollt und ich werde sie bis zum Jüngsten Tag beantworten.“74

    Auf der gleichen Weise wird im Moment eine Frage nach der anderen gestellt. Möchtet ihr etwa, dass ich den Vortrag beiseitelege und nur diese Fragen beantworte? Ich habe kaum die 35. Seite meiner Notizen vorgetragen und 25 Seiten blei- ben noch übrig. Wenn ich anfange, jede Frage zu beantworten, glaubt ihr, dass ich den Vortrag so jemals beenden kann?


    Wie ich schon sagte, ist Betrug im Handel ein nationales Laster, welches die Vertrauenswürdigkeit einer Nation zerstört. Als ich zuletzt Kaschmir besuch- te, fand ich heraus, dass der jährliche Marktwert von Silberutensilien und Schalen etc., welcher einst zehn Millionen Rupien betrug, wegen Korruption auf etwa 1,7 Millionen Rupien gesunken war.

  13. Arbeiter vor anderen Leuten kritisieren.

  14. Eine ganze Nation öffentlich und pauschal eines Las- ters beschuldigen: Wenn man zum Beispiel sagt, dass unter uns viele Betrüger sind, wird die Nation allmäh- lich in der Tat betrügerisch.

  15. Verweigerung der Unterstützung nationaler Interessen.

  16. Bündnis und Freundschaft mit Personen pflegen, die der Nation Schaden zufügen.

  17. Mit den Mitarbeitern der Regierung oder der Jamaat nicht kooperieren.


    image

    74 Ṣaḥīḥ Muslim, Kitābu l-Faḍāʾil, Bāb Tawqīrihī wa Tark ʾIkṯār Suʾālihi...


  18. Mangel an Gehorsamkeit.


Laster in Bezug auf Gott


Jetzt werde ich die Laster in Bezug auf Gott erläutern:


  1. Unnötiges Schwören: Wenn man vor Gericht oder unter ähnlichen, obligatorischen Umständen schwören muss, ist es angebracht, einen Schwur zu leisten. Andernfalls gleicht das aus bloßer Gewohnheit erfolgte Schwören im Namen Allahs einer Beleidigung Gottes.

  2. Verzweiflung: Wenn man alle Hoffnung verliert, jemals eine Lösung für seine Schwierigkeiten zu finden – die- ses Laster ist das Ergebnis eines Misstrauens in Gott.

  3. Bösem im Herzen Unterschlupf gewähren: Gott hat das Herz geschaffen, damit Er sich darin niederlassen kann. Deshalb wird das Herz „das Haus Gottes“ genannt. Wer das Herz beschmutzt, hält auf eine gewisse Weise Gott davon ab, Sein Haus zu betreten.

  4. Weigerung, sich den Gesetzen der Scharia zu unterwer- fen.

  5. Der Glaube an falsche Lehren, wie zum Beispiel Širk

    [Beigesellung neben Gott].

  6. Verleugnung aller wahren Lehren wie zum Beispiel Gott, Engel, Propheten, Offenbarung, Himmel und Hölle etc.

  7. Verstoß gegen die Gesetze der Scharia, unabhängig da- von, ob sie sich auf Gott beziehen oder auf die Men- schen. Wie zum Beispiel das Ṣalāt nicht verrichten, die


    Hadsch75 nicht vollziehen, Gesetze bezüglich des Erbes nicht berücksichtigen und sich nicht an die Moralleh- re halten. Wenn alle diese Gesetze von Gott verordnet sind, gleicht ein Verstoß gegen sie dem Erregen des Missfallen Gottes. Zuzüglich bereitet die Vernachlässi- gung dieser Gesetze auch den Mitmenschen Leid.

  8. Unzureichende Liebe zu Gott.

  9. Respektlosigkeit gegenüber Gott und dem Heiligen ProphetenSAW.

  10. Alle Übel, die Mitmenschen betreffen, beziehen sich auch auf Gott. Undankbarkeit zum Beispiel kann so- wohl in Bezug auf Gott als auch auf Menschen vorkom- men. Es gibt viele andere Beispiele.


Rechtschaffenheit, die einen selbst betrifft


Nun erläutere ich rechtschaffene Eigenschaften und begin- ne mit jenen, die eine Person selbst betreffen.


  1. Mut, Tapferkeit.

  2. Fleiß und Eifer.

  3. Wissen erwerben.

  4. Demut.

  5. Rechtschaffene Entrüstung: Empörung beim Anblick einer bösen Handlung.

  6. Dankbarkeit.

  7. Vertrauen bzw. gut von anderen denken.

  8. Ernsthaftes Wohlwollen.



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    75 Hadsch (arabisch:جحلا) ist die Pilgerfahrt nach Mekka zur Kaʿba, die jeder Muslim wenigstens einmal in seinem Leben unternehmen soll. [Anm. d. Ü.]


  9. Fleiß: strebsames und unermüdliches Arbeiten.

  10. Schamgefühl, Bescheidenheit.

  11. Erbarmen: von Herzen kommendes Mitgefühl für das Leid anderer.

  12. Standhaftigkeit: Eine Tugend beharrlich aufrechthalten.

  13. Würde: Anderen nicht unnötig und zwecklos nachah- men. Bei uns zulande mangelt es den Menschen oft an dieser Tugend. Sie neigen dazu, den Westen nachzuah- men.

  14. Starker Ehrgeiz, Ambition.

  15. Geduld.

  16. Gewissensfreiheit: nicht grundlos jemanden nachah- men.

  17. Herzliche Dankbarkeit: Eine Gunst, welche jemand ei- nen gewährt hat, anerkennen.

  18. Die Suche nach der Wahrheit.

  19. Ehrliche Anerkennung der Güte eines anderen.

  20. Mitleid: Mitleid [raʿfa] unterschiedet sich von Erbar- men [raḥm]. Erbarmen bedeutet das vom Herzen kom- mende Mitgefühl für das Leid anderer, welches zum Handeln bewegt. Mitleid bedeutet, innere Anteilnahme am Leid anderer.

  21. Die Fähigkeit für das eigene Recht zu kämpfen: Es mag zwar sein, dass man sein Recht freiwillig oder einfach aus Müßiggang nicht einfordert, man sollte jedoch nicht sein Recht unter Zwang aufgeben.

  22. Das Streben danach, andere zu übertreffen: Dies bedeu- tet, dass man mit anderen in guten Sachen wetteifert und versucht, sie zu übertreffen.

  23. Niemals eine eigene Demütigung bzw. Niederlage dul- den, unabhängig davon, wie oft man verliert: Das be-


    deutet nicht, dass man seine Niederlage nicht zugeben soll, sondern, dass man sich nicht mit einer Niederlage zufriedengeben sollte, sondern versuchen sollte, die Si- tuation zu ändern.

  24. Wachsamkeit: des Feindes niemals unbekümmert blei- ben

  25. Wahrheit aussprechen.

  26. Geduld bzw. Ausdauer im Ertragen von Schwierigkei- ten oder Leiden.

  27. Strebsamkeit und Ausdauer bzw. Durchhaltevermö- gen: sogar von der größten Bürde nicht beunruhigt werden.

  28. Furchtlosigkeit.

  29. Liebe zur Rechtschaffenheit.

  30. Der Wunsch, anderen unbedingt zu helfen, sobald sich eine Gelegenheit dazu ergibt.

  31. Bescheidenheit: Nicht zu viel für den persönlichen Komfort zu verschwenden.

  32. Behütung der eigenen Ehre.

  33. Anerkennung der guten Eigenschaften der Anderen.

  34. In jeder Hinsicht mäßig sein.


Rechtschaffenheit gegenüber anderen Geschöpfen


Rechtschaffene Werke in Bezug auf Engel:


  1. Gedenken Allahs [ḏikr-e ilāhī]: Eine Quelle besagt, dass die Engel dorthin eilen, wo Allahs gedacht wird. Der Heilige ProphetSAW sagte, dass Engel einen solchen Ort


    umringen.76

  2. Körperliche Sauberkeit ist auch eine dieser rechtschaf- fenen Eigenschaften, daher wird uns geboten, an den Orten, an denen Engel erscheinen, Duft aufzutragen. Insbesondere anlässlich des Freitagsgebets ein Bad zu nehmen und Duft aufzutragen ist auch die Praxis des Heiligen ProphetenSAW.77


Die rechtschaffenen Werke in Bezug auf Mitmenschen lau- ten wie folgt:


  1. Gerechtigkeit.

  2. Güte

  3. Dankbarkeit als Reaktion auf Güte.

  4. Sauberkeit.

  5. Großzügigkeit.

  6. Loyalität.

  7. Praktische Umsetzung von Barmherzigkeit.

  8. Freundschaft.

  9. ḥilm: Das bedeutet, Fehler im Hinblick auf die guten Eigenschaften der handelnden Person zu verzeihen. ʿafw dagegen bedeutet, ihnen trotz Überzeugung ihrer Schuld zu vergeben.

  10. Opferbereitschaft.

  11. Jemandem ein Darlehen gewähren.

  12. Almosen geben.

  13. Zusammenarbeit.

  14. Ehrlichkeit.



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    76 Ṣaḥīḥ Muslim, Kitābu ḏ-Ḏikr, Bābu Faḍli Maǧālisi ḏ-Ḏikr.

    77 Ṣaḥīḥ al-Buḫārī, Kitābu l-Ǧumʿa, Bābu ṭ-Ṭīb li-l-Ǧumʿa.


  15. Versöhnung, d.h. versuchen, mit seinen Mitmenschen Frieden zu schließen und Harmonie herzustellen.

  16. Vergebung [ʿafw].

  17. Einhaltung von Versprechen.

  18. Versuchen, den am Boden Liegenden zur Erhabenheit zu verhelfen.

  19. Andere ehren und hochschätzen.

  20. Respekt: Ehren bezieht sich auf Gleichgestellte. Mit Respekt meine ich, dass man den Älteren den entspre- chenden Respekt erweist.

  21. Schlichten, d.h. zu versuchen, unter Streitenden wieder Frieden und Harmonie herzustellen.

  22. Brüderlichkeit.

  23. Das Bewahren von Geheimnissen.

  24. Frohmut.


Tugenden in Bezug auf Tiere sind wie folgt:


  1. Auf ihre Ernährung achten.

  2. Ihrer Kapazität entsprechend Arbeit von ihnen in An- spruch nehmen.

  3. Auch solche Tiere füttern, die nicht Nutztiere sind: Der Heilige ProphetSAW sagte einst: „Einst regnete es konti- nuierlich tagelang, so dass die Vögel kein Futter fanden. Eine Person, die sie fütterte, wurde von Gott mit dem Glauben gesegnet und gelangte dadurch ins Paradies.“

    Der Heilige Qurʾan sagt

    ۡ ۡ َّ ٌ ۡ ُ َّ ٌ

    auch:

    َ

    ۡ َ

    ﴾۶۲﴿مِ ورُ حملاولِ ِئآسلِل﴾۵۲﴿مولعمقحمِہِلاوما یۡ فِ نیذِ لاو 78


    image

    78 „Und die, in deren Reichtum ein bestimmter Anteil ist für den Bittenden sowohl wie für den, der es nicht kann.“ (70:25-26)


    Gläubige haben die Tugend, dass sie einen Teil ihres Reichtums für diejenigen vorsehen, die um Unter- stützung bitten und einen Teil für diejenigen, denen es nicht möglich ist, ihre Not auszudrücken. Das schließt auch Vögel und andere Tiere ein. Auch sie sollten ord- nungsgemäß gefüttert werden.

  4. Tiere sollten gegen die Unbilden des Wetters geschützt werden, auch wenn sie uns ihre Bedürfnisse nicht mit teilen können. Ihre sexuellen Bedürfnisse sollten eben- falls nicht ignoriert werden. Ebenso sollte um ihre Nachkommen gesorgt werden.


Nun erläutere ich die rechtschaffenen Eigenschaften, die das Volk betreffen:


  1. Das Zahlen von Zakat79.

  2. Einen finanziellen Beitrag für die Erfüllung nationaler Anforderungen leisten.

  3. Gastfreundschaft.

  4. Seiner Nation dienen.

  5. Gehorsam gegenüber Autoritätspersonen.

  6. Die Zusammenarbeit mit Behörden.

  7. Das Land beschützen.

  8. Verantwortungsbewusstsein.

  9. Bei begangenem Fehltritt die Strafe ohne Verbitterung verbüßen.

  10. Die rechtschaffenen Werke anderer kundtun.

  11. Die Feinde der Nation meiden.



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    79 Zakat (arabisch:ۃاكزلا) ist ein obligatorisches Almosen im Islam. [Anm.d.Ü.]


  12. Der Schutz der nationalen Ehre: Falsche Anschuldigun- gen gegen die Nation widerlegen.

  13. Ehrlichkeit im Handel.

  14. Wissen vermitteln.

  15. Andere erziehen.

Nun erläutere ich die rechtschaffenen Werke in Bezug auf Gott:


  1. Einen vollkommenen Glauben in sich tragen.

  2. Die Liebe zu Allah.

  3. Erfüllung aller Pflichten gegenüber Gott und Seiner Schöpfung im Rahmen der Scharia.

  4. Hoffnung in Gott setzen.

  5. Gottesfurcht: Furcht vor der Unantastbarkeit der gött- lichen Ehre.

  6. Reinheit des Herzens.

  7. Vertrauen in Gott: Trotz persönlicher Bemühung fest daran glauben, dass allein der göttliche Beistand zum Erfolg führen kann.

  8. Gute moralische Handlungen [al-aḫlāq al-ḥasana], wel- che Gott betreffen, beispielsweise die Erfüllung von Versprechen etc. in Ehren halten.

  9. Die Ablehnung und Widerlegung aller fehlerhaften Lehren.

  10. Wenn jemand sich auf respektlose Weise gegenüber Gott äußert und beispielsweise behauptet, dass Gott ihm nichts gegeben habe oder ihm gegenüber grausam gewesen sei, sollte man ihm erklären, dass dieses Ver- halten unangemessen ist und dass er dies unterlassen sollte.


  11. Die Verkündigung und Verbreitung der Wahrheit.

  12. Respekt vor göttlichen Heiligtümern.


Bei welchen Gelegenheiten sind bestimmte Handlun- gen zu unternehmen oder zu unterlassen?


Nun möchte ich die zweite Frage aufgreifen: Welche Ge- legenheiten sind es, bei denen diese Handlungen getan oder unterlassen werden sollten. Die Frage kann sowohl kurz als auch detailliert beantwortet werden. Selbst, wenn ich versuche, so wenig wie möglich auszuschweifen, wird eine ausführliche Antwort nicht weniger als fünfzehn bis zwanzig Stunden in Anspruch nehmen. Daher werde ich den kurzen Weg einschla- gen und nur eine grobe Übersicht geben:


  1. Man sollte nicht aufhören, seinen Verpflichtungen ge- genüber Gott nachzugehen. Es sei denn, man wird ge- waltsam zurückgehalten oder ein anderes göttliches Gebot untersagt die Erfüllung einer Pflicht. Es mag bei- spielsweise sein, dass man nicht mehr in der Lage ist, angemessen die rituelle Waschung (wuḍūʾ) zu vollzie- hen, da die Hand oder das Gesicht verletzt ist oder einer Person eine Hand fehlt. So ist es ihr nicht möglich, die- se zu waschen. Ebenso kann ein göttlicher Befehl einen anderen ersetzen. Dies wird an folgenden Beispielen il- lustriert: Es ist ein göttliches Gebot, dass eine Frau sich ordnungsgemäß verschleiert. Es ist indes ebenfalls ein göttliches Gebot, den Schleier80 anlässlich der Hadsch


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    80 Mit „Schleier“ ist hier lediglich der niqāb bzw. Gesichtsschleier gemeint. Andernfalls verhüllen sich muslimische Frauen auch während der Pilger-


    abzunehmen. Der zweite Befehl überwiegt den ersten. Folglich wird das Ablegen des Gesichtsschleiers in der Kaʿba zu einer rechtschaffenen Handlung. Ein weite- res Beispiel ist das Gebot der Gehorsamkeit gegenüber Eltern. Dies ist eine rechtschaffene Handlung. Wenn dieses Gebot jedoch im Konflikt mit einem göttlichen Gebot steht, besteht die Rechtschaffenheit in einem sol- chen Fall darin, den Eltern nicht zu gehorchen.

  2. Man sollte mit seinen Mitmenschen nicht so umgehen, wie man es unter den gleichen Umständen für sich selbst nicht wünscht. Ich möchte diese Norm erweitern. Ich bin nicht nur der Meinung, dass man andere so be- handeln sollte, wie man selbst behandelt werden möch- te. Vielmehr möchte ich betonen, dass man mit einer Person keineswegs so umgehen sollte, wie man es für sich selbst auch nicht wünscht. Man sollte eine Person nicht so behandeln, wie man unter gleichen Umständen auch selbst nicht behandelt werden möchte. Die Bibel befiehlt, dass man andere so behandeln sollte, wie man selbst behandelt werden möchte. Diese Norm ist jedoch defizitär.81

  3. Man sollte Extreme vermeiden. Einige Menschen hören völlig auf, nawāfil zu verrichten, andere widmen sich den nawāfil so intensiv, dass sie familiäre und andere Pflichten völlig vergessen. Einst wurde dem Heiligen ProphetenSAW der Fall eines Mannes berichtet, der sich vorgenommen hatte, während des Tages durchgehend


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    fahrt ordnungsgemäß. [Anm. d. Ü.]

    81 Siehe folgende Bibelstelle: „Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen! Darin besteht das Gesetz und die Propheten.“ (Mt 12:7 EU) [Anm. d. Ü.]


    zu fasten und die Nacht in nawāfil zu verbringen. Der Heilige ProphetSAW ließ ihn zu sich rufen und ermahnte ihn mit folgenden Worten:

    اــقًّ حكیْ َلعَ كسِ فْ نَ ِلو 82


    „Dein Selbst hat auch ein Recht auf dich.“


    Das bedeutet, dass auch seine Ehefrau ein Recht auf ihn hat. Diese Pflicht muss er ebenfalls erfüllen.

  4. Es ist notwendig für den Menschen, dass er nach den Attributen Gottes strebt; mit dem Ziel, dass sie sich in ihm widerspiegeln.


Wie kann man bestimmen, an welchen Übeln man leidet?


Nun widme ich mich der dritten Frage, nämlich: Wie kann man erfahren, von welchen Lastern man befallen ist?

Man kann dies durch die folgenden Mittel herausfinden:


  1. Durch Selbstprüfung: Hat man herausgefunden, wie die verschiedenen Tugenden und Laster definiert sind, sollte man versuchen, die Laster und fehlenden Tugen- den in der eigenen Person zu identifizieren.

  2. Durch Beratung: Man sollte einen aufrichtigen, engen Freund bitten, den eigenen Charakter zu analysieren. Da man niemals selbst all seine Schwächen ausfin- dig machen kann, sollte der Freund die Handlungen


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    82 Ṣaḥīḥ al-Buḫārī, Kitābu l-Adāb, Bāb Ṣunʿi ṭ- Ṭaʿāmi wa t-Takallufi li-ḍ-Ḍaʿīfi [Anm. d. Ü.]


    analysieren. Natürlich sollte der Freund nicht den zu Prüfenden belauern. Das wäre an sich eine Sünde. Die Funktion des Freundes besteht darin, auf seine offen- sichtlichen Fehler hinzuweisen. So kann er ihn auf sol- che Fehler hinweisen, die selbst zu erkennen er nicht in der Lage ist.

  3. Durch Vergleich: Auch ein Freund kann manchmal die Fehler seines Freundes übersehen. Aus diesem Grund sollte man auf eine dritte Methode zurückgreifen. Man sollte versuchen, in der eigenen Persönlichkeit die rechtschaffenen Dinge und Laster zu finden, welche man in Andere sieht.

  4. Durch die Identifizierung der Fehler, für welche die Gegner einen beschuldigen: Ein weiterer größerer Schritt, den man unternehmen kann, ist, dass man sich darüber erkundigt, welche Fehler der Feind einem zur Last legt und ernsthaft prüft, ob diese Fehler tatsächlich in einem vorhanden sind oder nicht. So würde man ei- nige Fehler entdecken. Auf ähnliche Weise sollte man versuchen herauszufinden, welche rechtschaffenen Ei- genschaften die Feinde einem anerkennen. Manchmal kann selbst ein Feind nicht anders, als die Tugenden seines Feindes zu bestätigen.

  5. Durch den Heiligen Qurʾan: Die wichtigste und beste Methode, um sich über die eigenen Laster und Tugen- den im Klaren zu werden, besteht in der Rezitation des Heiligen Qurʾan. Wenn der Leser dabei auf Laster stößt, welche Gott im Zusammenhang mit früheren Völkern erwähnt, sollte er reflektieren, ob er möglicher- weise ebenfalls dieser schuldig ist. Ebenso, wenn der Heilige Qurʾan eine rechtschaffene Eigenschaft nennt,


sollte der Mensch prüfen, ob er über diese verfügt. Ein weiterer Vorteil einer solchen Untersuchung ist, dass rechtschaffene Werke und Laster sich allmählich und sukzessive vor dem Leser ausbreiten. Im Allgemeinen ist es unmöglich, einen Überblick über alle Laster und rechtschaffenen Werke zu behalten. Darüberhinaus er- zeugt die Rezitation beim Leser Gottesfurcht, was ihn wiederum verhelfen wird, Laster zu vermeiden und rechtschaffene Taten zu begehen.


Vorschläge für jene, die ihre Laster trotz Kenntnis nicht ausmerzen können


Die oben genannten Anweisungen sind für diejenigen, de- ren Herzen nicht vom Rost des Bösen betroffen sind. Es gibt jedoch auch jene, die trotz Kenntnis ihrer Laster dieselbigen nicht aufgeben können. Wie sollten sie therapiert werden? Sie versäumen beispielsweise ihre täglichen Gebete oder begehen Mord, obwohl ihnen bewusst ist, dass dies schlechte Taten sind. Diese Frage bedarf einer detaillierten Antwort. Jedoch kann weder der Umfang dieser Abhandlung noch ein Buch gewöhn- licher Größe eine detaillierte Antwort geben. Ich kann daher in Anbetracht des Zeitmangels lediglich etwa ein Dutzend Punkte anbringen.


Beten um Vergebung [Istiġfār]


Eine solche Person sollte sich eingestehen, dass sich der Rost bereits in ihr Herz eingefressen hat und dadurch eine Blo- ckade entstanden ist, die sie daran hindert, gute Handlungen zu vollbringen und schlechte zu unterlassen. Dies ist das Re-


sultat von früheren Lastern. Folglich sollte man zunächst um Vergebung [istiġfār] für seine vergangenen Sünden bitten.

Es ist wichtig zu berücksichtigen, dass die Bedeutung von istiġfār „verschleiern“ ist. istiġfār hat zwei Stufen: Auf der ersten bittet der Sündige Gott um Vergebung für seine vergangenen Sünden und für jene, in denen er zurzeit verwickelt ist. Auf der zweiten Stufe betet die betroffene Person zu Gott, die Neigung zur Sünde im Keim zu ersticken. Propheten suchen im zweiten Sinne der Bedeutung Vergebung von Gott.


Gotteserkenntnis


Die zweite Methode besteht darin, dass man versucht, Got- teserkenntnis zu erlangen. Gotteserkenntnis bedeutet, zu ver- suchen, die Attribute Allahs mit voller Hingabe zu erforschen und sie zu verinnerlichen. Betrachten wir das Beispiel einer Per- son, die durch Gottes Gnade vielfach von Ihm gesegnet wurde. Warum sollte sie dann nicht auf Gottes Wunsch hin spenden aus dem, was sie besitzt? Wenn man auf diese Weise über die Attribute Allahs nachdenkt, entsteht eine Kraft, Lastern zu wi- derstehen und Rechtschaffenheit anzueignen.


Über die Folgen von schlechten und guten Handlugen nachdenken


Man sollte über die guten Folgen von rechtschaffenen Handlungen und den schlechten Folgen von Sünden reflektie- ren. Das heißt, dass man sich bewusst macht, wie eine recht- schaffene Tat jemandem zum Vorteil verholfen hat oder wie je- mand wegen eines Lasters einen Schaden erleiden musste. Dies ist ebenfalls ein Weg, Erkenntnis zu erlangen.


Reue [Tauba]


Der nächste Schritt ist die mit einem erwachten Gewissen dargebotene Reue vor Gott. Tauba bedeutet:


  1. Die begangenen Sünden zutiefst bedauern; dieser Zu- stand beginnt im Herzen.

  2. Die Erfüllung von Verpflichtungen, die versäumt wurden: Wenn jemand beispielsweise noch nicht die Hadsch vollzogen hat, sollte er es nachholen. Ṣalāt ist jedoch eine Pflicht, dessen Versäumnis in diesem Sinne nicht bereinigt werden kann. Die Lösung hierfür ist al- lein, dass man Gott um Vergebung bittet.

  3. Jeden Menschen um Verzeihung bitten, gegenüber der man sich sündhaft verhalten hat, es sei denn, Gott hat seine Sünden vor diesen Menschen verborgen.

  4. Den Menschen, denen man bereits Schaden zugefügt hat, mit Wohlwollen begegnen.

  5. Sich fest entschließen, keine schlechte Tat mehr zu be- gehen.

  6. Versuchen, dass das Gemüt stets dem Guten zugeneigt ist.


Dies sind die Voraussetzungen für wahre Reue. Nur wenn diese hinreichend erfüllt sind, kann sie erlangt werden.

Man sollte den folgenden

ّ

Zustandْ ُ َّinَ َ sich wecken:

83 ھِ للاقالخأِباوقلخت

Man sollte, ob der Wille stark ist oder nicht, das gute Han-


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83 „Eignet euch Allahs Eigenschaften an.“ Al-Imam Faḫru d-Dīn ar-Rāzī, at- Tafsīr al-Kabīr, Tafsīr Sūratu l-Baqara, ʾĀya 270. [Anm. d. Ü.]


deln als eigene Verantwortung betrachten. Zum Beispiel sollte man nicht aufhören, Almosen zu geben, auch wenn einem dies schwer fällt. Wenn man sich beim Gebet nicht konzentrieren kann, sollte man vermehrt beten. Es ist wichtig zu berücksichti- gen, dass der Mensch allein dazu verpflichtet ist, unermüdlich und kontinuierlich Gutes zu tun, ohne den Mut zu verlieren. Ich habe die folgende Geschichte schon einige Male erzählt. Der Verheißene MessiasAS pflegte sie auch zu erzählen:


Ein Schüler besuchte einst seinen spirituellen Lehrer und entschloss sich, bei ihm zu übernachten. Der Mentor verbrach- te einen großen Teil der Nacht im Gebet. Gott antwortete ihm schließlich, dass sein Gebet abgelehnt wurde. Der Jünger hörte die göttliche Stimme ebenfalls und wunderte sich, welch Hei- liger dieser Mensch ist, dass Menschen zu ihm kamen, um für Gebete zu bitten, obwohl nicht einmal seine eigenen Gebete erhört wurden. Er äußerte sein Misstrauen allerdings nicht. In der nächsten Nacht passierte dasselbe. Der Lehrer betete die ganze Nacht und erhielt letztendlich die gleiche Antwort. Die Verwunderung des Schülers steigerte sich. Das gleiche spielte sich in der dritten Nacht ab. Schließlich fragte er den Lehrer:

„Sie beten fortwährend seit drei Nächten, aber jedes Mal hören Sie dieselbe göttliche Stimme, dass das Gebet nicht erhört wurde. Warum beten Sie trotz dessen immer weiter?“ Der Lehrer erwiderte: „Dir ist nicht bewusst, dass ich dasselbe Gebet die letzten zwanzig Jahre bete. Obwohl ich jedes Mal die gleiche Antwort von Gott erhalte, habe ich die Hoffnung nicht verloren. Du hast die göttliche Antwort nur drei Mal gehört und schon fängst du an zu zweifeln. Meine Pflicht ist es zu beten. Es liegt an Gott, ob Er nun mein Gebet erhört oder nicht. Er geht Seinem Willen nach und ich erfülle meine Pflicht.“ Es wird gesagt, dass er unmittelbar danach die folgende Offenbarung


erhielt: „Alle Gebete, die du jemals gesprochen hast, werden in Er- füllung gehen.“

Die Aufgabe des Menschen besteht darin, stets gut zu han- deln und unter allen Bedingungen zu beten, ohne jemals auf- zugeben, auch wenn die Konzentration schwankt, denn dies hängt nicht ausschließlich von ihm ab. Es kommt vor, dass eine äußerlich tugendhafte Handlung, auch wenn sie nicht mit voller Überzeugung durchgeführt wird, einen guten Einfluss auf das Innere der betroffenen Person ausübt und sie dadurch schließlich Reinheit erlangt.

Sollte sogar dies scheitern, jemanden zum Erfolg zu ver- helfen, d.h. wenn man gute Vorsätze fasst und sie immer wie- der fallen lässt, auf jeden Aufstieg ein Sturz folgt, jedes ange- strebte Ziel nicht erreicht wird, so sollte die betroffene Person davon ausgehen, dass die Fäulnis der Moral sich in enormem Ausmaß in sein Herz eingenistet hat und er einer ausführlichen Behandlung bedarf. Sein Ego hat den Sünder überwältigt. Sein Rückgrat, auf das ich in meinem gestrigen Gedicht hingewiesen habe, ist gebrochen. Er ist wie ein Fisch, der mit dem Strom mit- schwimmt. Auf ähnliche Weise treibt sein niedriges Selbst ihn ungezügelt vor sich her. Für diesen Fall werde ich zuerst einen zusammengefassten und anschließend einen ausführlichen, prinzipiellen Behandlungsweg erläutern.


Unterschiede zwischen der Ethik der Ahmadiyyat und anderen Moralphilosophien


Doch bevor ich mich dazu äußere, möchte ich den Unter- schied zwischen der bisherigen Philosophie der Moral und der nun von der Ahmadiyyat dargelegten Philosophie grob er- läutern. Ibn Mardawayh gilt als der Gründer der islamischen


Ethik. Er hat diesem Thema ein ganzes Buch gewidmet. Nach ihm gilt Ibn-e ʿArabī als der größte Denker in diesem Bereich, ge- folgt von Imām al-Ġazālī, der ein Kompendium zu diesem The- ma verfasste, welches aus vier Bänden besteht. Danach wurde kein maßgebendes Buch mehr zu diesem Thema verfasst, weil man annahm, das letzte Wort zu diesem Thema sei gesprochen. Daher möchte ich ein wenig Licht auf das Thema werfen, damit die Schüler dieser Philosophien auf ihre Fehler hingewiesen werden können. Damals waren diese Ansichten sicherlich gül- tig, aber im gegenwertigen Kontext sind sie fehlerhaft.

Der grundlegende Unterschied zwischen der Ethik Imām al-Ġazālīs und der Moralphilosophie der Ahmadiyyat besteht darin, dass während die erste viel Wert auf die ṣifāt-e salbiyya (Verbote) legt, die zweite eine stärkere Betonung von Geboten (ṣifāt-e īǧābiyya) vornimmt. Diese grundlegende Änderung in der Herangehensweise wurde durch den Verheißenen Messia- sAS eingeführt. Er wies darauf hin, dass Moral nicht die Abwe- senheit des Bösen, sondern das Vorhandensein des Guten be- deutet. Es besteht kein Zweifel darin, dass Selbstverleugnung auch ein Mittel zur Behandlung ist. Es ist jedoch nicht das einzi- ge Mittel. Bei der Auseinandersetzung mit Ethik und Moralphi- losophie können wir folgende Aspekte nicht ignorieren:


Bejahen anstatt Verneinen


Gott sagt:


﴾۵۷﴿ن


وۡ د

بعۡ یَ ِلاَّلاِ س

ۡ ناِ ۡلاونَ


جِ لات

قۡ َلخامو


„Und Ich habe die Dschinn und die Menschen nur darum erschaffen, dass sie Mir dienen.“84


An einer anderen Stelle heißt es:

وتوٰ مٰ سلات

مادام

اھیفن

ۡیدِلخۃ

نَ َجلایفَِ َفاوۡ د

عسنۡیذ

َّلاامَ

َاو

﴾۱۰۹﴿ذٍ وۡ ذ

جۡ م رۡیغ

ءآطع

ؕكُّبر

ءآشام اّلاِ ض

رۡ َاۡلا 85


Das bedeutet, dass der Mensch erschaffen wurde, um nie- mals endende Gaben zu erhalten. Der Mensch wurde nicht dazu erschaffen, bestimmte Tätigkeiten nicht auszuüben, son- dern um bestimmte Dinge zu tun. Gott hat unserer Schöpfung nicht einen negativen, sondern einen positiven Zweck gegeben. Wir wurden erschaffen, um etwas zu unternehmen und nicht, um etwas zu unterlassen. Die Negation dient als eine Vorsichts- maßnahme um die Hindernisse, die im Wege der Realisierung des Endziels stehen, zu entfernen. Es ist zwar ein Mittel, doch nicht das Ziel. Aus welchem Grund wäre die Menschheit er- schaffen worden, wenn der Zweck der Schöpfung des Men- schen in einer Negation bestünde? Jener Zweck wäre vor seiner Erschaffung bereits auf bessere Weise erfüllt gewesen. Die Si- tuation ist ähnlich wie in der Hindu-Theologie, in der Gott als

„Nicht-dies“ oder „Nicht-das“ beschrieben wird. Der Mensch wurde nicht erschaffen um zu negieren, sondern um zu beja- hen, wobei die Negation als eine Vorsichtsmaßnahme dienen


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84 51:57. [Anm. d. Ü.]

85 „Was aber die anlangt, die glückselig sein sollen, sie werden in den Him- mel kommen, darin zu weilen, solange die Himmel und die Erde dauern, es sei denn, dass dein Herr es anders will – eine Gabe, die nicht unterbrochen werden soll.“ (11:109)


kann. Daher ist die eigentliche Frage, was der Mensch sein, und nicht, was er nicht sein soll.


Das Selbst: Das Gleichnis des Pferdes


Man sollte sich das Selbst durch das Gleichnis eines Pferdes veranschaulichen. Ein Pferd muss trainiert und schlank gehal- ten werden, damit es den Reiter nicht ohne weiteres abwerfen kann. Habt ihr jedoch jemals jemanden gesehen, der allein da- durch ein guter Reiter geworden ist, dass er sein Pferd schlank gehalten hat? Einst sagte ein Mitreisender, der nicht reiten konnte, er würde erst dann reiten, wenn ein mageres Pferd für ihn bereitgestellt wird. Gemäß seinem Wunsch wurde ihm ein mageres Pferd zur Verfügung gestellt. Er schien indes sogar vor diesem Pferd Angst zu haben und wollte wissen, ob es nicht ein noch schlankeres und kleineres Pferd gäbe. Eine Person, die das Reiten nicht beherrscht, kann bloß dadurch, dass sie das Pferd abmagern lässt, nicht reiten lernen. Ebenso ist es ein Irrtum zu glauben, dass man das Selbst bzw. das Ego durch Abma- gern zähmen bzw. unter Kontrolle bringen könnte, um es dann wunschgemäß zu steuern. Man kann das Selbst nicht kontrol- lieren, indem man es aushungern lässt, sondern dadurch, dass man die Kunst erlernt, das Selbst zu dirigieren.


Sünde als Folge von Selbstverleugnung


Des Weiteren muss berücksichtigt werden, dass die Sünde nicht nur durch die Kontrolle des Egos über das Selbst entsteht, sondern auch als Folge einer Selbstverleugnung in Erscheinung


tritt. Ehrlosigkeit zum Beispiel entsteht durch den Tod des Selbst. In solchen Fällen muss das Selbst wiederbelebt werden, damit es wunschgemäß fungiert.

So wie man, um aus einem Pferd Nutzen zu ziehen, es mal magern lässt und mal mästet, so muss man auch mit dem Selbst verfahren. Es sollte weder völlig verleugnet werden, noch soll- te ihm ein derartiger Hochmut gebilligt werden, dass es nicht mehr gehorchen will.


Hoffnung überwiegt Furcht


Die Moralphilosophie des Verheißenen MessiasAS unter- scheidet sich darüberhinaus in folgender Hinsicht von der Phi- losophie Imām al-Ġazālīs. Der Verheißene MessiasAS lehrte, dass Optimismus und Hoffnung die Grundlage des Glaubens bil- den. Der Heilige Qurʾan lehrt zwar, dass der Glaube zwischen Hoffnung und Furcht liegt86, aber an keiner Stelle wird gesagt, dass er zwischen Hoffnung und Verzweiflung liegt. Über die Verzweiflung heißt es im Heiligen Qurʾan:

نوۡ رُ ِفک

ۡلا م

وۡ قَ ۡلااَّلاِ ھ

ّللاح

وۡ رَ ن

مسَٔـۡیاَیاَل ہ

َّنا 87


Das heißt, dass jemand, der zweifelt, kein Gläubiger sein kann, sondern stets ein Ungläubiger sein wird. Das beweist, dass das Fundament der Philosophie des Glaubens auf Hoff- nung beruht. Ein Hadith besagt, dass Gott Seinem Diener ent-


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86 32:16-17.

87 „...denn an Allahs Erbarmen verzweifelt nur das ungläubige Volk.“ (Yūsuf,

12:88)


sprechend seiner Erwartung entgegenkommt.88 Daher könnte niemals eine Methodik, die zum Pessimismus führt, dem Islam zugeschrieben werden. Ebenfalls sollten wir berücksichtigen, dass die Hoffnung immer stärker ist als die Furcht. Angst ist si- cherlich ein Teil des Glaubens, spielt aber niemals eine so große Rolle wie die Hoffnung. So sagt Allah:

ؕءٍ یش

لَ ُكت

عَ س

ویتمحرو 89


Gott sagt also, dass seine Eigenschaft der Barmherzigkeit seiner Eigenschaft des Zornes überwiegt. Im Herzen der Gläu- bigen sollte daher die Hoffnung über die Angst dominieren.

Das Herz eines Gläubigen ist voller Hoffnung. Er verspürt durchaus Furcht, doch dieses Gefühl ist nicht sehr ausgepärgt. Er ist überzeugt, dass Gott ihn nicht zu Grunde gehen lassen wird. Wenn wir die Angst und Hoffnung eines Gläubigen ge- nauer betrachten, wird deutlich, dass die Angst eines Gläubi- gen nicht etwa aus seinem Argwohn gegen Gott entspringt, sondern aus seiner eigenen Schwäche. Seine Hoffnung jedoch geht aus der göttlichen Gnade hervor. Ist unsere Schwäche dann im Vergleich zur Gnade Gottes nicht geradezu unbedeu- tend? Das heißt, wenn ein Gläubiger Gott wegen Seiner Sou- veränität fürchtet, vergisst er nicht, dass Seine Gnade größer ist als Seine Souveränität. Wenn er Gott wegen seiner eigenen Schwäche fürchtet, vergisst er nicht, dass die Kraft und Macht Allahs unsere Schwäche überwiegt. In allen Fällen überwiegt die Hoffnung, denn die Quelle, aus der sie entspringt, ist in je- der Hinsicht mächtiger als die Quelle der Angst.


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88 Ṣaḥīḥ al-Buḫārī, Kitābu t-Tawḥīd, Bāb Yuḥaḏḏirukum ullāh Nafsah.

89 „...doch Meine Barmherzigkeit umfasst jedes Ding.“ (7:157)


Man sollte jedoch nicht vergessen, dass die Hoffnung den- jenigen zusteht, die gehorsam sind, und nicht denen, die rebel- lisch sind. Man kann nicht willkürlich handeln und gleichzeitig hoffen, einen Anspruch auf die Gnade Gottes zu haben. Dies ist Rebellion und ein Rebell hat kein Recht zu hoffen. Fürwahr steht das Recht zu hoffen nur denjenigen zu, die gehorsam sind. Zweitens sollte berücksichtigt werden, dass ein Gläubiger Gott nicht deshalb fürchtet, weil er denkt, es würde ihm nicht gelingen, eine bestimmte Pflicht zu erfüllen, und dass er folg- lich bestraft werden könnte. Vielmehr hat er Angst, dass der Weg, den er einschlägt, ihm die Erfüllung dieser Pflicht nicht ermöglichen könnte und er folglich nicht in der Lage sein wird,

die Gnade Gottes zu gewinnen.

Kurzum, die islamische Mystik gründet auf Hoffnung und Furcht, wobei die Hoffnung der dominierende Faktor ist. Po- sitive Kräfte können nur durch Hoffnung entstehen. Angst er- zeugt nur negative Kräfte. Der eigentliche Zweck der Schöp- fung des Menschen ist, die Liebe Gottes in sich zu erzeugen, etwas, das nur durch Hoffnung möglich ist. Angst kann höchs- tens vor Sünden schützen. Der Islam strebt danach, die Angst zu zerstreuen. Der Heilige ProphetSAW erläuterte diesen Punkt und versuchte, die Angst aus seiner Gefolgschaft zu beseitigen. So heißt es zunächst im Heiligen Qurʾan:

ؕءٍ یش

لَ ُكت

عَ س

ویتمحرو 90


Das bedeutet, dass die Barmherzigkeit Gottes alles andere überwiegt.



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90 „...doch Meine Barmherzigkeit umfasst jedes Ding.“ (7:157)


Auch der Heilige ProphetSAW erläuterte dies, indem er bei- spielsweise sagte, dass erfreuliche Visionen von Gott und furchteinflößende Träume von Satan seien.91 Da Träume große Auswirkungen auf den Geist haben, warnte er uns, dass wir keine Angst vor Albträumen haben sollten, da ihre Quelle sa- tanisch sei. Dies bedeutet natürlich nicht, dass jeder Albtraum satanisch ist, da Propheten auch Albträume erleben können. Dahinter steht vielmehr der Gedanke, dass es auf Satan zu- rückzuführen ist, wenn man häufig Albträume sieht und nur selten oder niemals erfreuliche Träume. Insofern beseitigte der Heilige ProphetSAW die Angst aus den Herzen der Gläubigen. Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass eine Person, die häufig Albträume hat, einen wahren Traum sieht, ihn aber als einen satanischen Traum ablehnt und dadurch einen Verlust erleidet. Aus diesem Grund schlug der Heilige ProphetSAW folgende Lö- sung vor. Er sagte: „Wenn ein Gläubiger einen Angsttraum erlebt hat, sollte er sich auf seine linke Seite drehen, ausspucken und das

folgende Gebet rezitieren:

َ ّ َ َّ

92 میظ

علایِ ِلعلاھ

للاِبالاِ ۃوقالولوحال

Er führte dadurch einen wunderbaren Punkt an. Wenn wir auf etwas tatsächlich oder bildlich spucken, dann heißt es, dass wir uns um diese Sache nicht scheren. Mit seinem Rat, auszu- spucken und dadurch dem Traum keine Bedeutsamkeit zu zu- schreiben, hat der Heilige ProphetSAW versucht, den Gläubigen Mut und Hoffnung zu geben. Der zweite Teil seines Rates ist,


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91 Ṣaḥīḥ al-Buḫārī, Kitābu t-Taʿbīr, Bāb ar-Ruʾyā min-Allah.

92 „Es gibt keine Sicherheit gegen das Böse und keine Kraft für das Gute, au- ßer durch Allah.“ Ṣaḥīḥ Muslim, Kitābu š-Šiʾr, Bāb Taḥrīmi l-Laʿib bi-n-Nardašīr. [Anm. d. Ü.]


dass nach Albträumen das obenerwähnte Lā-Hawl-Gebet rezi- tiert werden soll. Wie ich bereits sagte, besteht die Möglichkeit, dass der eine oder andere dieser Träume wahr sein könnte. Durch dieses Gebet wird man Vergebung und Vertrauen in Gott gewinnen. So wird das Ausspucken zu einer Schutzmaßnahme gegen die üblen Auswirkungen der satanischen Träume und das obenerwähnte Lā-Ḥaul-Gebet wird vor den vermeintlich üb- len Folgen, vor denen Gott einen zu warnen sucht, schützen. Denn wer sich Gott vollkommen unterwirft, entkommt dem göttlichen Zorn. Diese zweifache Behandlung sollte jede Angst aus seinem Herzen zerstreuen. Sieht, mit welchem Feingefühl der Heilige ProphetSAW sein Volk aus den Fesseln der Angst be- freite.


Vorschläge für jene, die des Handelns völlig unfähig sind


Nach der Darlegung des Unterschieds zwischen Imām al- Ġazālīs Ethik und der Moralphilosophie der Ahmadiyyat wer- de ich nun einige Behandlungsvorschläge für diejenigen vorle- gen, die des Handelns völlig unfähig geworden sind und trotz Mühe nicht auf die Beine kommen.

Zunächst einmal halte ich es jedoch für nötig, ein Missver- ständnis auszuräumen. Jemand mag fragen: Wenn diese Men- schen überhaupt nicht in der Lage sind, etwas zu unternehmen, wie können Behandlungsvorschläge für sie dann von Nutzen sein? Die Antwort ist wie folgt:

Sofern und solange gutes Handeln nicht physisch unmög- lich ist, liegt Heilung allein darin, gute Taten zu vollbringen. Wenn es für jemanden unmöglich ist, gute Taten zu vollbrin- gen, dann kann er auch Reinheit erlangen, ohne zu handeln.


Dies gilt indes ausschließlich für diejenigen, die aufgrund phy- sischer Einschränkungen des Handelns unfähig sind. Geistes- kranke zum Beispiel sind unfähig, moralisch gut zu handeln. Ihnen wird, so sagte der Heilige ProphetSAW, eine andere Mög- lichkeit geboten.93

Es sollte jedoch berücksichtigt werden, dass Handlungen von zweierlei Art sind; solche, die unter allen Bedingungen un- ternommen werden können, und solche, die unter bestimmten Zuständen des Herzens nicht ausgeführt werden können. Die letztere Kategorie bezieht sich auf Emotionen und Gedanken. Handlungen der ersten Kategorie sind nie unmöglich, denn sie sind physischer Natur. So kann niemand behaupten, dass er nicht in der Lage sei, das Gebet zu verrichten. Es ist allerdings berechtigt einzuwenden, dass es einem Menschen beispielswei- se unmöglich sei, eine unerlaubte Liebe aus seinem Herzen zu verbannen. So gibt es diese beiden Kategorien von Handlun- gen; diejenigen, welche die Emotionen betreffen, und solche, die die Emotionen nicht anbelangen.

Zunächst gehe ich darauf ein, wie körperliche Beschwerden behandelt werden: Nehmen wir an, eine Person ist so schwach, dass sie unfähig ist, jegliche Form von körperlicher Arbeit zu verrichten. Der Arzt verschreibt ihr eine Bewegungstherapie. Wird dieser Patient in dem Fall etwa einwenden, dass der Arzt ihm eine Bewegungstherapie verschrieben hat, obwohl er nicht arbeiten kann? Er fragt dies nicht, denn es besteht ein Unter- schied zwischen der Arbeit, der er nicht nachgehen kann, und den Übungen, welche der Arzt ihm verschrieben hat. Der Un-


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93 Siehe die folgenden Aḥādīṯ: aus Musnad Aḥmad bin Ḥanbal, Musnadu

  1. Madaniyyīn, Ḥadiṯu l-Aswad ibn Sariʿ b) Rūḥu l-Maʿānī, Tafsīr Qawluhu Taʿālā, wa-mā-Kunnā Muʿaḏḏibīna Ḥattā Nabʿaṯa Rasūlan [Anm. d. Ü.]


    terschied liegt darin, dass obwohl beide Arbeiten Aufwand er- fordern, die vom Arzt verschriebene Übung innerhalb seiner Kapazität liegt, während die andere Arbeit außerhalb seiner Fähigkeit liegt. Um eine Arbeitsfähigkeit zu entwickeln, muss Handlungsbedarf gegeben sein. Einem Patienten, welcher zu schwach ist, aufzustehen und dauerhaft bettlägerig ist, würde der Arzt natürlich gemäß seinem Zustand nur eine Massage verschreiben. Wenn er etwas Stärke entwickelt hat, wird er in der Lage sein zu sitzen, und wenn er noch kräftiger wird, wird er aufstehen können.

    Das gleiche Prinzip wird auch bei spirituellen Angelegen- heiten angewandt. Ein spiritueller Patient beginnt auch mit kleineren Wohltaten und kann sich dann zu höheren Ebenen steigern. Wenn ein Schüler die Lektüre der 10. Klasse schwie- rig findet, wird ihm geraten, erst die Lektüre der 9. Klasse zu studieren. Ein Protest der Art: „Wenn ich doch den Reader der 10. Klasse nicht lesen kann, wie soll ich dann den Reader der 9. Klasse lesen?“, ist unbegründet. In der spirituellen Sphäre verhält es sich genauso: Man beginnt mit kleineren Stufen und auf diese aufbauend werden größere Handlungen in Angriff genommen. Darüberhinaus gibt es noch weitere Bedingungen, die be- rücksichtigt werden müssen. Ich werde sie jedoch später erläu- tern. Davor möchte ich die folgenden, vorbereitenden und von

    mir bereits erwähnten Maßnahmen noch einmal anführen:


    1. Erwerb der Kenntnisse über rechtschaffene Handlun- gen und Laster.

    2. Im Hinblick auf diese rechtschaffene Handlungen und Laster, den Bedingungen der Gelegenheit entsprechend handeln.

    3. Selbstkontrolle.


    4. Häufiges istiġfār (Bittgebet um Vergebung).

    5. Sich bemühen, Gotteserkenntnis zu erlangen: Zuvor wies ich darauf hin, dass man Allahs Erkenntnis erlan- gen soll. Da in diesem Fall festgestellt wurde, dass der Patient des Handelns nicht völlig fähig ist, sage ich da- her, dass er versuchen sollte, die Erkenntnis Allahs zu erlangen.

    6. Über die Folgen von rechtschaffenen Handlungen und Lastern reflektieren

    7. Versuchen, das foٰ lgendeْ Gebotَّ zu befolgen:

ھللاقالخأِباوقلخت 94

Die Behandlungsvorschläge, welche ich über obige hinaus anführen werde, sind prinzipiell und grundlegend.

Ohne Zweifel ist solch eine Person krank und eine Krank- heit kann nicht ohne korrekte Diagnose behandelt werden. Der Patient sollte zunächst methodisch feststellen, woran er er- krankt ist. Dafür sollte er sich zunächst fragen, welches Ziel er erreichen möchte. Dabei gibt es zwei Antworten: (a) Reinheit des Herzens und (b) Reform des Handelns. Die erste Antwort steht im Zusammenhang mit der Liebe Gottes, ja, die Schwäche des Herzens bedeutet, dass die Fähigkeit aufrichtig zu lieben, gestorben ist.

Folgende, von mir geschaute Vision habe ich schon oft er- zählt. Ich sah, dass Hadhrat JesusAS auf einer Kanzel in der Ge- stalt eines Kindes stand, die Hände gen Himmel gehoben. Auch sah ich seine Mutter Hadhrat MariaRA, wie sie von oben herab-


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94 „Eignet euch Allahs Attribute an.“ Al-Imām Faḫru d-Dīn ar-Rāzī, at-Tafsīr al- Kabīr, Tafsīr Sūratu l-Baqara, ʾAya 270. [Anm. d. Ü.]


stieg und sich etwas höher auf die Kanzel stellte. Dann unter- nahm sie einen Schritt nach unten und Hadhrat JesusAS bewegte sich einen Schritt zu ihr hin. Daraufhin beugte sie sich zu ihm. In diesem Augenblick kamen die folgenden Worte aus meinem Munde: „Love creates love.“ D. h. „Liebe erzeugt Gegenliebe.“

Für das Phänomen, dass Liebe Gegenliebe erzeugt, gibt es bestimmte Ursachen: a) Schönheit und b) Güte.

Nun stellen wir uns eine Person vor, die Zeugin der Schön- heit Gottes ist. Das bedeutet, dass sie über Seine Eigenschaften reflektiert hat. Sie hat Seine Gnade erlebt und ist sich der Be- ziehung Gottes zu ihr bewusst, aber trotz all dem konnte die Liebe Gottes in ihr nicht erweckt werden. Das bedeutet, dass sie wie ein Kind ist, welches ihre Mutter nicht liebt und dessen Fä- higkeit zu lieben gestorben ist. Sie ist wie ein kranker Mensch, dessen Magen weder Medikamente noch Nahrung aufnimmt. Sie leidet folglich unter Magenbeschwerden. Der erste Schritt zu ihrer Genesung ist daher, ihren Magen zu stärken.

Übertragen auf das Spirituelle bedeutet dies, dass man die Emotionen einer spirituell kranken Person anregen muss. Da die äußere Erscheinung einen Einfluss auf den Geist ausübt, ist der erste Schritt zu ihrer Genesung, dass sie zumindest äu- ßerlich Demut zeigt. Sie sollte beispielsweise während des Ge- bets ihr Gesicht zum Weinen verziehen, selbst wenn es nicht authentisch ist. Dies würde dazu beitragen, dass sie allmählich tatsächlich Demut empfindet. In manchen Fällen übt allein schon die Gefühlsäußerung einen Einfluss auf das innere Erle- ben des Betroffenen aus.

Den folgenden Vorfall las ich bei einem amerikanischen Schriftsteller. Ein Professor, welcher als Schüler sehr begabt war, wurde zum Rektor einer Hochschule ernannt. Er versag-


te in der Position als Direktor jedoch völlig. Aufgrund seines Versagens konsultierte er einen Psychologen. Dieser sagte ihm daraufhin, dass der Grund seines Scheiterns seine übermäßige Nachsicht sei, die ihn an der Aufrechterhaltung der Disziplin hindere. Als der Rektor ihn fragte, was er dagegen unterneh- men könnte, riet ihm der Arzt, stets seine Zähne zusammenzu- pressen und seine Kiefermuskeln angespannt zu lassen, sodass äußerlich der Eindruck entstehe, er sei wütend. Er befolgte den Rat und innerhalb kürzester Zeit wurde er aufgrund seiner star- ken Veränderung landesweit als strengster Direktor bekannt, der erfolgreich Disziplin in seiner Schule etabliert hatte.

Das zeigt wiederum, dass die äußere Erscheinung einen Einfluss auf den Geist ausübt. Wenn ein Feigling zu stolzieren beginnt, wird er allmählich Mut und Tapferkeit entwickeln. Soldaten werden ebenfalls auf diese Weise geschult. Sie werden trainiert, mit herausgedrückter Brust und trotzig vorgerecktem Kinn zu marschieren. Dies fördert ihren Mut.

Das erste Mittel zur Behandlung ist daher, dass jemand, der unter einem Laster leidet, die dazu entgegengesetzte Tugend künstlich inszeniert. Folglich wird ihn diese Praxis allmählich in der Tat mit dieser Tugend ausstatten. Um Liebe zu entwi- ckeln, sollte er offenbar eine Haltung der Liebe zum Ausdruck bringen. Zum Beispiel sollte sein Händedruck fest und leiden- schaftlich sein. Wenn ein Besucher ihn verlassen möchte, sollte er auf seinen Aufenthalt bestehen, selbst wenn er sich im In- neren seine Abreise wünscht. Wenn sein Verhalten die äuße- ren Zeichen der Liebe zeigt, wird er allmählich auch in der Tat die Fähigkeit zu lieben erlangen und beginnen, Gott zu lieben. Denn es mangelte ihm zuvor an der Fähigkeit zu lieben.


Der zweite Behandlungsvorschlag ist, dass er seine Liebe zu seinen Eltern, seiner Frau und seinen Kindern stärkt. Diese Liebe wird als „metaphorische Liebe“ [al-išq al-maǧāzī] bezeich- net. Die Mystiker haben diesen Ausdruck geprägt, womit die Verstärkung der Liebe in rechtmäßigen Beziehungen gemeint war. Später wurde die Bedeutung dieses Begriffs völlig ver- zerrt. „Metaphorische Liebe“ bedeutet nicht, dass man einen schönen Jungen aufsucht, um mit ihm eine Beziehung einzuge- hen oder dass man eine sonstige unerlaubte Beziehung aufbaut. Sondern es bedeutet, diejenigen Verwandten, die man berech- tigterweise lieben darf, noch intensiver zu lieben. Dies wird die Leidenschaft der Liebe erwecken und folglich die Liebe zu Gott fördern.


Das zweite Ziel, das für die Weiterentwicklung der Spiritu- alität angestrebt wird, ist die Verbessrung des Handelns. Jede Handlung wird durch Willenskraft gesteuert. Man nimmt sich etwas vor und setzt es in die Tat um. Dennoch beabsichtigen Menschen immer wieder etwas, können ihr Vorhaben jedoch nicht realisieren. Die Hilflosigkeit einer solchen Person, die et- was unternehmen möchte, aber sich nicht in der Lage befindet, es zu tun, könnte eine der folgenden Ursachen haben:


  1. Sie hat die Kontrolle über ihren Willen verloren. Man kann über seine Willenskraft nicht mehr bestimmen, wenn das „Ich“ zu schwach ist. Das „Ich“ ist der Meis- ter und der Wille ist sein Diener. Der Meister ist dem- nach zu schwach, um den Diener zu etwas aufzufor- dern, da er Angst vor ihm hat. Folglich wird der Diener nachlässig hinsichtlich seiner Pflichten.


  2. Das „Ich“ bzw. der Meister ist zwar nicht schwach, aber die Willenskraft bzw. der Diener ist krank und hat die Kontrolle über die Emotionen verloren. Emotionen sind wie Bedienstete, die unter der Willenskraft arbei- ten. Wenn der Diener erkrankt, werden die Bedienste- ten nachlässig und sie weigern sich, ihm zu gehorchen. Infolgedessen wird die Kommunikation zwischen dem

    „Ich“ und den Emotionen beeinträchtigt.

  3. Etwas kommt zwischen dem Willen und den Emotio- nen. Obwohl der Wille in der Lage ist, Befehle zu er- teilen und die Emotionen bereit sind, zu gehorchen, ist zwischen den beiden entweder die Kommunikation un- terbrochen oder eine so große Distanz entstanden, dass die Befehle des Willens die Emotionen nicht erreichen.


Kurzum, dies sind die drei Ursachen der Sünde oder die der Vernachlässigung der Rechtschaffenheit:


  1. Schwäche des „Ichs“.

  2. Schwäche des Willens.

  3. Andere Gründe, wie zum Beispiel Gewohnheit, können die Emotionen von der Kontrolle des Willens loslösen. Ein Raucher beispielsweise, der zwar den Willen haben mag, das Rauchen aufzugeben, kann nicht anders, als seiner Sucht nachzugeben, wenn er die Wasserpfeife sieht.


Methoden, die das „Ich“ fördern und die Willenskraft stärken


Ich werde nun erläutern, welche Faktoren das „Ich“ för- dern und die Willenskraft stärken.


  1. Der erste Faktor, welcher das „Ich“ stärkt, ist der Wunsch nach Selbsterhaltung. Jedes Wesen hat den Wunsch, fortzubestehen. Versucht man, ein kleines In- sekt zu töten, wird es sich winden und krümmen. Dies ist ein Zeichen dafür, dass es am Leben bleiben möchte. Ein Mensch, welcher unter den oben erwähnten spiri- tuellen Krankheiten leidet, sollte bedenken, dass seine Krankheit ihn in den Tod führen wird. Er muss, um zu überleben, seinen Selbsterhaltungstrieb stärken, der eine natürliche Disposition des Menschen ist und durch Selbstreflexion gestärkt werden kann.

    Man sieht, dass ein Raucher bzw. Alkoholiker beim Anblick einer Wasserpfeife bzw. des Alkohols sich geradezu in ihre Richtung treiben lässt. Doch wenn jemand diese Person in derselben Situation mit einem Schwert angriffe, würde er, angesichts der Todesge- fahr, davonlaufen. Einem Volksspruch zufolge werden Betrunkene nüchtern, wenn sie geprügelt werden. Der Wunsch nach Selbsterhaltung hat also zur Folge, dass die Trunkenheit nachlässt.

  2. Der rechtmäßige Wille zur Beseitigung von Hindernis- sen muss gefördert werden. Diese Veranlagung ist eine logische Schlussfolgerung aus dem Selbsterhaltungs- trieb. Der Wunsch nach Erhaltung ist nicht erfüllt, so- lange der Wunsch nach rechtmäßiger Beseitigung nicht


    gefördert wird. Dies bedeutet, dass man sich vornimmt, die Hindernisse auf dem Weg zum Erfolg zu zerstäu- ben.

  3. Die dritte Methode zur Stärkung des „Ichs“ ist die För- derung der Fähigkeit der Aneignung. Der Mensch soll- te sich vornehmen, sich alle notwendigen Dinge anzu- eignen. Über all die Dinge, die ihn schwer erreichbar erscheinen, sollte er wiederholt den Entschluss fassen, diese für sich einzunehmen. Dadurch wird das „Ich“ die Oberhand gewinnen.

  4. Man sollte die Widerstandskraft stärken. Das heißt, man sollte sich vornehmen, die Dinge zu bekämpfen, die für einen schädlich sind.

  5. Standhaftigkeit sollte gefördert werden. Dies stärkt ebenfalls das „Ich“. Standhaftigkeit zu erreichen, kann schwierig sein und für einige sogar unmöglich. Man- che Menschen sagen nachlässig: Was soll‘s. Diese An- gewohnheit ist nicht erstrebenswert. Standhaftigkeit in einigen Angelegenheiten führt zur Stärkung der Stand- haftigkeit in anderen. Dies trägt dazu bei, dass das

    „Ich“ gestärkt wird.

  6. Besonnenheit: Auch diese entsteht aus dem Drang nach Beständigkeit. Zu Handeln in einer Situation, unter Berücksichtigung aller Faktoren, fördert die Weisheit, die Fähigkeit, ein Geheimnis zu wahren, und auch die Selbstkontrolle. Das „Ich“ wird folglich stärker.

  7. Vorsicht, Klugheit, Wachsamkeit und Weitblick: Man sollte versuchen, sich diese Eigenschaften anzueignen. Dadurch wird das „Ich“ gefördert.

  8. Abneigung gegen Lob: Lob sollte unterbrochen wer- den, denn das „Ich“ fällt dem Lob zum Opfer wie ei-


    nem scharfen Messer. Der Heilige Qurʾan legt diesen Punkt in schöner Weise aus. Darin heißt es:

    اوۡ لُ عَ فۡ َیمۡ َلامَ ِباوۡ دُ مَ حۡ یُّ نۡ َانَ وۡ بُّ حِ یُ وَّ

    „…und gerühmt werden möchten für das, was sie nicht getan“95


    Das bedeutet, dass solche Menschen das Lob ge- nießen, ohne darauf zu achten, ob sie überhaupt eine lo- benswerte Tat ausgeführt haben. Sie strengen sich nicht an, sondern begnügen sich mit dem Wenigen, das sie getan haben. Wenn andere behaupten, sie hätten etwas geleistet, glauben sie leichtsinnig daran. Sie leben in ei- ner Phantasiewelt von falschem Lob. Daher stärkt die Abneigung gegen Lob das „Ich“.

  9. Die Entwicklung eines Selbstwertgefühls: Man sollte sich weigern, Schmach oder Schande irgendeiner Art zu dulden. Man sollte sagen: „Warum sollte mir etwas Schlechtes zugeschrieben werden?“ Das „Ich“ wird da- durch geweckt, protestiert dagegen und kann seinen Absichten folgen.

  10. Würde: Man sollte sich nicht in Angelegenheiten an- derer einmischen, die einen in keiner Weise betreffen. Dies ist eine Form von Frivolität und Schamlosigkeit, die das „Ich“ zum Tode führt.

  11. Hoffnung: Man sollte diese Kraft in sich entwickeln, denn auch sie fördert die Selbstachtung. Man sollte dar- an glauben, dass etwas erfolgreich verlaufen wird. Dies stärkt das Selbstbewusstsein.


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    95 3:189.


  12. Frohmut: Er verleiht einen Kraft. Verdruss hingegen schwächt die Vitalität.


Einige dieser Empfehlungen sind schwierig in die Tat um- zusetzen. Doch wenn jemand auch nur einige von ihnen be- folgt, so wird er bald an Kraft gewinnen. Alle diese Übungen sind mentaler Natur. Sie werden zur Entwicklung der geistigen Kräfte beitragen, so dass der Wille kontrollierbar wird. Die bes- te Methode, um aus diesen Vorschlägen einen Nutzen zu zie- hen, ist, dass man über den tatsächlichen von mir dargelegten Wert des Menschen nachdenkt. So wird man feststellen, dass das „Ich“ seinem Potential gemäß an Stärke gewinnen wird.


Ein aufgeblasenes Ego indessen führt zu Sündhaftigkeit. Es ist wie ein grausamer Meister, der seine Knechte unnötig züchtigt. Seine Heilung liegt in der Vertiefung der Gedanken im Nachsinnen über Gottes Attribut der Unabhängigkeit. Man sollte innehalten und nachdenken: „Wenn mein Ego weiterhin je- den kleinen Fehler der anderen bestraft, wie würde es mir ergehen, wenn Gott mit mir genauso umginge und ist nicht alles, was ich be- sitze, eine Gabe Gottes? Ich bin nicht sein eigentlicher Besitzer, ich bin lediglich ein Hüter und werde über das mir anvertraute Gut zur Rechenschaft gezogen werden, daher sollte ich nicht grundlos Härte zeigen.“


Wenn das „Ich“ einmal stark geworden ist oder bereits stark ist und die Schwierigkeiten sich auf die Willenskraft oder die Hindernisse in der Kommunikation zwischen Willenskraft und Emotionen beziehen, dann gibt es die folgenden Behand- lungsmöglichkeiten:


  1. Der erste, oben bereits erwähnte Schritt ist, dass man einen Einklang zwischen dem äußeren und inneren Verhalten, bzw. zwischen den Gefühlsäußerungen und dem inneren Erleben herstellt; denn die äußere Erschei- nung beeinflusst den Geist. Der Verheißene MessiasAS hat hierauf besonderen Wert gelegt.

  2. Vollkommene Zuwendung und Konzentration auf Gott: Dies ist unerlässlich für den Erfolg und bedeu- tet, dass alle Gedanken in die gleiche Richtung fließen müssen. Jeder Gedanke, der von Gott ablenkt, sollte aus dem Geist getilgt werden. Der Heilige Qurʾan sagt:

    ﴾۲﴿اًقرۡ غت

    عٰ زِ ّٰنلاو 96


    Dies bedeutet, dass diejenigen, die Erfolg in ei- ner Angelegenheit erreichen möchten, sich gänzlich in dieselbige vertiefen müssen. Sie richten ihre Gedanken so aus, als wäre diese Angelegenheit ihr einziges Ziel und nehmen an allen anderen Geschehen nicht mehr teil. Wenn der Verstand einen Plan hinsichtlich einer Angelegenheit konstruiert hat, dann kann er die Um- setzung dieser Idee erleben. Wenn jemand zum Beispiel häufig lügt, sollte er sich vornehmen, nicht mehr zu lü- gen. Doch sein bloßes Vorhaben wird ihn nicht zum Erfolg verhelfen, solange er nicht Tag und Nacht seine Aufmerksamkeit darauf richtet, dass er nicht lügen darf und dass er das Lügen aufgeben muss.

    Wiederholtes und konstantes Nachdenken über


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    96 „Bei den mit aller Macht (zur Wahrheit) Ziehenden...“ (79:2)


    ein bestimmtes Thema erzeugt innere Stärke. Jedoch besteht hierbei die Gefahr, dass die Stärke sich über- nimmt, „verrückt“ wird, herumtrollt und aus der Kon- trolle des Willens gerät. Viele Menschen beklagen sich hierzulande, dass ihre Gedanken während des Gebets willkürlich umherschweifen und sie eine Lösung dafür suchen. Dies bedeutet, dass ihr Denkvermögen „ver- rückt“ spielt. Sie sind zwar in der Lage, sich zu konzen- trieren, allerdings konzentrieren sie sich auf etwas an- deres als Gott. Sie versuchen, ihre Aufmerksamkeit auf Gott zu richten, sind aber nicht erfolgreich. Es ist daher falsch, anzunehmen, dass Menschen, deren Gedanken im Gebet sich mit anderen Dingen beschäftigen, sich nicht konzentrieren können. Sie können sich durchaus konzentrieren. Ihr Problem allerdings ist, dass ihre Auf- merksamkeit nicht in der Kontrolle ihres Willens liegt. Sie wird unabhängig und wandert willkürlich umher. In einer solchen Situation sollte sie unter die Kontrolle der Willenskraft gebracht werden. Es stellt sich nun die Frage, wie dies erreicht werden kann? Ich werde diesen Punkt später noch näher erläutern. Vorerst möchte ich einen Vorschlag machen. Menschen, deren Gedanken während des Gebets abschweifen, sollten nicht bewusst versuchen, sich zwanghaft zu konzentrieren. Denn da- durch verlieren sie die Aufmerksamkeit. Vielmehr soll- ten sie dem Gebet so nachgehen, wie ihren anderen Be- schäftigungen auch.

  3. Gebrauch von der Willenskraft machen: Man sollte sich

    vornehmen, etwas kontinuierlich zu machen, ohne ver- meintlichen Hindernissen Beachtung zu schenken. Da die Willenskraft gelegentlich schwach ist, nimmt eine


    Person sich vor, eine Handlung durchzuführen, lässt ihren Vorsatz jedoch aufgrund von Hindernissen fallen.


    Exkurs: Wege zur Stärkung der Willenskraft


    Zur Stärkung der Willenskraft schlage ich ein Rezept vor, das zusammengesetzt ist aus vierzehn Inhaltsstoffen des Heili- gen Qurʾan und den Überlieferungen des Heiligen Propheten-

    SAW:

    1. Ständige Wiederholung des folgenden Verses aus dem Heiligen Qurʾan:

      ﴾۵۷﴿نِ وۡ دُ بُ عۡ یَ ِلاَّلاِ سَ ۡ ناِ ۡلاوَ نَ

      جِ لات

      قۡ َلخامو


      „Und Ich habe die Dschinn und die Menschen nur darum erschaffen, dass sie Mir dienen.“97


      Man sollte stets berücksichtigen und bedenken: „Gott hat mich geschaffen, um Seine Nähe zu erlangen. Seine Schöpfung kann nicht vergeblich sein. Ich werde gewiss Sein Diener werden. Nichts wird mich davon abhalten.“ Er sollte nicht denken, dass er nicht in der Lage sei, etwas zu bewirken. Er sollte sich bildlich vor Augen führen, dass Gott ihn ergreift und persönlich auffordert: „Steh auf und mach dich an die Arbeit!“ Die Mystiker nennen dies

      „tiefe Kontemplation“ [murāqaba]. Es bedeutet nicht, dass er lediglich passiv nachdenkt, sondern dass er wie- derholt und konzentriert seine Gedanken vertieft: „Es kann unmöglich sein, dass Gott mich erschaffen hat, um Sein Diener zu werden, ich aber etwas anderes werde.“


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      97 51:57. [Anm. d. Ü.]


    2. Tiefe Reflektion über die Thematik des folgenden Ver- ses aus dem Heiligen Qurʾan:

      ﴾۵﴿مٍ ۡیوِ قۡ َتنِ سَ حۡ َا یۤۡ فِ ناسَ ۡ ناِ ۡلاانَ قۡ َلخ

      دۡ قَ َل 98


      Er sollte bedenken: „Gott hat mich mit den besten Fähigkeiten ausgestattet. Eine rechtschaffene Eigenschaft, die sich jemand anderes aneignen kann, kann auch ich mir an- eignen. Das Erreichen des höchstmöglichen Ranges ist mir genauso möglich wie anderen auch. Wie kann ich dann ir- regehen?“ Er sollte sich dies bildlich vor Augen führen und immer wieder darüber nachdenken.


    3. Er sollte über den folgenden Vers wiederholt reflektie-

      ren:

      دِ ۡیرِ وَ ۡلا لِ بۡ ح


      نم ہ

      یۡ َلاِ ب

      رَ قۡ َا ن

      حۡ ن 99


      Er sollte sich die Bedeutung dieses Verses ver- innerlichen und darüber wie folgt nachsinnen: „Gott hat mich erschaffen und Er kennt die kleinsten Zweifel, die in einer Person aufkommen und ihn verwirren können. Gott ist dem Menschen sogar näher als sein eigener Geist und Er kann die Zweifel beheben, sobald sie in seinem Geist aufkei- men.“ Gott hat den Menschen im oben erwähnten Vers versichert, dass man keine Angst vor Zweifel haben sollte, da ihm die Mittel zur Auflösung der Zweifel nä- her sind, als die Mittel, die Zweifel erzeugen.


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      98 „Wahrlich, Wir haben den Menschen in schönstem Ebenmaß erschaffen.“ (95:5)

      99 „...denn Wir sind ihm näher als die Halsader.“ (50:17)


    4. Er sollte über den Vers reflektieren:

      نَ وۡ مُ َلعۡ َی اَل ن

      ۡیقِ فِ نٰ مُ ۡلا نَ ک

      ٰلوَ ن

      ۡینِ مِ ؤۡ مُ ۡلِلوَ ھٖ ِلوۡ سُ رَ ِلوَ ۃُ زَّ عِ ۡلاھِ لٰ ِلو


      100


      Der Mensch sollte sich vor Augen führen: „Ich bin ein Gläubiger und ein Gläubiger kann unmöglich besiegt werden. Wie ist es dann möglich, dass meine Willenskraft sich nicht durchsetzen kann?“ Er sollte es in Gedanken solange wiederholen, bis seine Willenskraft sein Ego bezwingt.


    5. Folgender Vers sollte ständig rezitiert werden:

      نطٰ ۡلسُ مۡ ِہیۡ َلعَ ك

      َلسَ ۡیَلی

      دابَ ع

      نَّ ا


      101


      Gott sagt: „Satan hat keine Kontrolle über meine Diener.“ Daher sollte man bedenken: „Ich bin ein Diener Gottes und Satan hat keine Macht über die Diener Gottes. Wie ist es dann möglich, dass mich das Böse einnimmt?“


    6. Dazu gehört auch der folgende Vers:

      نَ وۡ ُنزَ حۡ یَ مۡ ُہاَلوَ مۡ ِہیۡ َلعَ ف

      وۡ خ

      اَل 102

      Er sollte dann daran denken: „Ich fürchte nieman- den außer Gott. Ich bin ein Gläubiger und ein Gläubiger hat keine Angst, sondern nur Ehrfurcht vor Gott.“


      image

      100 „...obwohl das Ansehen nur Allah und Seinem Gesandten und den Gläu- bigen gebührt; allein die Heuchler wissen es nicht.“ (63:9)

      101 „Fürwahr, du sollst keine Macht haben über Meine Diener.“ (15:43)

      102 „...über [sie] soll keine Furcht kommen, noch sollen sie trauern.“ (10:63)


    7. Er sollte über diesen Vers reflektieren:

      ۃِ رَ خ

      اٰ ۡلایفِ وَ ایَ ۡندّ لا ۃویٰ َحلایفِ مۡ ُکؤُ یٰٓ ِلوۡ َان

      حۡ ن


      103


      Engel werden dem Gläubigen niedergesandt und ihm wird versichert: „Wir sind eure Helfer, warum fürchtet ihr euch dann?“


    8. Er sollte den folgenden Vers lesen und über ihn reflek- tieren:

      نَ وۡ رُ ِفک

      ۡلا مُ وۡ قَ ۡلااَّلاِ ھِ ّللاحِ وۡ رَّ ن

      مسُ َٔـۡیاَیاَل ہٗ َّناِ ؕھِ ّللاحِ وۡ رَّ ن

      ماوۡ سُ َٔـۡیاَتاَلو


      104


      Er sollte bedenken: „Schwierigkeiten können mich nicht zur Verzweiflung führen. Verzweiflung ist der Tod, den ich nicht bereit bin, zu akzeptieren. Wenn der Wille nicht gehorcht, werde ich nicht ruhen, bis er gehorcht.“


    9. Er sollte stets über den folgenden Vers nachsinnen:

      یۡ فِ یۡ ِلخُ داَف﴾۲۹﴿ۃ

      یَّ ضِ رۡ َمّ ۃیَ ضارَ ك

      ِّبر یلٰ اِ یۤۡ عِ جِ را﴾۲۸﴿ۃ

      نَّ ئِ مَ طۡ مُ ۡلاس

      فۡ نّ لااھَ تُ َّیَای

      ﴾۳۱﴿یۡ تِ نَّ ج

      یۡ ِلخُ داوَ ﴾۳۰﴿ی

      دِ بٰ ع


      105


      Er sollte bedenken: „Ich bin zufrieden und grenzenlose


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      103 „Wir sind eure Freunde in diesem Leben und im Jenseits.“ (41:32)

      104 „...und verzweifelt nicht an Allahs Erbarmen; denn an Allahs Erbarmen verzweifelt nur das ungläubige Volk. “(12:88)

      105 „(Doch) du, o beruhigte Seele, Kehre zurück zu deinem Herrn, befriedigt in (Seiner) Zufriedenheit! So tritt denn ein unter Meine Diener, und tritt ein in Meinen Garten!“ (89:28-31)


      Möglichkeiten sind mir offen. Warum sollte ich den Mut ver- lieren, wenn Gott auf meiner Seite ist und mir sagt, ‚Tritt ein in das Paradies, das kein Ende hat!‘?“


    10. Er sollte stets über das folgende Hadith reflektieren:

      لوبُ قَ ْلاھُ َلع

      ضوُی 106


      Allah verspricht den Gläubigen, dass Er ihre Anerkennung in der Welt etablieren wird und sie nicht verleumdet werden. Auch dies fördert die Willenskraft.


    11. Er sollte über den Vers reflektieren:

      مٍ وۡ قَ ِّل تیٰ اٰ َلكِلذٰ یۡ فِ نَّ اِ ؕہنۡ مِّ اعً یۡ مِ جَ َّ ضرۡ َاۡلایفِ اموَ توٰ مٰ سّ لایفِ امَ مۡ کَل رَ خَّ سَ و

      ﴾۴۱﴿نَ وۡ رُ کفَ تَ َّی 107

      Er sollte bedenken: „Alles Scheitern entsteht aus Gier und Geiz. Ich habe keinen Grund, gierig zu sein, da Gott mich bereits mit allem versorgt hat.“


    12. Er sollte über den Vers reflektieren:

      مۡ ُہنَ یۡ َب ءآمَ حَ ر

      رافَّ ک

      ۡلایَلعَ ءآدَّ شِ َاہۤ ٗ عَ م

      نۡیذِ َّلاوَ ؕھِ ّللالُ وۡ سُ رَّ دٌ مَّ َحم


      108


      image

      106 „Ihm wird die Anerkennung der Menschen beschert werden.“ Ṣaḥīḥ al- Buḫārī, Kitābu t-Tawīd, Bāb Kalāmu r-Rabb maʿa Ǧibrīl…

      107 „Und Er hat euch dienstbar gemacht, was in den Himmeln und was auf Erden ist; alles ist von Ihm. Hierin sind wahrlich Zeichen für Leute, die nachdenken.“ (45:14)

      108 „Muhammad ist der Gesandte Allahs. Und die mit ihm sind, hart sind sie wider die Ungläubigen, doch gütig gegeneinander.“ (48:30)


      Er sollte bedenken: „Schlechte Gedanken, bös- willige Absichten und Regungen können nicht in mein Herz eindringen, da ich zu der Umma gehöre, über welche Gott offenbarte:

      301 مۡ ُہنَ یۡ َبءآمَ حَ رُ رافَّ کۡلایلَ عَ ءآدَّ شِ َا


      d.h. sie werden niemals von den Ungläubigen beein- flusst, sondern nur den Einfluss der Gläubigen anneh- men.


    13. Er sollte sich immer wieder an den folgenden Vers erin-

      nern:

      نۡیقِ دِ صٰ لا ع

      مَ اوۡ ُنوۡ ک


      109

    14. Er sollte ebenfalls über das folgende Hadith des Heili- gen ProphetenSAW reflektieren:

      مْ ُہسُ ْیِلجیقَ شْ َ یاَل 110

      Er sollte bedenken: „Die guten Gedanken, die sich in meinem Herzen entfalten, beeinflussen andere. Gott ermahnt die Gläubigen, sich in der Gesellschaft von Recht- schaffenen zu bewegen. Wenn ich niemanden durch das Gute in mir beeinflussen kann, kann ich kein Gläubiger werden.“


    15. Schließlich sollte er über den folgenden Vers reflektie- ren:


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    109 „Seid mit den Wahrhaftigen!“ (9:119)

    110 „Wer sich in der Gesellschaft (von Rechtschaffenen) bewegt, wird kein schlechtes Schicksal erleiden.“ Ṣaḥīḥ Muslim, Kitābu ḏ-Ḏikr, Bābu Faḍli Maǧālisi ḏ-Ḏikr.

    ﴾۳۵﴿ نَ وۡ دُ ِلخٰ لا مُ ُہَف تَ

    مّ نۡ ِئا۠ َفَاؕدَ ۡلُخلاك

    ِلبۡ َقن

    مّ رٍ شَ بَ ِلانَ ۡلعَ جامو


    111


    Darin sagt Gott zum Heiligen ProphetenSAW: „Ich habe weder dich noch einen anderen Menschen für die Ewig- keit erschaffen.“ In diesem Zusammenhang ist es wichtig folgendes zu bedenken: „Da ich nicht ewig auf dieser Welt bleiben werde, sollte ich meine Zeit nicht vergeuden.“


    Diese vierzehn Methoden verleihen dem Willen solch eine Stärke, dass er Gefühle und Emotionen kontrollieren kann, vor- ausgesetzt man übt sie aus in tiefer Reflexion und Zuwendung.


  4. Die vierte Maßnahme, um den Willen zu stärken bzw. die Hindernisse in der Kommunikation zwischen Wil- lenskraft und Emotionen auszuräumen, ist, dass man von Anbeginn eine starke Offensive gegen die Laster führt, die man bekämpfen möchte. Wenn eine Armee angreift, startet sie ihren Angriff mit voller Wucht. Der gleiche Weg sollte im Kampf gegen eine Untugend ein- geschlagen werden. Die gesamte Energie sollte gegen die Sünden eingesetzt werden, von denen man sich be- freien möchte.

  5. Man sollte die Gewohnheit jener Rechtschaffenheit kul- tivieren, die man erwerben möchte, ja, man sollte sich das Gegenteil dessen, das man ablegen möchte, zur Ge- wohnheit machen. Wenn beispielsweise jamand dazu neigt, im Affekt die Nerven zu verlieren, so sollte er Langmut üben.


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    111 „Wir gewährten keinem Menschenwesen vor dir immerwährendes Leben. Drum, wenn du sterben solltest, können sie immerwährend leben?“ (21:35)


  6. Die Gewohnheit des Nachdenkens und der Bedäch- tigkeit sollte kultiviert und Voreiligkeit vermieden werden. Dies schützt einen gegen den Angriff bereits vorhandener schlechter Gewohnheiten. Diesen Ge- wohnheiten kommt die Voreiligkeit zugute. Kontemp- lation und Bedächtigkeit stattdessen lassen sie nicht zu.

  7. Vor jeder Handlung sollten die Vor-und Nachteile voll- ständig gegeneinander abgewogen werden, bis sich eine genaue Idee dieser Sache auf den Geist einprägt. Dies hat zum Vorteil, dass das Tun dessen, das er- wünscht ist, und das Verwerfen dessen, das vermieden werden sollte, leichter fällt.

  8. Gelegentlich sollte man das, was unter normalen Um- ständen erlaubt ist und das man auch begehrt, freiwillig unterlassen, damit die Gewohnheit, gegen den Willen zu handeln, gepflegt wird. Eine Person, zu dessen Ge- wohnheiten es gehört zu stehlen, und die unfähig ist, dieselbige zu verwerfen, sollte gelegentlich etwas Er- laubtes unterlassen, das sie begehrt. Sie sollte gelegent- lich eine Nacht wachen, obwohl sie schlafen möchte oder eine Mahlzeit auslassen, obwohl sie hungrig ist. Auf diese Weise wird sie allmählich ihren Willen stär- ken. Hadhrat ʿAlīRA sagte:


    مِ ِئازَ عَ ْلاخِ سْ فَ ِبیبِّ رَ ت

    فْ رَ َع 112

    „Ich habe Gott durch die wiederholte Vereitelung mei- ner Beschlüsse erkannt.“


    image

    112 al-Aṭṭār an-Nīsābūrī, Rauḍātu l-Wāʿiḏīn, Maǧlis fī Maʿrifatillāh wa-mā Yataʿallaqu bi-hā, Bāb al-kalām fī mā warada min-a-l-aḫbār fī Maʿnā l-ʿAdl wa-t- Tawhīd (Princeton Universität), Manuskript Nr. 32101 076410107 [Anm. d. Ü.]


    Dies bedeutet: „Ich habe bestimmte Vorsätze immer wieder gefasst und fallen gelassen. Ich blieb jedoch standhaft und ließ mich nicht entmutigen und habe dadurch Gott ge- funden. Hätte ich nach dem ersten Scheitern schon meinen Mut verloren, wäre verzweifelt und hätte mich nicht weiter- hin bemüht, so hätte ich nicht mit Erfolg Gott gefunden.“

  9. Man sollte den Zustand des Selbst immer wieder stu- dieren und ihn so untersuchen wie ein Arzt seinen Pa- tienten untersucht.

  10. Weiterhin sollte man sich ein hohes Ziel setzen und sich mit nichts weniger als dem idealen spirituellen Zustand zufriedengeben. Man sollte die höchstmögliche Stufe dessen, was man erreichen möchte, im Auge behalten. Wer sich zum Ziel setzt, das Höchste zu erreichen, wird zumindest etwas erreichen. Auf diese Weise kann man sein Ego bezwingen.


Neben diesen Anstrengungen gibt es eine zusätzliche Me- thode: das Dua113. Wenn der Mensch durch die eigenen An- strengungen nichts erreichen kann, braucht er Hilfe von außen. Die erste Stufe ist die eigene Anstrengung, in anderen Worten die interne Hilfe. Die zweite Stufe ist die Hilfe von außen. Man sollte sich anstrengen und gleichzeitig göttliche Hilfe erflehen, dass man erflehe, alles zu unternehmen, was in der eigenen Macht liege, wiewohl allein die Hilfe Gottes einem zum Erfolg verhelfen könne.

Folgende Geschichte eines Weisen illustriert dies. Sein Schüler widmete sich der Mystik. Er verweilte eine lange Zeit bei dem Weisen, um sie zu studieren. Als er eines Tages heim-


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113 Bittgebet. [Anm. d. Ü.]


kehren wollte, fragte ihn der Weise: „Gibt es in deinem Land Sa- tan?“ „Gibt es einen Ort, wo Satan nicht ist?“, fragte der Schüler verwundert. Der Heilige fragte wiederum: „Was würdest du un- ternehmen, wenn Satan dich angreifen sollte, wenn du heimkehrst?“ Der Schüler antwortete: „Ich werde ihn bekämpfen.“ Der Weise sagte: „Schön und gut; du bekämpfst Satan und er entflieht. Was wirst du dann tun, wenn er wiederkehrt und dich an deiner Hinwen- dung zu Gott hindert?“ „Ich werde ihn wieder bekämpfen“, sagte der Schüler. Darauf sagte der Weise: „Wenn du ständig Satan bekämpfst, wann wirst du dann die Zeit finden, dich Gott zuzuwen- den?“ Der Schüler bat den Weisen, ihm bei der Lösung des Di- lemmas zu helfen. Der Weise stellte ihm folgende Frage: „Wenn du einen Freund besuchst und sein Hund dich bedroht, was würdest du in dem Moment machen?“ Der Schüler sagte: „Ich würde den Hund mit einem Stock wegscheuchen.“ Der weise Mann fragte:

„Was würdest du unternehmen, wenn der Hund zurückkehrt und wieder hinter dir her ist?“ Der Schüler antwortete: „Ich werde seinen Meister rufen, dass er kommen soll, um ihn unter Kontrolle zu bringen.“ Der Heilige sagte: „Du solltest bei der Bekämpfung Satans das gleiche Verfahren annehmen. Du solltest Gott anflehen:

‚Ich möchte Deine Nähe erlangen, Satan lässt dies jedoch nicht zu. Du allein, Herr, kannst ihn bändigen ‘“ Ein Weg, sich von Lastern zu reinigen, besteht darin, zu beten: „Mein Herr, ich tue mein Bestes, um das Böse abzuwehren, aber ich kann nicht erfolgreich sein, solange Du mir nicht hilfst.“

Ich hatte als zehnten Punkt angebracht, dass man sich im- mer ein hohes Ziel setzen sollte. Ein Anwesender fragt, ob es auch zulässig sei, sich Erhabenes zu wünschen. Meiner Auffas- sung nach ist dies nicht zulässig. Auch der Verheißene Mes- siasAS schreibt, dass wir nicht den Wunsch nach göttlicher Of-


fenbarung hegen sollten.114 Es besteht ein großer Unterschied zwischen hohen Zielen und Gier. Gier ist ein von Wünschen gelenktes Verlangen und bedeutet, dass man, sobald man et- was Begehrenswertes sieht, es für sich in Anspruch nehmen möchte. Ein Ziel hingegen wird im Voraus festgelegt und erst danach wird versucht, es zu erreichen. Jemand, der gierig ist, ist daher wie ein Bettler. Derjenige, der sich hingegen ein Ziel setzt, ist tapfer.

Ähnlich verhält es sich mit dem Wunsch nach göttlicher Offenbarung. Offenbarung ist ein von Gott bereitetes Festmahl für Seinen Diener. Wenn jemand seinen Freund besucht, um an einem opulenten Festmahl teilzunehmen, würde dies von allen verachtet werden. Wenn jemand allerdings seinen Freund mit keinerlei Hintergedanken besucht, sondern lediglich, um ihn zu treffen, so wird es keinen stören, selbst wenn ihm dort ein üppiges Mahl geboten wird. Genauso verhält es sich mit dem Wunsch nach göttlicher Offenbarung. Wenn jemand zu Gott für Seine Nähe und einen hohen spirituellen Status betet, wird er, sobald er dies erreicht hat, auch Offenbarungen empfangen. Wenn eine Person sich jedoch lediglich nach göttlicher Offen- barung sehnt, so würde dies bedeuten, dass er nur gierig nach dem Festmahl ist und nicht den Wunsch hegt, Seine Nähe zu erreichen. Es ist daher nicht angemessen, sich nach göttlicher Offenbarung zu sehnen.


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114 Hadhrat Mirza Ghulam Ahmad Qadiani, „Malfūẓāt Band III“, (Qadian: Islam International Publications Limited, 2010), 102, 135.


Körperliche Krankheit statt spirituelle


Ich wende mich nun wieder dem Hauptthema zu. Wenn eine Person, trotz der Befolgung der oben beschriebenen Prin- zipien, nicht in der Lage ist, das Böse zu meiden und sich recht- schaffene Eigenschaften mit wachsendem Erfolg anzueignen, dann bedeutet dies, dass die Krankheit, unter die er leidet, kör- perlicher Natur ist und nicht spiritueller. Sein Nervensystem ist erkrankt und es wäre für ihn am besten, einen Arzt zu konsul- tieren. Wenn ärztlicher Rat jedoch nicht verfügbar ist, sollte er Folgendes unternehmen:


  1. Er sollte sich sportlich betätigen.

  2. Sein Geist sollte sich erholen.

  3. Er sollte sich gesund und gut ernähren.

  4. Er sollte versuchen, frohen Gemütes zu bleiben.


Es sollte auch berücksichtigt werden, dass Einbildung eine Ursache für sowohl spirituelle als auch körperliche Beschwer- den sein kann. Dies kann ich durch meine eigene Erfahrung be- stätigen. Als ich begann, Medizin zu erlernen, bildete ich mir ein, an jeder von mir studierten Krankheit zu leiden. Anfangs dachte ich, dass es lediglich mir so erginge. Ein Medizinstudent erzählte mir jedoch, dass sein Professor seine Studenten vor solch ein Phänomen gewarnt hatte. Daher warne ich euch, im Studium der spirituellen Krankheiten nicht den gleichen Feh- ler zu begehen und anzunehmen, dass alle diese Krankheiten in euch vorhanden sind, ehe ihr infolgedessen tatsächlich diese Krankheiten erleidet.

Das erinnert mich an die Geschichte eines strengen Lehrers. Seine Schüler schmiedeten Pläne, den Unterricht ausfallen zu


lassen. Einer von ihnen sagte, dass er ihnen einen freien Tag verschaffen könne, falls sie ihn unterstützen. Er sagte: „Ich wer- de zum Lehrer gehen und ihn fragen, was los sei und dass er ungesund aussehe. Ihr solltet in dem Moment dazu stoßen und mir zustimmen!“ Sie waren einverstanden. Daraufhin ging der Schüler zum Leh- rer und fragte ihn mit besorgter Stimme, ob er sich wohl fühle. Der Lehrer sagte ihm, dass er den Mund halten und sich an sei- ne Arbeit machen soll. Der Schüler beharrte jedoch darauf, dass der Lehrer tatsächlich etwas blass aussehe. Darauf schimpfte der Lehrer mit ihm. In dem Moment kam ein Schüler hinzu, der die gleiche Bemerkung machte. Auch er wurde von dem Leh- rer zurechtgewiesen, wenn auch mit etwas weniger Vehemenz. Sodann kam ein Schüler nach dem anderen hinzu, jeweils sei- ne Besorgnis zum Ausdruck bringend. Beim siebten Schüler räumte der Lehrer ein, dass er sich ein wenig unwohl fühle. Es gäbe jedoch keinen Grund zur Sorge. Er ermahnte die Schüler, dass sie unnötig auf sein Unwohlsein herumreiten würden. Als der fünfzehnte oder sechzehnte Schüler sich über seinen Ge- sundheitszustand erkundigte, gestand der Lehrer: „Ja, ich fühle mich in der Tat ein wenig fiebrig. Daher werde ich mich ein wenig ausruhen.“ Er bekam tatsächlich Fieber und ging, nach- dem er seinen Schüler entließ, nach Hause. Die Schüler berich- teten zu Hause ihren Müttern von der Krankheit des Lehrers und schlugen vor, dass man ihn besuchen solle. Als die Mütter ihn besuchten, um ihre Mitgefühl und ihre Besorgnis zum Aus- druck zu bringen, war der Lehrer überzeugt, dass er schwer krank sei. So wurde sein Gesundheitszustand in der Tat immer schlimmer, bis er schließlich starb. Dies mag nur eine Geschich- te sein, doch in ihr ist auch ein Funken Wahrheit enthalten.

Moderne europäische Forschung zeigt, dass seit der Ver-


marktung von Patentmedizin115 die Zahl von Erkrankungen ge- stiegen ist. Werbeagenturen stellen übertriebene Behauptungen bei der Vermarktung dieser Heilmittel auf und stellen sie als Lösung für beinahe jede Krankheit dar. Der Leser wird leicht in die Irre geführt und nimmt an, dass er zumindest an einer der aufgeführten Krankheiten leidet und kauft infolgedessen dieses Medikament. Die lebhafte Phantasie dieser Menschen macht sie dann tatsächlich krank. Deshalb sollte man versuchen, sich der Gewohnheit der Einbildung zu entziehen.


Verbreitung von Schändlichkeit


Die Verbreitung von Schändlichkeit ist eine nennenswerte Sünde, auch auf nationaler Ebene. Es gibt Menschen, die es zu ihrer Gewohnheit gemacht haben, andere zu verleumden und ihren Ruf zu schädigen. Sie behaupten beispielsweise, dass je- der bösartig und ein Gauner sei.

Zu Beginn versuchen einige Leute, gegen die Verleum- dung zu protestieren und sie auszumerzen, allmählich fallen ihre Proteste jedoch gemäßigter aus und sie nehmen mit dem Vorwand, dass es sie nichts angehe, eine passive Haltung ein. Dann gehen sie einen Schritt weiter und behaupten: „Es gibt zwar derartige Leute, aber was können wir dagegen schon unterneh- men?“ Dann gelangen sie an einen Punkt, an dem sie den Ver- leumdern zustimmen, dass jeder hier bösartig und ein Gauner



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115 Zu jener Zeit war die Patentmedizin noch auf dem Markt. Es handelte sich hierbei um Arzneimittel, die durch starke Vermarktung als Allheilmittel verkauft wurden, doch nicht den gewünschten Erfolg zeitigten. „Patentme- dizin“ ist eine irreführende Bezeichnung, da sie in den meisten Fällen, selbst wenn ein Produkt eine Handelsmarke trägt, nicht tatsächlich patentiert ist. [Anm. d. Ü.]


sei. Man sollte der Propaganda solcher Leute kein Gehör schen- ken, sonst leidet man irgendwann selbst darunter.

Der Heilige ProphetSAW sagte: „Wer anderen ein Übel zu- schreibt, wird auch selbst daran leiden.“116 Ganze Nationen ge- hen wegen dieses Lasters zu Grunde. Es ist Ihre Pflicht, die- jenigen aufzuhalten, die Schändlichkeiten verbreiten. Jemand, der Schändliches verbreitet, sollte herausgefordert werden, die schuldige Person und ihr Laster zu benennen und nicht eine all- gemeine Aussage zu treffen, die die ganze Nation oder Gemein- schaft beschuldigt. Der Heilige ProphetSAW sagte: „Eine Person, die eine ganze Nation eines vermeintlichen Lasters beschuldigt, lässt das Böse überhaupt erst entstehen.“117 Unter Menschen zu verbrei- ten, dass die eigene Nation verdorben sei, wird dazu führen, dass sie tatsächlich verdirbt. Solche Verleumder sind nationale Feinde. Man sollte ihnen Widerstand leisten. Ihnen sollte nicht gestattet werden, Schändliches zu verbreiten und die Nation zu verleumden. Auf der anderen Seite wird eine Nation, die skru- pellos wird, ebenfalls zugrunde gehen.

Insofern besteht die richtige Methode darin, jedes ver- meintliche Übel an die zuständigen Behörden weiterzuleiten. Wenn bei einer Untersuchung festgestellt wird, dass die Angst begründet ist, so liegt es an den Behörden, die geeigneten Maß- nahmen zu ergreifen, um das Übel zu entfernen.


Anfangs dachte ich, dass ein Tag für diese Ansprache genü- gen würde. Als ich jedoch die Notizen fertiggestellt hatte, kam mir der Gedanke, dass sie zwei Tage in Anspruch nehmen wür-


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116 Ṣaḥīḥ al-Buḫārī, Kitābu l-Adab, Bāb mā Yunhā min as-Sibāb wa-l-Laʿin.

117 Ṣaḥīḥ Muslim, Kitābu l-Birr wa-ṣ-Ṣila wa-l-ʾĀdāb, Bābu an-Nahy man Qāla Halaka n-Nās.


de. Am Ende des zweiten Tages bleiben dennoch etwa vierzig noch zu erläuternde Aspekte übrig. Wenn Gott es so will, kön- nen sie in der gedruckten Fassung eingearbeitet werden oder bei einer anderen Gelegenheit erörtert werden. Diese vierzig Punkte beziehen sich auf die Frage, wie der Mensch rechtschaf- fen werden kann.


Ein Gebet des Verheißenen Messiasas


Ich werde diese Ansprache mit einem Auszug aus den Schriften des Verheißenen MessiasAS beenden. Er brachte hier- in seinen Schmerz zum Ausdruck. Der Verheißene MessiasAS sagte, dass wir den Zweck der Gründung dieser Jamaat verfeh- len und nicht zu Erben der göttlichen Gnade werden, wenn wir darin scheitern, wahrlich rechtschaffen zu werden. Wir sollten daher versuchen, uns die Qualitäten anzueignen, deren Erwerb der Verheißene MessiasAS für uns vorgeschrieben hat. Ich hoffe, dass diejenigen, die sich Notizen zu meinen Ansprachen in diesem Jahr gemacht haben oder sie zumindest gehört haben, diese Methoden der Selbstreform in die Praxis umsetzen, da- mit wir der Welt zeigen können, dass unsere Verhaltensweisen ebenso beispiellos sind wie unsere Lehren. Die Realität ist, dass solange nicht jedes Mitglied unserer Jamaat ein walīyullāh118 ist, wir der Welt weder die Erlösung noch eine spirituelle Revolu- tion bringen können. Ihr solltet berücksichtigen, dass wir nicht nur das auf der Welt verbreitete Übel, sondern auch die Strö- mung des schlechten Denkens zu bekämpfen haben. Wir müs- sen den allseits fließenden, ja, reißenden Fluss der schlechten


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118 Heiliger und Freund Allahs. [Anm. d. Ü.]


Gedanken bekämpfen. Wir befinden uns in einer sehr heiklen Situation. Ich bitte alle Freunde in der Jamaat zu versuchen, so zu werden, wie der Verheißene MessiasAS es von uns erhoffte.

Ich beende nun den Vortrag mit dem folgenden Gebet des Verheißenen MessiasAS, in dem auch ich mich einschließe. Der Verheißene MessiasAS sagte:


ںہو گررکا پر ںلود کے ہوگر سا جو ںؤلا ظلفاا �ا سے ںکہا روا ںوکر ک

ی

م‘‘

قی�ی � پنیا روا لاڈ رنو پناا پر ںلود نا جو کر ملہاا �ی �تقر �ا روا ما� عطا

ظلفاا �ا مجھے �ا�

بھی ہو کبھی کہ ہے ہیرت ت پتڑ سے قشو سا نجا یم ۔�دکر رود کو �ز کی نا سے �ی�صخا

روا �د ڑچھو ٹجھو حرد نے ئںجنہو ں�ھکید گلو �ا تبکثر م عجما پنیا کہہو ند

متما جوت سے تکبر روا گےہ �بچا � پنےا سے شر �ی � ہو کہ ل کر سے ا� پنےا عہد سچا �ا

بجز � بھیا مگر گے �ر تےرڈ سے بر تپنےا روا گے �پڑ جا رود لکلب� ہے جڑ کی ںتوراشر

کہ نتےجا � مگر �ی ھتےپڑ زنما ںہا ۔�آ � نظر مجھے ںن ی�لکتا کے ںمدآ چند صخا

مخا طمع کھنار ما پر ںوسجد ی�ظا فصر ےکر نہت ہسجد کات تنیو� لد � �ب ۔ہے شے کی زنما

نیجسما ہی �ا ہے پہنچتی ٰیتقو فصر پہنچتا � � ا� سگو روا نخو کا ں�ب�� کہ � ہے

کے سا کہ ہے �

م�ی

کا لد ۔ہو نہ م�

دسجو و عکور کا لد � �ب

ہے �پی

بھی دسجو و عکور

سد سے دجوو پنےا نک سا کہ �

دسجو روا جھکے فطر کی سا کہ � عکور

روا ہو ئمقا پر ںحکمو

�کر عاد مگر ��ھکید �ن م نای م �ا بھی کچھ کا ںتو�ب نا کہ سفسوا را�

سفسوا سو ۔ہو راد�

سا یم ٰلیتعا ا� کہ ہے � عاد روا گا ںؤجا کئے ہے گیندز مد م مجھ � �ب روا ںہو

ی�ھپ� فطر پنیا لد کے نا کےکر لمبا تھہا کا حمتر پنیا روا ےکر کپ� کو

ںلود کے عجما

م روا ےدکر عطا

ی

محبت سچی ہمیب� روا ےد ٹھاا سے ںلود نکے

ت ا ے�ی�ک روا �راشر متما ت روا ےت د

’’۔گا ےکر � ئعضا کو ںؤعاد یم

ا� روا گیہو لقبو �و کسی عاد �

کہ ںہو کھر �ی


„Was soll ich tun und woher soll ich jene die Herzen dieser Gemeinde (die Ahmadiyya Muslime Jamaat) beeinflus- senden Worte holen? O Herr, gewähre mir die Worte und


offenbare mir die Ansprachen, die ihre Herzen erleuchten und wie ein Antidot auf das Gift in ihnen wirken! Mei- ne Seele wartet mit voller Sehnsucht auf den Tag, an dem ich erleben kann, dass die Mehrheit der Mitglieder mei- ner Jamaat das Lügen tatsächlich aufgegeben hat und den aufrichtigen Eid bei Gott geleistet hat, dass sie versuchen werden, sich vor jederlei Übel zu schützen, insbesondere vor Hochmut, welche die Wurzel allen Übels ist, und dass sie ihren Herrn stets fürchten werden.

Doch noch immer sehe ich solche Gesichter nicht, mit Ausnahme einiger bestimmter Menschen. Sie verrichten zwar das Gebet, verstehen jedoch dessen Sinn nicht. So lange das Herz sich nicht mit Demut niederwirft, ist es vergebliches Hoffen, sich auf äußerliche Niederwerfun- gen zu verlassen. So wie das Blut und Fleisch der Opfer Gott nicht erreicht, sondern nur die Ehrfurcht, so sind auch äußerliche Verbeugungen und Niederwerfungen bedeutungslos, solange das Herz sich nicht beugt, niederwirft und aufrichtig wird. Die Aufrichtigkeit des Herzens wird dadurch definiert, dass man Seinen Anweisungen folgt. Die Verbeugung bedeutet, dass man sich vor Ihm beugt und die Niederwerfung verkörpert das Aufgeben seines Selbst. Es ist zutiefst bedauerlich und tausendfach bedauerlich, dass ich keinerlei Auswirkung dieser Dinge in diesen Menschen sehe.

Ich bete, und ich werde dies auch bis zum letzten Atem-

zug meines Lebens tun. Möge Allah die Herzen meiner Jamaat reinigen und ihnen die weitreichende Hand Sei- ner Barmherzigkeit reichen und dadurch ihre Herzen zu Sich kehren. Möge Er jedes Übel und jeden Groll aus ihren Herzen beseitigen und zwischen ihnen wahrhafte Liebe erwecken. Ich bin davon überzeugt, dass dieses Gebet in Erfüllung gehen wird und Gott meine Gebete niemals ver- geblich sein lassen wird.“119


image

119 Hadhrat Mirza Ghulam Ahmad Qadiani, „Šahādatu l-Qurʾ an“ in Rūḥānī


Dieses Gebet des Verheißenen MessiasAS wird sicherlich er- hört werden und nicht vergeblich sein. Bedenkt jedoch, ob es eine Erfüllung in uns finden wird oder in den kommenden Ge- nerationen? Was nützt es uns, wenn es eine Erfüllung in denen findet, die nach uns kommen werden? Daher fordere ich euch dazu auf, euch im Hinblick auf dieses Gebet des Verheißenen MessiasAS zu ändern, damit dieses Gebet in uns Erfüllung fin- det und wir die Zeugen dieses erfreulichen Ereignisses werden, das uns der Verheißene MessiasAS vor Augen geführt hat.


Ich schließe diese Jalsa mit einem Gebet ab und erteile den Teilnehmern hiernach die Erlaubnis zur Abreise.

Die Leiter der Abteilung für Bücher bitten mich, die Anwe- senden darauf aufmerksam zu machen, dass sie die von ihnen veröffentlichen Bücher, d. h. die Bücher des Verheißenen Mes- siasAS, kaufen sollen. Ihr seid dazu verpflichtet, die Bücher des Verheißenen MessiasAS zu verbreiten, also zu kaufen, zu lesen und der ganzen Welt zur Verfügung zu stellen.



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Ḫazāʾin: Band VI, (London: Islam International Publications Limited, 2009),

S. 398.


Stichwortverzeichnis


Symbole


ʾAḏān 110, 113

ʾAṣḥāba l-Kahfi wa-r-Raqīmi 45

ʾIstiġfār 103, 175, 176, 190

ʿAṣr-Gebet 26


A


Absicht 40, 56, 68, 76, 83, 130,

145, 155

Abstoßung 78

Abu BakrRA 128

Abwendung 81

Aggression 69, 70, 107, 108

Aḥadīṯ 41

Ahadith 55

Ahmadi 47, 53, 54, 60, 112, 149

Ahmadiyyat 52, 128, 136

Akhlāq-e-Ḥasanah 67, 68

Albtraum 186

al-Išq al-Maǧāzī 193

al-Kahf 45

Alkohol 99, 148

Allah 19, 20, 21, 30, 37, 48, 50,

57, 62, 77, 103, 109, 127, 128, 131,

132, 135, 136, 138, 139, 166, 170,

184, 186, 203, 205, 218

Almosen 111, 122, 167, 169, 178

Amt 48

Anerkennung 48, 165, 166, 205

Angst 49, 98, 107, 108, 182, 184,

185, 186, 187, 193, 202, 203, 215

Ansehen 42, 48, 203

Ansprache 19, 23, 27, 31, 60, 91,

126, 127, 128, 137, 151, 153, 215,

216

Anziehung 79, 81

Anziehungskraft 72, 73

Arabisch 25

Arbeit 25, 26, 29, 30, 44, 99, 168,

188, 189, 201, 213

Argwohn 61, 145, 150, 184

Armut 134

Arroganz 145, 218

Arzt 30, 38, 39, 83, 151, 188, 189,

192, 209, 212

Atom 73

Attraktion 73

Auferstehung 20

Auflösung 79, 80, 202

Aufstand 52


B


Bahištī Maqbara 45

Barmherzigkeit 21, 28, 39, 167,

184, 185, 218

Bauer 41

Baum 106

Befehlsgewalt 39

Begierden 21, 114, 116

Behagen 48

Beschwörung 109, 110

Besonnenheit 196

Bibel 172, 254

Bildung 25, 55, 160, 248

Blut 71, 77, 218

Böse 75, 93, 95, 138, 140, 186, 203,

210, 212, 215


Böswilligkeit 145

Brüderlichkeit 62, 168


C


Christen 44, 51, 111


D


Damaskus 133

Dankbarkeit 164, 165, 167

Debatte 81

Decius 45

Demut 164, 191, 218

Denken 76

Denkvermögen 31, 69, 200

Diener 19, 50, 57, 58, 86, 95, 127,

183, 193, 194, 201, 203, 204, 211

Dua 209

Durchhaltevermögen 166

Dynamit 46


E


Effizienz 75

Ego 47, 91, 179, 182, 198, 203, 209

Egoismus 117, 118, 160

Ehebruch 83, 84

Ehefrau 30, 40, 173

Ehefrauen 25, 27, 40, 69

Ehre 21, 48, 135, 166, 170

Eichhörnchen 102

Eifer 51, 80, 164

Eifersucht 81

Eigentum 48, 123, 124, 128

Einbildung 156, 212, 214

Einsamkeit 122

Eisen 72

Elementarteilchen 72, 79

Eltern 93, 98, 108, 109, 110, 111,

112, 117, 118, 119, 120, 122, 172,

193

Engel 41, 42, 112, 119, 157, 158,

163, 166, 167, 204

Englisch 25

Entscheidungskraft 100

Entwicklungsprozess 81

Erbarmen 151, 165, 183, 204

Erde 20, 181

Erfolg 14, 61, 130, 132, 134, 170,

179, 196, 199, 209, 212, 214, 244

Erkältung 137

Ernährung 116, 168

Erziehung 14, 110, 111, 113, 114,

122, 123, 124, 125, 160

Esel 28, 159

Ethik 13, 179, 180, 187


F


Familie 35, 48, 52, 149

Farāʾiḍ 36

Fasten 115

Fehler 38, 39, 43, 66, 69, 88, 91,

119, 122, 133, 134, 156, 167, 174,

180, 198, 212

Feigheit 77, 107, 108, 117, 118,

145, 153

Feindseligkeit 150

Feuer 20, 79, 91


Fieber 213

Fleisch 77, 102, 116, 218

Fleischklumpen 77

Fleiß 164, 165

Forschung 114, 213

Frau 20, 48, 69, 100, 109, 171, 193

Freitagsansprache 135

Freude 49, 69, 97, 151

Frevler 20

Frohmut 79, 168, 198

Frühstück 25, 150

Führung 50, 52

Furcht 39, 170, 183, 184, 185, 203

Furchtlosigkeit 166

Fußball 118


G


Gans 53

Gebet 26, 30, 56, 59, 109, 110, 154,

178, 186, 187, 188, 200, 216, 217,

218, 219

Gebete 32, 33, 35, 36, 37, 90, 91,

115, 175, 178, 179, 218

Geburt 76, 84, 107, 109, 110

Gedanken 27, 44, 50, 56, 101, 102,

103, 108, 109, 121, 188, 198, 199,

200, 201, 203, 206, 217

Geduld 78, 149, 165, 166

Gefühllosigkeit 151

Geist 37, 113, 121, 141, 186, 191,

192, 199, 202, 208, 212

Gelübde 48

Gemüse 116

Gemüt 116, 139, 177

Genitalien 114

Genügsamkeit 114, 116, 122

Geografie 25

Gerechtigkeit 167

Gesandten 20, 21, 39, 59, 60, 135,

203

Gesandter 19, 59, 127, 135

Gesetz 59, 88, 94, 124, 172

Gesichtsschleier 171

Gesundheit 27, 29, 30, 82, 83, 84,

114, 115, 125, 135, 142, 143, 148

Gewissen 177

Gewohnheit 30, 40, 104, 105, 107,

112, 114, 115, 118, 121, 148, 149,

150, 194, 207, 208, 214

Gewohnheiten 99, 107, 114, 119,

148, 208

Ghazālī 68, 82, 180, 183

Ghunyatu ṭ-Ṭālibīn 57

Gier 79, 98, 107, 147, 153, 205, 211

Gift 218

Glaube 49, 59, 64, 94, 136, 163,

183

Glauben 20, 21, 34, 54, 59, 65, 79,

124, 129, 130, 134, 136, 137, 168,

170

Glück 67, 69

Glückseligkeit 37

Gnade 13, 21, 37, 39, 50, 56, 70,

85, 127, 130, 176, 184, 185, 191,

216

Gott 13, 14, 22, 29, 34, 36, 37, 38,

41, 42, 48, 49, 50, 52, 55, 56, 58,

59, 62, 63, 64, 65, 66, 77, 82, 83,

84, 87, 91, 92, 94, 97, 105, 124,


128, 129, 134, 136, 137, 139, 143,

144, 150, 163, 164, 168, 170, 171,

174, 176, 177, 178, 180, 181, 183,

184, 185, 186, 187, 192, 193, 198,

199, 200, 201, 202, 203, 205, 206,

207, 208, 209, 210, 211, 216, 218

Gotteserkenntnis 176, 190

Gottesfurcht 40, 170, 175

Gottesliebe 125

Grausamkeit 79

Groll 61, 80, 218

Großmächte 136

Großzügigkeit 80, 167

gut 27, 32, 54, 64, 68, 69, 75, 77,

78, 79, 81, 82, 86, 87, 88, 89, 108,

119, 123, 125, 137, 141, 142, 149,

164, 188, 210, 212

Gut 44, 75, 95, 123, 133, 198

Güte 64, 80, 100, 165, 167, 191


H


Habgier 150, 153

Hadhrat Khalifatul Masih IRA 30 Handel 48, 84, 85, 161, 162, 170

Händler 53, 83

Handlung 68, 69, 73, 76, 78, 83,

84, 140, 141, 143, 164, 172, 179,

193, 201, 208

Härte 198

Ḥasanra 110, 111

Hass 72, 81

Heilige ProphetSAW 29, 41

Heilung 106, 187, 198

Helfer 20, 204

Herr 20, 37, 59, 130, 134, 153, 181,

210, 217

Herrschaft 58

Herz 33, 51, 63, 82, 87, 96, 97, 101,

137, 138, 139, 140, 141, 154, 163,

175, 184, 206, 218

Heuchler 45, 203

Himmel 20, 163, 181, 190

Hochmut 183, 218

Hoffnung 80, 85, 87, 90, 91, 136,

163, 170, 178, 183, 184, 185, 186,

197

Höhle 45

Hölle 87, 94, 95, 163

Horrorgeschichten 117

Humor 81

Hund 158, 210

Hungersnot 45, 158

Hypnose 102


I


Ibn Mardawayh 179

Ignoranz 97, 98, 147

Imitator 112

Indien 52, 53

Instinkte 76

Intention 76, 86, 110

Iran 51, 52

Išā-Gebet 26

Islam 5, 6, 34, 35, 37, 39, 42, 45,

46, 49, 52, 66, 88, 105, 106, 109,

110, 129, 132, 135, 138, 143, 146,


148, 169, 184, 185, 211, 219, 241,

243, 244, 247, 249, 250, 252, 253,

254

Istiġfār 175, 176, 190


J


Jalsa 21, 27, 31, 32, 128, 219

Jamaat 5, 26, 27, 32, 36, 37, 40, 43,

44, 47, 48, 50, 51, 52, 53, 54, 55,

59, 62, 90, 100, 124, 125, 131, 133,

134, 135, 136, 161, 162, 216, 217,

218

Java 51

JesusAS 44, 190, 191

Jünger 78, 178


K


Kabul 36, 79

Kaiser 45

Kalif 5, 39

Kautabak 148

Keuschheit 80

KhadijaRA 30

Khulq 66, 75

Kind 28, 69, 107, 108, 109, 110,

111, 112, 113, 114, 115, 116, 117,

118, 119, 120, 121, 122, 123, 124,

125, 152, 154, 191

Kindheit 13, 30, 107, 108, 110,

111, 116, 150

Kloster 78

Knoblauch 41

Knochen 77

Konzentration 36, 179, 199, 202

Kräfte 72, 74, 76, 185, 198

Krämer 41, 152, 153

Krankheit 14, 34, 39, 96, 98, 108,

117, 141, 150, 190, 195, 212, 213,

214


L


Laster 88, 89, 93, 94, 108, 117, 144,

145, 147, 150, 151, 152, 154, 155,

157, 158, 159, 160, 161, 162, 163,

173, 174, 175, 176, 189, 190, 192,

207, 215

Laʿnat 154

Leben 13, 48, 51, 52, 54, 59, 79, 85,

87, 88, 104, 106, 111, 115, 124, 129,

130, 142, 143, 164, 195, 204, 207

Lehm 45, 131

Lider 35

Liebe 62, 70, 71, 72, 78, 79, 98,

100, 107, 124, 145, 152, 164, 166,

170, 185, 188, 190, 191, 192, 193,

218

Lohn 20, 84, 105

Lügen 81, 96, 120, 121, 142, 151,

159, 199, 218

Lügner 120, 131, 159


M


Macht 14, 79, 137, 184, 199, 203,

209


Magnet 72

Maġrib-Gebet 26

Majlis-e-Shūrā 54

Manifestation 72, 74

Mann 20, 28, 30, 46, 69, 79, 100,

109, 120, 129, 149, 210

Märtyrertod 36

Materialien 76

Materie 73, 74, 75, 76, 77, 78, 81,

107

Medizin 38, 63, 212

Meinungsverschiedenheit 38, 119

Mensch 14, 29, 39, 40, 55, 58, 62,

63, 64, 69, 76, 79, 82, 86, 90, 91,

92, 95, 96, 98, 99, 108, 114, 137,

138, 142, 145, 147, 148, 160, 163,

175, 178, 181, 182, 191, 195, 196,

203, 209, 216

Menschen 21, 25, 29, 35, 36, 37,

38, 39, 41, 45, 46, 49, 50, 52, 54,

55, 56, 58, 59, 63, 65, 66, 67, 70,

71, 75, 76, 77, 82, 84, 85, 86, 87,

90, 91, 92, 93, 94, 95, 96, 97, 100,

103, 106, 107, 108, 110, 111, 112,

133, 135, 137, 138, 141, 142, 143,

144, 147, 148, 149, 152, 158, 159,

160, 161, 162, 164, 165, 172, 173,

177, 178, 179, 181, 185, 187, 188,

193, 195, 196, 197, 198, 200, 201,

202, 205, 207, 214, 215, 218

Messe 54

Messias 5, 51, 55, 56, 60, 62, 63,

90, 91, 100, 101, 131, 132, 133,

134, 136, 146, 149, 150, 161, 178,

180, 183, 199, 210, 216, 217, 219

Mission 53, 133

Missionar 30, 51, 52, 134

Mitgefühl 37, 87, 122, 151, 165

Mitleid 122, 165

Moral 13, 28, 65, 66, 69, 70, 72,

77, 79, 81, 82, 84, 86, 88, 89, 90,

91, 93, 105, 107, 116, 118, 123, 124,

179, 180

Moralphilosophie 180, 183, 187

Mord 80, 175

Morgengebet 27

Moschee 41, 131

Motivation 100

Mulaqat 32

Muslim 5

Müßiggang 99, 165

Mut 80, 81, 107, 118, 147, 164,

178, 186, 192, 205, 209

Mutterleib 110

Mystik 185, 209


N


Nachahmung 98

Nachlässigkeit 80, 147

Nacht 20, 27, 29, 33, 38, 107, 108,

173, 178, 199, 208

Natur 29, 33, 81, 82, 85, 91, 92,

111, 137, 151, 188, 212

Nawāfil 36, 37, 172, 173

Neid 145

Nerven 30, 120, 150, 207

Nervensystem 212


Niederlage 165, 166

Niederträchtigkeit 145

Niqāb 171

Niẓām-e Naw 45


O


Obst 116

Obszönität 80

Offenbarung 41, 42, 144, 163, 178,

210, 211

Opfer 44, 45, 49, 51, 53, 79, 196,

218

Opferbereitschaft 79, 167

Opium 148, 150, 151

Optimismus 98, 183


P


Paradies 94, 95, 168, 205

Patient 39, 137, 188, 189, 190

Pessimismus 98, 184

Pflanzen 67, 70, 71, 76

Pflichtbewusstsein 37

Philosophen 66

Philosophie 82, 179, 183

Polytheismus 94

Post 26

Prahlerei 80, 135, 147

Prävention 106

Privataudienz 32, 33, 34

Propaganda 215

Prophet 41, 59, 101, 109, 110, 111,

119, 128, 130, 131, 142, 143, 157,

158, 159, 162, 166, 168, 173, 185,

186, 187, 188, 215

Prostituierte 42

Pubertät 106, 112

Pünktlichkeit 114, 115


Q


Qadian 13, 34, 35, 44, 91, 113, 136,

149, 152, 211

Qur‘an 19, 27, 34, 39, 45, 51, 55,

59, 70, 71, 76, 85, 87, 89, 90, 91,

92, 94, 95, 101, 106, 127, 129, 130,

138, 139, 168, 174, 183, 185, 197,

199, 201, 202


R


Rauchen 40, 149, 151, 194

Rauschmittel 120, 149, 150

Rebellion 89, 160, 185

Recht 29, 61, 62, 80, 81, 165, 173,

185

Rechtschaffenheit 55, 62, 140,

166, 172, 176, 194, 207

Regierung 52, 132, 155, 162

Reichtum 21, 57, 129, 168

Reinheit 63, 68, 85, 113, 137, 138,

140, 145, 170, 179, 187, 190

Religion 64, 112, 120

Respekt 110, 125, 152, 168, 171

Reue 43, 95, 177

Revolution 46, 47, 134, 216

Rom 44


Rückzug 77, 78


S


Sadaqah 122, 123

Ṣalāt 163, 177

Samentropfen 77

Satan 19, 39, 94, 95, 109, 112, 127,

135, 186, 203, 210

Scham 104

Schamgefühl 161, 165

Schamlosigkeit 197

Scharia 65, 68, 83, 94, 124, 142,

163, 170

Schicksal 206

Schlange 102, 103

schlecht 43, 75, 77, 78, 79, 81, 88,

89, 112, 119, 141, 214

Schmutz 103, 114

Schönheit 78, 191

Schöpfer 77, 81

Schöpfung 20, 58, 61, 62, 63, 64,

76, 77, 82, 85, 86, 95, 170, 181,

185, 201

Schule 25, 192

Schüler 78, 89, 178, 180, 189, 191,

209, 210, 212, 213

Schwäche 49, 56, 134, 161, 184,

190, 194

Seele 95, 96, 137, 204, 218

Sehvermögen 31

Selbstachtung 197

Selbstauflösung 79

Selbstaufopferung 80, 117

Selbstbeherrschung 108, 114, 115

Selbstbewusstsein 197

Selbstdarstellung 74

Selbsterhaltung 195

Selbsterhaltungstrieb 195

Selbstgefälligkeit 80

Selbstopfer 117

Selbstreflexion 195

Selbstverleugnung 180, 182

Selbstvernichtung 79

Selbstzerstörung 74

Sesamkörner 41

Sexualität 114

Shirk 163

Sifat e Salbiyya 180

Sinne 47, 55, 75, 76, 86, 176, 177

Sinneslust 69, 70, 71

Sonne 38, 136

Spiritualität 13, 65, 66, 85, 102,

105, 123, 193

Sport 142

Standhaftigkeit 165, 196

Stolz 80

Strafe 20, 89, 94, 135, 169

Streit 81, 155, 156

Stuhlgang 113, 115

Sucht 148, 150, 194

Sufis 68

Sühne 122

Sumatra 51

Sünde 14, 91, 95, 97, 98, 99, 101,

104, 105, 106, 107, 108, 109, 110,

114, 138, 141, 142, 143, 145, 146,

147, 155, 174, 176, 182, 194, 214


Sünden 13, 55, 56, 62, 91, 95, 96,

97, 100, 104, 106, 107, 108, 109,

110, 112, 113, 114, 125, 137, 138,

140, 142, 143, 144, 176, 177, 185,

207

Sündhaftigkeit 125, 198

Syrien 133


T


Tabak 40, 41

Tag 20, 25, 29, 33, 35, 38, 51, 71,

95, 107, 121, 127, 136, 147, 150,

162, 199, 213, 215, 218

Tahawwur 79, 80

Tapferkeit 79, 164, 192

Taqwā 62

Taschengeld 122

Tatkraft 121

Tawbah 177

Tawḥīd 94, 109, 184

Tee 137, 148, 150

Teilchen 72, 73, 74

Temperament 115, 116

Thawāb 83, 85

Tiere 67, 70, 158, 159, 168, 169

Ton 77, 112

Trägheit 99, 100, 147, 160

Treue 60

Treuegelübde 38

Triebe 76

Tugend 72, 79, 87, 165, 169, 192

Türkei 52

U


Übel 20, 107, 114, 120, 150, 159,

164, 215, 216, 218

UmarRA 129, 130

Unabhängigkeit 198

Undankbarkeit 147, 155, 164

Ungeduld 116, 145

Unregelmäßigkeit 116

Unterschlagung 154

Unüberlegtheit 145


V


Verantwortung 113, 118, 178

Verbergen 74

Vereinigung 69, 70, 71

Vergebung 62, 103, 168, 175, 176,

177, 187, 190

Verheißene MessiasAS 34, 36, 40,

41, 42, 45, 50, 51, 60

Vermögen 48, 74

Vernunft 67, 68, 69, 70, 77, 78, 79,

80, 138

Verrat 154

Verspottung 81

Vertrauen 51, 55, 80, 116, 164,

170, 187

Verzeihung 177

Verzweiflung 163, 183, 204

Vision 142, 190, 253

Volk 46, 106, 107, 144, 159, 169,

183, 187, 204

Vorbild 110, 112, 117, 124


W


Wachsamkeit 166, 196

Wagemut 79

Wahrhaftigkeit 90, 131, 132

Wahrheit 37, 88, 90, 93, 100, 124,

135, 147, 165, 166, 171, 199

Warner 132

Waṣiyyat-System 45

Wasser 91, 131, 148

Wasserpfeife 148, 149, 194, 195

Weisheit 38, 53, 59, 83, 84, 196

Welt 21, 45, 46, 47, 50, 72, 81, 86,

92, 93, 94, 105, 125, 129, 131, 132,

133, 136, 137, 143, 205, 207, 216,

219

Wertschätzung 83, 147

Wille 61, 76, 177, 193, 194, 195,

198, 204

Willen 25, 45, 62, 67, 68, 71, 81,

143, 178, 193, 194, 207, 208

Willenskraft 44, 108, 121, 124,

193, 194, 195, 198, 200, 201, 203,

205

Willkür 84

Wissen 27, 59, 99, 140, 141, 142,

147, 164, 170

Wohlstand 21

Wunder 90, 91

Würde 165, 197

Wut 98, 157

Wutausbruch 116

Z


Zeichen 20, 21, 29, 59, 131, 136,

153, 161, 192, 195, 205

Zeit 26, 27, 29, 30, 32, 33, 34, 35,

48, 50, 54, 55, 77, 95, 97, 99, 103,

111, 116, 117, 123, 132, 136, 142,

145, 152, 153, 159, 192, 207, 209,

210, 214

Zerstörung 80

Zeugnis 30

Zorn 71, 72, 157, 187

Zufriedenheit 204

Ẓuhr-Gebet 26

Zusammenarbeit 37, 114, 167,

169

Zweifel 13, 25, 39, 44, 50, 62, 86,

106, 136, 161, 180, 190, 202


Anmerkungen des Herausgebers


Gemäß unserer Zählweise wird die sogenannte tasmiya oder basmala, also der Vers bi-smillāhi r-raḥmāni r-raḥīm (Im Namen Allahs, des Gnädigen, des Barmherzigen) immer als der erste Vers der jeweiligen Sura des Heiligen Qur’an mitgezählt. Einige Qur’an-Ausgaben lassen diesen Vers bei der Zählung außer Acht. Sollte der Leser irgendeinen in diesem Buch zitierten Vers nicht unter der angegebenen Versnummer wiederfinden, sei es ihm geraten, von der angegebenen Zahl Eins abzuziehen.

Im islamischen Sprachgebrauch werden hinter den Namen bestimmter Personen, denen Gott eine besondere Stellung gegeben hat, verschiedene Segensgebete (Eulogi- en) gesprochen. Folgende Abkürzungen wurden verwendet, deren vollständige Form im Arabischen (in deutscher Transliteration) ebenfalls im Folgenden angegeben wird:


SAW ṣallallāhu ‘alaihi wa-sallam (taṣliya genannt) – Bedeutung:

„Frieden und Segnungen Allahs seien auf ihm“ – wird nach dem Namen des Heiligen Propheten Muhammadsaw gesprochen.


AS ‘alaihi s-salām (taslīm genannt) – Bedeutung: „Friede sei auf ihm“ – wird nach dem Namen aller anderen Propheten gesprochen.


RA raḍiyallāhu ‘anhu / ‘anhā / ‘anhum – (tarḍiya genannt) – Bedeu- tung: „Möge Allah Wohlgefallen an ihm/ihr/ihnen haben“ – wird nach den Namen der Gefährten des Heiligen Propheten Muhammadsaw oder des Verheißenen Messiasas gesprochen.


RH raḥmatullāhi ‘alaih / raḥimahullāh – Bedeutung: „Möge Allah ihm Barmherzigkeit erweisen“ – wird nach den Namen von bereits verstorbenen be- sonderen rechtschaffenen Menschen gesprochen, die aber keine Gefährten des Heili- gen Propheten Muhammadsaw oder des Verheißenen Messiasas waren.


ABA ayyadahullāhu ta‘ālā bi-naṣrihi l-‘azīz – Bedeutung: „Möge Al- lah sein Helfer sein und ihn mit Seiner Kraft unterstützen“ – wird nach dem Namen des Kalifen der Zeit gesprochen.


In diesem Buch verwendete Konvention der Transliteration


Für die Umschrift von Wörtern aus dem Arabischen, Persischen und Urdu haben wir ein an die Regeln der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (DMG) ange- lehntes, an einigen Stellen der einfachen Lesbarkeit halber vereinfachtes System ver- wendet. Die Umschrift gemäß der DMG stellt eine Mischform zwischen Transliterati- on (buchstabengetreue Wiedergabe des Schriftbildes) und Transkription (lautgerechte Wiedergabe) dar, wobei in der Fachliteratur im Allgemeinen der Schwerpunkt auf Transliteration liegt, d.h.: In der Regel wird dort jeder arabische Konsonant mit einem eigenen Symbol wiedergegeben. Von dieser Regel weichen wir bei einigen Fällen ab und setzen den Schwerpunkt im Zweifelsfall bei der lautgerechten Wiedergabe, statt einem Buchstaben immer ein Zeichen zuzuordnen. Auf diese Weise kann ein Leser, der des Arabischen nicht mächtig ist und beispielsweise mit den Regeln der Verbin- dung von Buchstaben nicht vertraut ist, dennoch die Wörter richtig aussprechen.

Die wesentlichen Regeln, denen wir in unserer Umschrift gefolgt sind, werden im Folgenden beschrieben.


  1. In der Regel entspricht jeder Konsonant und jeder Vokal einem Zeichen gemäß der DMG-Umschrift:


    Konsonanten


    Arabisch

    DMG

    Beschreibung

    Laut- schrift

    ا

    ʾ

    in der Kehle gebildeter schwacher Explosionslaut, wie im deutschen vor jedem anlautenden Vokal gesprochen

    [ʔ]

    [ʔ̴]

    b

    Konsonant b

    [b]

    t

    Konsonant t

    [t]

    stimmloses englisches th

    [θ]

    ǧ

    stimmhaftes dsch

    [ʤ]

    scharfes, ganz hinten in der Kehle gesprochenes h

    [ħ]

    raues ch wie in Bach

    [χ]

    d

    an den Zähnen gebildeter Konsonant d

    [d]

    stimmhaftes englisches th

    [ð]



    r

    stimmhaftes, gerolltes Zungespitzen-r

    [r]

    z

    stimmhaftes s

    [z]

    s

    stimmloses s

    [s]

    š

    stimmloses sch

    [ʃ]

    breites stimmloses s

    [sˁ]

    ein etwas dumpf klingendes stimmhaftes d

    [dˁ]

    dumpfes t ohne folgenden Hauchlaut

    [tˁ]

    dumpfes, stimmhaftes s

    [zˁ]

    ʿ

    ungewöhnlich gepresster, ganz weit hinten gebildeter a-haltiger Kehllaut

    [ʕ]

    ġ

    ein erweichter, dem Gaumen-r ählicher Buchstabe (wie das r in Rauch)

    [ɣ]

    f

    Konsonant f

    [f]

    q

    ein hinten am Gaumensegel gesprochenes k ohne folgenden Hauchlaut

    [q]

    ک

    k

    Konsonant k

    [k]

    L

    Konsonant l, außer in Allah

    [l]

    m

    Konsonant m

    [m]

    n

    Konsonant n

    [n]

    h

    kräftig artikulierter Konsonant h

    [h]

    و

    w

    Konsonant w

    [w]

    ~ [ʉ]

    ي

    y

    Konsonant j

    [j]


    Vokale


    Arabisch

    DMG

    Beschreibung

    Lautschrift

    َ

    a

    kurzer Vokal a

    [a]

    ِ

    i

    kurzer Vokal i

    [i]

    ُ

    u

    kurzer Vokal u

    [u]

    ا

    ā

    langer Vokal a

    [aː]

    و

    ū

    langer Vokal u

    [uː]

    ي

    ī

    langer Vokal i

    [iː]


  2. Kurzvokale werden als a, i, u geschrieben, Langvokale als ā, ī, ū.


    Beispiele für Kurzvokale

    Beispiele für Langvokale

    مَلَق

    ُ ُ

    qalam

    باتَ ِک

    kitāb

    بتک

    kutub

    روْ ُن

    nūr

    نمِ

    min

    نْیدِ

    dīn


  3. Diphthonge werden als ai oder au geschrieben.


    Beispiele für Diphthonge

    لیْ َل

    lail

    موْ صَ

    aum


  4. Ein šadda verdoppelt den Konsonanten:


    Beispiel für Verdopplung

    جّ حَ

    ḥaǧǧ

    سرِّ دَ مُ

    mudarris


  5. Werden و und ی verdoppelt, werden sie als Konsonanten dargestellt:


    Beispiel für Verdopplung

    لوَّ َا

    awwal

    ۃوَّ بُ ُن

    nubuwwa

    دیَّ جَ

    ǧayyad


  6. Die männliche Nisba-Endung wird stets mit umschrieben. Für die weibliche Nisba-Endung bevorzugen wir die Schreibweise mit -iyya (statt īya):


    Beispiel für Nisba-Endung

    یقِ رْ شَ

    َّ ِ ْ َ

    šarqī

    ۃیقرش

    šarqiyya


    Endet das Wort auf ein doppeltes yā (also mit tašdīd), ohne dass es sich dabei um eine Nisba-Endung handelt, wird das Wort mit -īy dargestellt.:


    Beispiel für Nisba-Endung

    یّ بِ َن

    nabīy


  7. Assimilation: Bei den sogenannten Sonnenbuchstaben (ت،ث،د،ذ،ر،ز، س، ش،ص،ض،ط،ظ،ن also entsprechend: t, ṯ, d, ḏ, r, z, s, š, ṣ, ḍ, ṭ, ẓ, n) wird der vorangehende Artikel durch Umwandlung des Buchstabens „l“ des Artikels im jeweiligen Anfangsbuchstaben des Wortes angepasst:


    Beispiel für Assimilation

    Alternative Schreibweise

    سمْ شّ لَا

    aš-šams

    al-šams

    ماَلسّ لَا

    as-salām

    al-salām


  8. Bei Genitivverbindungen wird wegen der lautgerechten Wiedergabe der Artikel des 2. Glieds angepasst:


    Beispiel für Genitivverbindung

    1. Glied

    2. Glied

    Wortverbindung

    مّ ُا

    umm

    باتَ کِ ْلَا

    al-kitāb

    باتَ کِ ْلامُّ ُا

    ummu l-kitāb

    مَتاخَ

    ḫātam

    نْییِّ بِ نّ لَا

    an-nabiyyīn

    نْییِّ بِ نّ لامُ َتاخَ

    ḫātamu n-nabiyyīn


  9. Das ۃ (tā marbūṭa) wird in der einfachen Form meist als „a“ umschrieben. Bei Genitivverbindungen wird daraus „at“:


    Beispiel für tā marbūṭa

    ۃنَّ سُ

    ِ ّ ُ َّ ُ

    sunna

    یبنلاۃنس

    sunnatu n-nabīy

    ۃَحتاَف

    َ ِ ْ ُ َ َ

    fātiḥa

    باتکلاۃحتاف

    fātiḥatu l-kitāb


  10. Endet ein Wort auf ا (alif) und ۃ (tā marbūṭa), geben wir es als ātwieder:


    Beispiele

    ۃالصَ

    ṣalāt

    ۃوکزَ

    zakāt


  11. Das hamza am Anfang eines Wortes wird nicht geschrieben: amr statt ʾamr

    (رما)


  12. Fallendungen werden bei Substantiven und Adjektiven in der Regel nicht dargestellt. Ausnahmen können sein, wenn der Inhalt explizit verdeutlicht werden soll. Bei adverbialem Gebrauch von Wörtern, Personalpronomen, Demonstrativpronomen, Präpositionen und Konjunktionen werden die Endungen bei der Umschrift in der Regel berücksichtigt.


    Beispiele

    تیْ َب

    ً ْ َ

    bait (statt baitun)

    اعبط

    ṭabʿan (adverbial, deswegen mit Endung umschrieben)

    تَ ْنَا

    anta (Personalpronomen)

    ھِ ذِ ہٰ

    hāḏihi (Demonstrativpronomen)


  13. Solche Präpositionen, Konjunktionen und Partikel, die aus einem Buchstaben bestehen und mit dem folgenden Wort zusammengeschrieben werden, werden durch einen Bindestrich getrennt.


    Beispiele

    ھّللامِ سْ ِب

    bi-smillāh

    نآرْ قُ ْلاوَ

    ْ َ َ ف

    wa-l-qurʾān

    نم

    ُ ُ ْ َ َ

    fa-man

    بتکیس

    sa-yaktubu


  14. Die Kürzung von langen Vokalen in der Aussprache (beispielsweise bei Wortverbindungen) wird von uns bei der Umschrift wegen besserer Lesbarkeit berücksichtigt:


    Beispiele

    ءامَ سّ لایٰلاِ

    ila s-samāʾ (statt ilā s-samāʾ)


  15. Folgende Wörter unterliegen entweder konventionsmäßig oder der Lesbarkeit halber nicht oder nur bedingt den DMG Umschriftregeln. Eigennamen werden in der Regel nicht transliteriert:



Unsere Konvention

DMG

Ahadith

aḥādīṯ

Ahmadiyya

aḥmadīya

Ali

ʿalī

Allah

Allāh

Dschihad

ǧihād

Fatwa

fatwā

Hadhrat

ḥaḍrat

Hadith

ḥadīṯ

Hadsch

ḥaǧǧ

Hafis

āfiz

Hidschra

hiǧra

Hudhur

ḥuḍūr

Imam

imām

Islam

islām

Jalsa Salana

ǧalsa salāna

Jamaat

ǧamāʿah

Kalif / Khalifa

ḫalīfa

Khutba

ḫuṭba

Kalifat / Khilafat

ḫilāfa

Khadija

ḫadīǧa

Khalifat-ul-Masih

ḫalīfatu l-masīḥ

Medina

madīna

Mekka

makka

Moschee

masǧid

Muhammad

muḥammad

Nikah

nikāḥ

Qur’an

qurʾān

Quraisch

quraiš

Ramadan

ramaḍān

Ruhani Khazain

rūḥānī ḫazāʾin

Scharia

šarīʿa

Sura

sūra

Usman

ʿuṯmān

Umar

ʿumar

Zakat

zakāt


Zum Autor


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Zweite Kalif des Verheißenen MessiasAS des Islam Zweites Oberhaupt der Ahmadiyya Muslim Jamaat

Hadhrat Mirza Bashir ud-Din Mahmud Ahmadra (1889-1965)


Für eine messianische Bewegung, die sich auf einen Pro- pheten als Begründer beruft, dient die Plausibilität von Prophe- zeiungen, ihre Erfüllung und Glaubwürdigkeit als eines der zentralen Legitimationsmerkmale. Der Begründer der Ahma- diyya Muslim Gemeinde, Hadhrat Mirza Ghulam AhmadAS, behauptete, dass Tausende von ihm vorhergesagten Prophezei- ungen fristgerecht in Erfüllung gingen, was er auch in vielen seiner Werke erläuterte.1 Der Prophet selbst definiert sich qua Namen als jemand, der die Zukunft vorhersagen, prophezei- en kann. In einem Gnadenakt offenbart Gott ihm Zukünftiges, um dadurch einerseits die Menschheit zu warnen, andererseits aber auch den Anspruch des Propheten an Glaubwürdigkeit zunehmen zu lassen. Nicht zuletzt dieser Umstand führte dazu, dass zu Lebzeiten des Verheißenen MessiasAS Hunderttausende seinen Anspruch akzeptierten und jetzt noch Prophezeiungen, die in Erfüllung gehen, seine Glaubwürdigkeit untermauern.

Eine der wichtigsten Prophezeiungen des Verheißenen MessiasAS betrifft den Autoren dieses Buches. Hadhrat Mirza Bashir ud-Din Mahmud AhmadsRA Leben bürgt für die Erfül- lung einer Prophetie und dieses Werk selbst beglaubigt jene Offenbarung Gottes, die der Verheißene MessiasAS erhielt, als er vierzig Tage und Nächte, fastend und betend, abgeschieden von der Außenwelt, Gott flehend und bittend anrief, um ein Zeichen für die Wahrhaftigkeit seiner Mission zu erhalten und


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1 Vgl. Ahmad, Hadhrat Mirza Ghulam: Die Arche Noahs. Die Lehre des Ver- heißenen Messiasas zur Errettung des Menschen. Frankfurt am Main 2011, S.26-29. Oder siehe auch: Der Vortrag von Lahore. Über Gotteserkenntnis und Sünde im Islam im Vergleich zu Christentum und Hinduismus. Frank- furt am Main 2011. Exemplarisch erläutert er in Nusul-ul-Masih (Urdu) 150 Prophezeiungen und ihr in Erfüllung gehen. Eine chronologische Wiederga- be aller Prophezeiungen findet man in Taskira (Frankfurt am Main 1997).


so der Außenwelt schlagkräftige Beweise für seine Wahrheit präsentieren zu können. Die Offenbarung, die der Verheißene MessiasAS erhielt, fügt sich ein in eine Reihe anderer Prophezei- ungen, die allesamt verkünden, dass der Messias der Endzeit, die zweite Manifestation Jesu, mit einer gesegneten Nachkom- menschaft erscheinen würde. So heißt es in einem Ausspruch des Heiligen Propheten MuhammadSAW zum Beispiel, dass der Verheißene MessiasAS heiraten und Kinder erhalten würde. Der auf den ersten Blick redundant erscheinende informative Gehalt der Prophezeiung gewinnt erst dann an prophetischer Kraft und Relevanz, wenn die Nachkommenschaft des Messi- as eine Wichtigkeit und Bedeutsamkeit darstellen würde, wenn zum Beispiel, wie auch im Talmud prophezeit, der zweite Mes- sias mit Söhnen und Enkelsöhnen gesegnet sein würde, die als Nachfolger seine Mission weiterverfolgen würden. In diesem Kontext gewinnt die im Folgenden zitierte Prophezeiung über die Geburt eines Sohnes, der außerordentliche Leistung voll- bringen und mit himmlischer Leitung ausgestattet die Verkün- digung des Islam vorantreiben würde, an historische Bedeut- samkeit:


„Ich gebe dir ein Zeichen der Barmherzigkeit, genau wie du es von Mir erbatest. Also habe Ich dein Flehen erhört und deine Gebete durch meine Gnade mit der Erhörung geehrt, und ich habe dir deine Reise (nach Hoshiapur und Ludhiana)2 gesegnet. Du erhältst somit ein Zeichen der Allmacht, der Barmherzigkeit und der Gottesnähe.Du be- kommst ein Zeichen der Huld und Gnade. Dir wird der Schlüssel zum Erfolg und zum Sieg verliehen. O Sieger!



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2 Die Ortschaft, wo der Verheißene MessiasAS sich von allem Weltlichen zu- rückzog, um sich vollkommen Gott zu widmen (siehe oben).


Friede sei mit dir!

Gott sagt dies, damit jene, die zu leben wünschen, von den Klauen des Todes errettet werden, und diejenigen, welche in Gräbern liegen, hervorkommen mögen, und damit sich die Erhabenheit des Glaubens und die Größe der Worte Gottes den Menschen offenbaren; damit dei Wahrheit mit all ihren Segnungen komme und die Falschheit mit all ihren Unheilsverkündigungen entschwinde, und damit die Menschen es begreifen, dass Ich allmächtig bin, tue, was Mir beliebt, und damit sie für sicher wissen, dass ich mit dir bin, damit jenen, die nicht an Gott glauben, jedoch Sein Buch und Seinen Heiligen Gesandten, Muhammad- saw den Auserwählten, der Lüge zeihen, ein deutliches Zeichen gegeben werde und der Weg der Frevler sichtbar werde.

Also hast du die frohe Botschaft, dass dir ein schöner

und lauterer Knabe gegeben wird. Einen frommen Kna- ben wirst du erhalten. Der Knabe wird von deinem Sa- men und aus deiner eigenen Nachkommenschaft stam- men. Ein hübscher, reiner Knabe wird dein Gast sein. Sein Name ist auch Emmanuel und Bashir. Er ist mit dem Heiligen Geist ausgestattet und er ist frei von Unrein- heiten und er ist das Licht Gottes. Gesegnet ist der, der vom Himmel kommt. Ihn begleitet Gnade, die mit seiner Ankunft eintritt. Er wird Würde, Hoheit und Wohlstand besitzen. Er wird auf die Welt kommen und Viele kraft seines messianischen Geistes von ihren Krankheiten rei- nigen. Er ist das Wort Gottes, denn die Bramherzigkeit und Ehre Gottes haben ihn mit einem glorreichen Wort gesandt. Er wird außerordentlich intelligent und scharf- sinnig und sanftmütig im Herzen sein und er wird mit weltlichem und spirituellem Wissen erfüllt sein. Er wird drei in vier verwandeln (Die Bedeutung von diesem Teil ist mir nicht klar; Anm.d.Verheißenen MessiasAS). Montag! Gesegneter Montag! Liebenswürdiger Sohn, erhaben, no-


bel! Eine Manifestation des Ersten und des Letzten, eine Manifestation der Wahrheit und der Erhabenheit, als ob Gott vom Himmel herabgestiegen wäre. Dessen Kommen wird segensreich und mit der Manifestation der Glorie Gottes verbunden sein. Ein Licht kommt, ein Licht, wel- ches Gott mit dem Duft Seines Wohlgefallens erfüllt hat. Wir werden Unseren Geist in ihn einhauchen und er wird stets den schützenden Schatten Gottes über sich haben. Er wird rasch gedeihen und die Freilassung jener in Ge- fangenschaft veranlassen. Sein Ruhm wird die Enden der Welt erreichen und Völker werden durch ihn Segnungen erfahren. Dann wird er zu seinem spirituellen himmli- schen Ursprung gehoben. Dies ist eine festgelegte Sache.“3


Der Autor dieses Werkes, der Verheißene ReformerRA, der in obiger Prophezeiung als Gnade Gottes und zur Stärkung der Ahmadiyya-Gemeinde entsandt wurde, hat selbst erst 1944 den Anspruch erhoben, der in dieser Prophezeiung vorhergesagte Verheißene Sohn zu sein. Erst nach einer göttlichen Botschaft, durch einen Traum, in dem ihm von Gott mitgeteilt wurde, dass er der Verheißene Reformer sei, verkündete Hadhrat Mirza Bashir ud-Din Mahmud AhmadRA, ebenjener Sohn zu sein, des- sen Erscheinen als Segen und Gnade für die junge Ahmadiyya Gemeinde zu verstehen ist. Und vergegenwärtigt man sich im Nachhinein die Lebensleistung des Verheißenen ReformersRA, so gewinnt die Prophezeiung an Glaubwürdigkeit.

Die Ahmadiyya Gemeinde steckte noch in ihren Kinder- schuhen, als der Verheißene Sohn mit gerade einmal 25 Jah- ren von einem großen Teil der Gemeinde zum zweiten Kalifen bestimmt wurde. Schon während der Zeit des ersten Kalifens, Hadhrat Alhaj Hakeem NuruddinRA, verschworen sich einige


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3 Taskira (1997), S.109-111.


Gemeindemitglieder, hochrangige Amtsträger, gegen das Ka- lifat. In ihren Augen sollte die Gemeinde, völlig konträr zum Willen des Verheißenen MessiasAS, von einem Gremium geführt werden. Als der junge Sohn des MessiasAS dann zum Kalifen ernannt wurde, witterten die Verschwörer ihre Chance. Realis- tisch gesehen standen sie nicht schlecht, wenn man bedenkt, dass sie einen großen Teil der administrativen und intellek- tuellen Führung in sich vereinten und der neue Kalif gerade einmal 25 Jahre jung war. Doch die Verschwörung schlug fehl, die überwältigende Mehrheit schloss sich dem Kalifen an, die Sektierer wanderten nach Lahore aus und gründeten eine ei- gene Gemeinde, die heutzutage vom Aussterben bedroht ist, während die Ahmadiyya Muslim Gemeinde aktuell eine der dynamischsten und größten Bewegungen im Islam darstellt, mit mehreren zehn Millionen Mitgliedern weltweit, die in über 195 Ländern auf der Welt aktiv darin sind, die Lehren des Ver- heißenen MessiasAS zu verbreiten. Die Tatsache allein, dass aus einem kleinen Dorf im tiefsten Punjab, ohne Zuganbindung und abgeschnitten von der modernen Welt, finanziell schwach und konfrontiert mit starker Opposition, eine weltweite Bewe- gung entstanden ist, mit eigenen weltweit ausstrahlenden Fern- sehsendern, Tausenden aktiven Gemeinden und Millionen von Konvertierten, wirkt wundersam. Wenn nun jedoch die Grün- dungsperson, der Verheißene MessiasAS, dies auch noch vorher- sagte, ja, vielmehr noch, vorhersagte, auf welche Weise dies ge- schehen würde und welche Person eine tragende Rolle spielen würde, dann ist es für einen vernünftig denkenden Menschen schwer, nicht an die Erfüllung der Prophezeiungen zu glauben, und somit auch den göttlichen Ursprung zu akzeptieren. Und in diesem Kontext gewinnt die oben angeführte Prophezeiung über den Verheißenen Reformer eine ganz spezielle Überzeu-


gungskraft, denn die Etablierung, Strukturierung, Organisati- on, Verbreitung und intellektuelle wie spirituelle Entwicklung der Gemeinde wurde von dem Verheißenen ReformerRA ent- schieden geprägt.

Der Verheißene MessiasAS verschied 1908. An seiner statt übernahm der erste Kalif, Hadhrat Alhaj Hakeem Nuuruddin- RA, die Führung der Gemeinde. 1914 verstarb dieser, so dass von da an die 52 jährige Ära des Verheißenen ReformersRA begann. Der zweite Kalif gab der jungen Gemeinde ihre bis zum heuti- gen Tag gültige Organisationstruktur, mit Weitsicht etablierte er ein System, das in der ganzen Welt Verwendung findet und für das feste und gesunde Fundament der Gemeinde sorgt. Er führ- te Missionsschulen ein und entsandte Missionare in die gesam- te Welt hinaus. Bis zu seinem Ableben etablierten sich 92 Mis- sionen auf der gesamten Welt. Aus dem armen Indien heraus wurden in Europa Moscheen gebaut. Die Al-Fazl-Moscheen zu London und Hamburg sollen hier beispielhaft erwähnt werden. Neben der Führungseigenschaften und dem Organisationsta- lent, das die Basis dafür legte, dass die Gemeinde sich entfalten konnte und auf der gesamten Welt eine Einheit bildete, zeichne- te sich die Führung des zweiten Kalifen in außergewöhnlichem Maße durch seine intellektuellen und spirituellen Fähigkeiten aus. Er genoss keine höhere Bildung im weltlichen Sinne, doch seine denkerischen Fähigkeiten, seine Intelligenz und weitum- fassende Weisheit schlagen sich nicht nur in Hunderten von außergewöhnlichen Reden nieder, sondern vor allem auch in seinem verfassten Nachlass. Hervorzuheben sind Abhandlun- gen über das Wesen Gottes4, über den Heiligen Propheten und


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4 Die Wesen Gottes. (Wiederauflage Frankfurt am Main 2012).


seinen rechtgeleiteten Kalifen5, über die sozialen und ökonomi- schen Grundlagen im Islam im Vergleich zu westlichen Model- len6 und vor allem seine reformatorischen Untersuchung und Interpretation des Heiligen Qur-âns, die er auf der Basis von Überlieferungen des Heiligen ProphetenSAW und der logisch und scharfsinnigen Herangehensweise des Verheißenen Mes- siasAS durchführte. Er hat einen großen Kommentar (Tafseer-e- Kabir), eine zehnbändige Vers-für-Vers-Interpretation des Hei- ligen Qur-âns,7 verfasst, dabei aufgezeigt, dass der Qur-ân kein Buch der Vergangenheit darstellt, sondern dass die Reinheit und Vollkommenheit dieses Buchs göttlichen Ursprungs für alle Zeiten gültig ist und für jede Veränderung der Gesellschaft passende Lösungen bereithält. Alle Abhandlungen des Verhei- ßenen ReformersRA basieren denn auch vollkommen auf die Lehren des Qur-âns, auf faszinierende Weise wird aufgezeigt, inwiefern sich der heilige Text über die Jahrhunderte hinweg einerseits nicht veränderte, aber andererseits immer neue Lö- sungen, hermeneutische Tiefen und spirituelle Perlen offenbart. Er zeigt, dass der Qur-ân ein zeitloses Buch ist, dessen Wissens- reichtum niemals zu versiegen scheint, dessen interpretatori- schen Tiefen schier unfassbar sind und deswegen als das größte Wunder auf der Welt bezeichnet wird.

Neben seiner spirituellen Einsicht und intellektuellen

Schärfe zeichnete sich Hadhrat Mirza Bashir ud-Din Mahmud


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5 Muhammad (Frankfurt am Main 1994); Khilafat-e-Rashidah (Islamabad [UK] 2009).

6 Der wirtschftliche Aufbau der islamischen Gesellschaftsordnung (Frankfurt am Main); New World Order of Islam (Islamabad [UK] 2005). Hierbei sollte erwähnt sein, dass nur wenige Werke auf Deutsch vorliegen, mehr auf Eng- lisch und das gesamte Werk natürlich auf Urdu.

7 Die bislang noch nicht im Deutschen vorliegt, sondern nur auf Englisch (Islamabad [UK] 1988; Koran, English & Arabic; ISBN: 1-85372-045-3).


AhmadRA durch sein politisches Engagement zu Zeiten der Tei- lung des dekolonisierten Subkontinents in Pakistan und Indien aus. Er trug entschiedenen Anteil an der Etablierung Pakistans als souveränen Staaten und leistete wertvolle Dienste als Vor- sitzender des All Cashmere Committee, das die Rechte der in Kaschmir lebenden Muslime schützte und dadurch die musli- mische Gemeinde vor Unterdrückung bewahrte. Grundsätzlich wurde er aufgesucht von Staatsmännern, die seinen Rat schätz- ten und sich dadurch Leitung verschafften.

Die Lebensleistung des Verheißenen ReformersRA kann hier nur in groben Zügen nachgezeichnet werden. Oft bei großen Persönlichkeiten der Weltgeschichte offenbart sich die gesam- te Tragweite ihres Wirkens erst nach ihrem Dahinscheiden. Die außergewöhnliche Leistung des zweiten KalifensRA der Ahma- diyya Muslim Gemeinde manifestiert sich zum Teil schon zu seinen Lebzeiten, sei es in Form der Ahmadiyya Muslim Ge- meinde, die nicht aufhört zu wachsen und an Einfluss zu ge- winnen, oder in Form der spirituellen Leitung, die durch sei- nen geistigen Nachlass für Gottsucher weltweit eine tiefe, noch auszuschöpfende Quelle der Weisheit darstellt. Die Reformu- lierung des ursprünglichen Islam anhand logischer Argumen- tationstrukturen, die Darstellung der Lehren des Islam in ihrer gesamten gesellschaftsstrukturierenden Tragweite, die ratio- nale Durchdringung von islamischen Geboten und Verboten, die logisch kohärente Formulierung der Grundlage von Moral, all dies formulierte Hadhrat Mirza Bashir ud-Din Mahmud AhmadRA in dutzenden Werken.

Dieses kleine Büchlein ist ein praktisches Handbuch, wor-

über der Gottsucher seine alltäglich zu praktizierenden spiritu-


ellen Übungen verbessern kann. Der Autor war bekannt für die spirituelle Rechtleitung, die spirituelle Erziehungsarbeit, die er Zeit seines Lebens leistete. Dieses Büchlein gibt davon einen kleinen Eindruck.


Hadhrat Mirza Bashir ud-Din Mahmud Ahmadas im Verlag der Islam

Auswahl


Ahmadiyyat - Der wahre Islam

2012, Hardcover im Schutzumschlag, 440 Seiten

ISBN 978-3-932244-80-3


Bei diesem Buch handelt es sich um die erweiterte Version eines Vor- trags, den der islamische Reformer Hadhrat Mirza Bashir ud-Din Mahmud AhmadRA für die Wembley Conference of Religion, die 1924 in London tagte, verfasste. Es ist ein groß angelegter Versuch, dem Westen einen authenti- schen Einblick in die Lehre des Islam zu verschaffen. Von Besonderheit ist, dass es sich nicht nur um eine reine Einführung in die Lehren des Islam handelt, sondern darüber hinaus dieses Werk auch in die dynamischste

und progressivste Bewegung des Islam, die Ahmadiyya Muslim Gemeinde, einführt.

Das Bild, das der Leser erhält, steht in einem diametralen Gegensatz zu den gängigen Klischees und Vorurteilen über den Islam. Fernab effekthei- schender Schlagzeilen und einer verkürzten Darstellung der wahren Phi- losophie der Lehren des Islam, liegt der Mehrwert dieses Werkes sicherlich darin, dass detailreich die unterschiedlichsten Teillehren des Islam diskutiert werden, was dazu führt, dass jeder Teilaspekt der Lehre des Qur-âns im Lichte der Gesamtidee eine völlig neue und einleuchtende Bedeutung erhält.

Das Hauptanliegen dieses Buches liegt für den Verfasser darin, zu dis- kutieren, welche Aufgaben eine Religion zu erfüllen hat, um die Bedürfnisse des Menschen zu erfüllen. Der Autor legt vier Kriterien fest: Eine Religion muss aufklären über Gott, die Grundlagen der Moral, die Grundlagen

des Sozialen Miteinanders und das Leben nach dem Tod. Erst wenn eine Religion in der Lage ist, im engen Lichtkegel der Vernunft überzeugende Antworten hinsichtlich dieser vier Dimensionen zu formulieren, ist sie es Wert, vom Menschen angenommen zu werden.

Im Zentrum all dieser Überlegung steht dabei das, was im Zentrum je- der Religion stehen sollte, nämlich die Verbindung zwischen dem Göttlichen und Menschlichen. Der Autor überbringt auf Grundlage der Lehren des Verheißenen MessiasAS des Islam und von allen großen Religionen erwar- teten Reformers der Endzeit, Hadhrat Mirza Ghulam AhmadAS, die frohe Botschaft, dass eine geistige Vereinigung mit Gott noch immer möglich ist. Die Reform des Islam und somit der Religion an sich, besteht letztlich darin, dass ins Bewusstsein gerückt wurde, dass der Mensch ein Wesen ist,

das eine geistige Tiefe besitzt, die ihn dazu befähigt, spirituelle Höhen zu erklimmen, in denen Gott sich dem Menschen offenbart.

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Muhammad - Das Leben des Heiligen Propheten


Zweite, überarbeitete Auflage 2012, Hardcover im Schutzumschlag, 400 Sei- ten; ISBN 978-3-932244-05-6

Dritte, überarbeitete Auflage 2013, Taschenbuch, 400 Seiten; ISBN 978-3-

944277-12-7


Der vollkommene Charakter, den der ProphetSAW für Muslime besitzt, steht in völligem Widerspruch zu der Diffamierung und Dämonisierung des Pro- pheten, die in westlichen Breitengraden seit jeher Tradition hat. Er wurde im Mittelalter als Antichrist beschimpft und ist auch in den gegenwärtigen Islamdebatten immer wieder Gegenstand deutlicher Kritik. Einer Kritik, die sich oftmals auf einem sehr bedenklichen Niveau bewegt, denn wenn es eine Persönlichkeit der Weltgeschichte gibt, deren Leben bis ins Detail rekons- truiert werden konnte, dann ist es das Leben des Heiligen Propheten des Islam. In zahllosen Aussprüchen des Propheten, sogenannten ʾAḥādīṯ, kann der ernsthaft Interessierte sich ein Bild von der Person verschaffen, die von Michael H. Hart als einflussreichste Person der Weltgeschichte bezeichnet wird.

Dieses Buch hat die zahllosen ʾAḥādīṯ zu einer Biografie geknüpft. Es nähert sich dem Leben des Begründers des Islam detailreich und lebensnah. Die Hintergründe seiner Mission werden ebenso erläutert, wie der Charakter des Propheten nachgezeichnet wird. Anhand der Nacherzählung von zahl- reichen Begebenheiten aus der Frühgeschichte des Islam lernt der Leser nicht nur den Heiligen ProphetenSAW neu kennen, sondern erhält auch einen authentischen Einblick in das wahre Wesen der am stärksten diskutierten Religion unserer Zeit – dem Islam.


Das Wesen Gottes


2012, Hardcover im Schutzumschlag, 304 Seiten

ISBN 978-3-921458-19-8


Es geht um Fragen, die seit jeher diskutiert werden. Welche Beweise gibt es für Gottes Existenz? Welche Argumente dagegen? Wenn es Gott gibt, warum dann dieses Elend auf dieser Welt? Erhört Gott unsere Gebete und ist es tatsächlich möglich, eine Vision von Gott zu erhalten?

Unter den unterschiedlichsten Abhandlungen zu diesem fundamen- talen Thema ragt dieses Werk heraus. Der Autor vermag es, äußerst scharfsinnig die wichtigsten Streitpunkte zu dieser Thematik zu erör- tern. In glasklarer Sprache grenzt er die unterschiedlichen Standpunkte voneinander ab und liefert darauf aufbauend ein Bild Gottes, das insofern überzeugt, als es neben seinem rationalen Fundament auch die spirituelle Dimension, die Beziehung zwischen Mensch und Gott, nicht vernachlässigt. Der Autor erläutert die Möglichkeit der Kommunikati- on, des Kontakts, der Vision, ja, der Vereinigung mit Gott und zeigt auf, wie diese Vereinigung erlangt werden kann.

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Mohammad in der Bibel


2003, broschiert, 84 Seiten

ISBN 3-92145812-9


Anhand zahlreicher Stellen aus dem Alten und Neuen Testament weist der Autor, der zweite Khalif des Mahdi und Messias des Islam, nach, dass es viele Prophezeiungen über die Ankunft des Heiligen Propheten (Friede sei auf ihm) in der Bibel gibt


Sozialer Aspekt des Islam


1989, DIN-A5, broschiert, 60 Seiten

ISBN 3-921458-35-8


In dieser Abhandlung befasst sich der Zweite Kalif der Ahmadiyya Muslim Jamaat ausführlich mit den Aspekten des Heiratens im Islam, u.a. mit der Eheschließung und dem anschließenden Familienleben, der Erziehung von Kindern, dem Sozialverhalten, den Bürgerpflichten, den Vollmachten und

Pflichten des Staates, dem Handel, den Beziehungen von Staaten unter- einander oder auch den Beziehungen zwischen Anhängern unterschiedlicher Glaubensvorstellungen.


Der wirtschaftliche Aufbau der islamischen Gesellschaftsordnung


DIN-A5, broschiert, 96 Seiten ISBN 3-921458-17-X,


Der Zweite Kalif der Ahmadiyya Muslim Jamaat verdeutlicht anhand klarer Darstellung und Beweisführung,wie eine Wirtschaftsordnung auszusehen hat, die der Natur des Menschen entspricht und weder übervorteilt noch benachteiligt. Mit der Analyse von Kapitalismus und Kommunismus und deren inhärenten Fehlern sowie den daraus entste- henden Ungerechtigkeiten.

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